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Ich kann nicht aufhören, mir im Job den Kopf zu zerbrechen

Foto: Franey Miller.
Hast du dich selbst schon mal gefragt, was du mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin besprechen würdest, wenn du die Chance dazu hättest? Wir bitten Dr. Sheri Jacobson, einer pensionierten Psychotherapeutin mit über 17 Jahren Berufserfahrung, um ihren Rat zu all den Angelegenheiten, über die wir uns insgeheim den Kopf zerbrechen.
Frage: 
Wie kann ich damit aufhören, mir bei der Arbeit über alles den Kopf zu zerbrechen
Gen, 25
Antwort:
Zuallererst solltest du anerkennen, dass hinter diesen Grübeleien oft gute Absichten stecken. Wenn wir viel Aufmerksamkeit in etwas investieren, liegt das vermutlich daran, dass es uns wichtig ist. Natürlich kann dieses Kopfzerbrechen oft auch auf Angst und/oder Unsicherheit basieren, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Zwangsstörung. In diesem Fall kommen die Gedanken spontan und ungewollt, was dazu führt, dass sie sich immer und immer wieder im Kreis drehen. Es kann aber auch sein, dass wir diese Gedanken gezielt immer wieder „hervorholen“. Wenn wir derart ins Grübeln verfallen, wünschen wir uns, dabei eine Lösung zu finden, die irgendeinen Fortschritt bewirkt; das gilt insbesondere für den beruflichen Kontext. Oft spielen dabei auch andere Personen eine Rolle, zum Beispiel, wenn wir über die potenziellen Reaktionen oder Meinungen anderer Menschen zu einer Präsentation, einem Arbeitsoutfit oder Ähnlichem nachdenken.
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In manchen Situationen kann dieses Kopfzerbrechen dann sogar ein Vorteil sein, weil es dir erlaubt, Probleme bei der Arbeit gründlich zu durchdenken. Wenn es allerdings zu viel Zeit einnimmt, wird es kritisch. Das kann dann nämlich mental sehr belastend sein und dazu führen, dass du andere Sorgen oder Angelegenheiten vernachlässigst. Wenn du der Grübelei nicht irgendwann ein Ende setzt, kann sie sich endlos fortsetzen und sogar zur Gewohnheit werden. Dann wird es schwer, ihr noch Einhalt zu gebieten, weil sich verfestigte Gewohnheiten nur mit großer Mühe wieder ablegen lassen. Das steigert wiederum das Risiko negativer Nachwirkungen.
Diese Art von mentalem Fokus kann sich auch enorm auf den Schlaf auswirken. Prinzipiell erleben viele Menschen, die sehr hart arbeiten, häufig ein Verschwimmen von Arbeit und Entspannung. Das bedeutet, dass sich die Gedanken auch in die Zeit übertragen, in der du deinen Kopf eigentlich abschalten solltest. Wenn du dir bei diesen Grübeleien viel Druck machst, kann das auch dein Selbstwertgefühl beeinträchtigen – und somit deine generelle Zufriedenheit mit dir selbst und deiner Arbeit. In anderen Worten: Womöglich bist du daraufhin nie mit deiner Arbeit zufrieden, weil sie den Standards, die du dir selbst in deinen endlosen Gedanken auferlegst, niemals entsprechen kann.
Diese Form des Denkens findet man am Arbeitsplatz leider überall. Ich glaube, das hat mit den gestiegenen Erwartungen zu tun, die uns alle zu mehr Perfektionismus tendieren lassen. Je höher und unflexibler diese Standards also sind, desto mehr Druck machen wir uns selbst. In der kognitiven Verhaltenstherapie nennen wir solche unnachgiebigen Überzeugungen „kognitive Verzerrungen“. Dazu gehören beispielsweise Aussagen mit „soll“, „brauche“ oder „muss“, wovon uns vor allem „soll“ und „muss“ sehr belasten können. Deine Grübelei kann auch von der Situation bedingt sein. Vielleicht arbeitest du in einem Umfeld, in dem das Kopfzerbrechen der Mitarbeitenden zur Kultur gehört und extern gefördert wird – ob nun von den Vorgesetzten, den Mitarbeitenden oder dem wirtschaftlichen Druck.
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Demnach lautet die entscheidende Frage: Wie kannst du erkennen, wann dir deine Gedanken schaden? Wie bei fast allen derartigen psychologischen Verhaltensweisen ist auch dieses Nachdenken nur so lange nützlich, bis es dich selbst oder andere im Alltag beeinträchtigt. Zu viel von allem sorgt zwangsläufig für Schwierigkeiten und behindert dich in deiner ganz normalen Routine. Früher oder später wirkt sich das auch auf dein Umfeld aus – zum Beispiel dahingehend, wie viel Zeit du für deine Liebsten hast, wie gut du ihnen zuhören kannst, und so weiter.
Um deine Gedanken in den Griff zu bekommen, empfehle ich dir, sie aus einer fast schon wissenschaftlichen Perspektive zu betrachten: Analysiere zuerst, wie sehr sie dir helfen oder dich beeinträchtigen, und überlege dir dann, wie und in welcher Form du gern nachdenken würdest. Was funktioniert für dich am besten? Du kannst auch herumexperimentieren, indem du etwas zum Beispiel nicht so stark im Voraus planst wie sonst und dir anschaust, wie die Dinge laufen, wenn du sie einfach mal etwas spontaner angehst, anstatt dir vorher über alles den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht setzt du dir auch selbst gewisse Grenzen und schaust, ob dir das hilft oder nicht. Kannst du beispielsweise die Zeit und Intensität, die du für das Nachdenken aufbringst, regulieren? Sage dir selbst: Okay, ich gebe mir jetzt zehn bis 15 Minuten, um über diese Angelegenheit nachzudenken, und beschäftige mich danach wieder mit etwas anderem. Vielleicht kannst du dir auch vorstellen, welchen Rat du einer befreundeten Person in deiner Lage geben würdest. Was würdest du ihr empfehlen? Wir neigen nämlich dazu, anderen mehr Empathie zu schenken als uns selbst – dabei versteht uns ja eigentlich niemand besser als wir uns selbst.
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