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Wenn Kontrollsucht deine Beziehung und dich selbst kaputt macht

Foto: Eylul Aslan
Häusliche Gewalt“ ist ein furchteinflößender Begriff. Sie ist etwas, das wir aus den Nachrichten und Büchern, Filmen und Soaps kennen. Wenn du diesen Ausdruck hörst, denkst du vielleicht an wütende Männer, die ihre Fäuste gegen wehrlose Frauen erheben, an versteckte blaue Flecken oder Ausreden, um Pläne abzusagen. Gewalt innerhalb intimer Partnerschaften ist nicht etwas, das intelligenten, erfolgreichen Frauen zustößt, denken viele. Sie ist nicht etwas, das charismatischen, freundlichen Männern passiert. Sie ist nicht etwas, das dir oder mir widerfahren würde.
Bis es dann schließlich doch vielleicht eines Tages dazu kommt...
Die Art von häuslicher Gewalt, die ich über ein Jahrzehnt lang ertrug und überlebte, hinterließ bei mir weder einen gebrochenen Knochen noch einen einzigen blauen Fleck. Die emotionalen Narben sind aber so tief, dass sie vielleicht nie heilen werden. Die posttraumatischen Ängste, die mich plagen, werden mich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens quälen. Sie werden sich in zukünftigen Beziehungen bemerkbar machen. Sie werden mich dazu bewegen, meine Selfcare-Routine mit so viel Respekt und Disziplin anzugehen, die der Behandlung einer lebensbedrohlichen Krankheit ähnelt. Die täglichen Mantras, dank derer ich geistig gesund bleiben und meine Fassung bewahren kann, sind meine Medizin. Meine Liebe zu mir selbst, die ich mir so hart erkämpfen musste, ist mein Rettungsboot.
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Die täglichen Mantras, dank derer ich geistig gesund bleiben und meine Fassung bewahren kann, sind meine Medizin. Meine Liebe zu mir selbst, die ich mir so hart erkämpfen musste, ist mein Rettungsboot.

Bei Kontrollsucht handelt es sich um ein heimtückisches, automatisches, vorhersehbares Verhaltensmuster, mit dem du dich hoffentlich nie auseinandersetzen musst. Dich mit Wissen darüber zu rüsten, ist aber so, als würdest du sicherstellen, dass du eine Schwimmweste anziehst, bevor du schwimmen gehst: eine Form von Selbsterhaltung.
Mit „Liebesbomben“ gewinnen kontrollsüchtige Täter:innen dein Herz zu Beginn der Beziehung: Sie geben sich freundlich und liebevoll und machen dir Komplimente. Sie behandeln dich, als seist du etwas Besonderes und Einzigartiges für sie. Sie teilen dir mit, dass sie sich normalerweise nicht so schnell verlieben. Sie gehen mit dir um, als wärst du alles, was auf dieser Welt zählt. Sie geben dir häufig das Gefühl, als würdest du sie auf irgendeine Weise retten oder umgekehrt. Sie lassen dich aber auch ihre Wut spüren oder „bestrafen“ dich, wenn sie nicht das bekommen, was sie wollen, oder du nicht so reagierst, wie sie es sich wünschen. Diese beiden Verhaltensweisen treten anfänglich zu gleichen Teilen auf. Allmählich nimmt aber das „liebevolle“ Verhalten ab, während Ärger und Unzufriedenheit zunehmen. Du hast so zu agieren, reagieren und dich zu verhalten, wie es sich die andere Person wünscht. Wenn du tust, was sie will, wirst du mit positiven Verhaltensweisen belohnt. Jede Abweichung von ihren Erwartungen endet in Wutanfällen oder einer anderen Form von Bestrafung. Oft kommt es nicht tatsächlich zu körperlicher Gewalt, denn sie wird meistens „nur“ angedroht. Löcher in die Wand zu schlagen oder Haushaltsgegenstände zu zertrümmern, sind in diesem Zusammenhang wirksame Mittel, um Opfer einzuschüchtern.

Das Endziel der Täter:innen ist es, deinen Willen zu brechen, damit sie vollständige Kontrolle über dein Leben haben können.

Das kann zur Folge haben, dass du von deinen Freund:innen und deiner Familie ferngehalten wirst, dass dir Geld, Nahrung oder andere Grundbedürfnisse vorenthalten werden, dass Kontrolle darüber ausgeübt wird, was du trägst, wohin du gehst, wen du siehst, sogar welche Medien du konsumierst und mit wem du sprichst. Dich ständig runterzumachen, um dir das Gefühl zu geben, wertlos zu sein, ist ebenfalls eine sehr beliebte Taktik unter Leuten mit Kontrollzwang, ebenso wie beschämendes, herabsetzendes Verhalten, Einschüchterungsversuche und Drohungen. Das Endziel der Täter:innen ist es, deinen Willen zu brechen, damit sie vollständige Kontrolle über dein Leben haben können.
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Solltest du diese Verhaltensweisen bei deinen Partner:innen zu erkennen beginnen und die Entscheidung treffen, sie damit zu konfrontieren, werden sie sich höchstwahrscheinlich mithilfe von Zwangsausübung verteidigen. Täter:innen werden deine Behauptungen verharmlosen. Sie werden es mit Gaslighting probieren. Sie werden dafür sorgen, dass du an dir selbst zu zweifeln anfängst. Sie werden Beispiele dafür anführen, wie viel schlimmer deine Umstände sein könnten. Sie werden dir das Gefühl vermitteln, dass du dich glücklich schätzen solltest, dass sie dich nie geschlagen oder vergewaltigt oder dich (noch) nicht getötet haben. Und du wirst ihnen möglicherweise Glauben schenken und vielleicht tatsächlich dankbar dafür sein, dass es (bisher noch) nicht zu all dem gekommen ist.
In meinem Fall war es mein Sohn, der mich vor meinem Täter gerettet hat. Das Verhalten meines Mannes durch seine unschuldigen Augen zu sehen, war der Weckruf, den ich brauchte, um etwas dagegen zu unternehmen und aus dieser Situation auszusteigen. Das Bedürfnis, mein Kind zu schützen, das größer war als jedes andere Bedürfnis auf dieser Welt, hat mich zum Handeln bewegt. Dank ihm fand ich endlich die Kraft, mich zu befreien. Das war ein einzigartiger Akt der Tapferkeit, den ich mir immer dann in Erinnerung rufe, wenn mich Zweifel überkommen.
Das Letzte, was du wissen solltest, ist, dass Täter:innen oft selbst Opfer von Kontrollsucht waren. Teil ihrer Kontrollausübung ist es, dir von dem Missbrauch zu erzählen, den sie erlitten haben. Damit zeigen sie ihre verletzliche Seite und du zeigst dich im Gegenzug mit deiner erkenntlich. Sie glauben, dass sie Opfer ihrer Umstände sind und dass ihre eigenen negativen Erfahrungen mit Kontrollzwang sie von ihrer persönlichen Verantwortung und Schuld befreien. Begeh diesen Fehler aber bitte nicht. Auch wenn du möglicherweise seit Wochen, Monaten, Jahren, Jahrzehnten mit dieser Form von Missbrauch lebst, kannst du diesen Teufelskreis unterbrechen und verhindern, dass du selbst zu einem Opfer deiner Lebensumstände wirst. Du kannst diese missbräuchliche Beziehung überleben und als Kämpfer:in aus dieser schwierigen Situation herauskommen, ohne selbst zum Täter oder zur Täterin zu werden. Glaub mir, denn es ist mir auch gelungen.
Wenn du auf der Suche nach Beratung bist und Hilfe benötigst, kannst du dich an das Hilfetelefon wenden, welches ein bundesweites Beratungsangebot für Personen anbietet, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützt diese Einrichtung Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.

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