Wenn von „Krampfadern“ oder ihren weniger schmerzhaften Verwandten, den „Besenreisern“, die Rede ist, denken viele von uns an Menschen über 50. Das Risiko für Krampfadern nimmt auch tatsächlich mit dem Alter zu. Ob eine Person zu Besenreisern neigt, zeigt sich allerdings oft schon früh, denn bereits viele 20- bis 29-Jährige weisen diese Venenerkrankung auf. Mit zunehmendem Alter kämpfen dann immer mehr Menschen mit ausgeprägten Krampfadern und ihren Folgeerscheinungen.
Sanjay Patel, Facharzt für vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie an der UK Vein Clinic, erklärt, warum wir Krampfadern als ein „Problem älterer Menschen“ ansehen: Zeit spielt eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Krampfadern. Faktoren, die mit dem Lebensstil in Zusammenhang stehen, hatten bei älteren Personen mehr Zeit, sich auszuwirken. Dadurch sind Symptome spür- und sichtbarer, da mehr Schaden angerichtet werden konnte. Das heißt aber noch lange nicht, dass Krampfadern nicht auch schon früher im Leben auftreten können. „Die Botschaft, die ich vermitteln möchte“, sagt er, „ist, nicht zu warten, bis diese Erkrankung zu ernsteren Beschwerden führt. Prävention ist hier das Schlüsselwort.“
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Was genau sind also Krampfadern? Sie sind eine sehr häufige Form einer chronischen Venenerkrankung, von der Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer. Sie können überall auftreten, sind aber eher an den Füßen und Beinen vorzufinden, insbesondere an den Waden. Sanjay erklärt: „Krampfadern sind Venen, die im Laufe der Zeit größer geworden sind und sich verdreht haben. Sie können sehr auffällig sein, pochen und schmerzen, was nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann. Es ist aber das zugrunde liegende Problem, das Krampfadern verursacht, das zu weiteren Beschwerden führen kann, wenn es unbehandelt bleibt.“ Besenreiser sind eine häufige, mildere Variante, die leicht sichtbar sind, aber größtenteils keine anderen Symptome aufweisen.
Venen enthalten einfachgerichtete Klappen, die das Blut entgegen der Schwerkraft zum Herzen zurücktransportieren. Im Laufe der Zeit hören diese auf, richtig zu funktionieren, was zu erhöhtem Druck (venöse Hypertonie) führt, der wiederum die Entstehung von Krampfadern begünstigt. „Es kann auch zu einer Reihe anderer Hautveränderungen kommen, wie z. B. dunkler, juckender, roter und spröder Haut sowie möglichen Schwellungen. Unbehandelt kann das zu Geschwüren führen. Krampfadern sind also nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die Gesundheit unserer Venen geht.“
Obwohl sie mit zunehmendem Alter häufiger auftreten, können Krampfadern fast jede:n in jedem Alter treffen. Wie Sanjay hervorhebt, sind Frauen aufgrund von Schwangerschaften aber anfälliger dafür.
„Während einer Schwangerschaft entwickeln 80 Prozent der Frauen Krampfadern. Das hängt mit dem zusätzlichen Druck auf das Kreislaufsystem zusammen, der durch das Baby in der Gebärmutter verursacht wird. Nach der Geburt sind sie meistens wieder weg, und selbst wenn das nicht der Fall ist, werden viele der Symptome danach deutlich besser oder verschwinden ganz.“
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In den meisten Fällen sind Krampfadern genetisch bedingt, was bedeutet, dass du wenig dagegen tun kannst, um eine Funktionsstörung deiner Venen zu verhindern. Sie kann jedoch durch Faktoren, die in Zusammenhang mit deinem Lebensstil stehen, verschlimmert werden, weshalb sie nicht bloß ein Frauenproblem sind. Außerdem können sie Alt genauso wie Jung betreffen. Berufe, in denen viel gestanden wird (Friseur:innen, Krankenpfleger:innen, Lehrer:innen, etc.), das Gewicht, Medikamente wie die Antibabypille oder Hormonersatztherapien, eine Vorgeschichte mit Blutgerinnseln und Bewegungsmangel sind Faktoren, die hier eine wichtige Rolle spielen.
Sanjay erklärt gegenüber R29, dass „die Pandemie die Symptome, die mit kranken Venen in Verbindung stehen, generell verschlimmert hat“. Menschen, die zu Hause festsaßen, waren notgedrungen weniger aktiv. Bewegung ist aber nicht nur gut für die allgemeine Gesundheit, sondern kann auch Krampfadern verbessern. „Das liegt daran, dass Sport und Bewegung die Aktivität in den Waden erhöht, was wiederum das Blut zurück zum Herzen pumpt und den Druck in den Venen senkt.“ Rachel Bell, Fachärztin für Gefäßchirurgie und Vorsitzende der Wohltätigkeitsorganisation Circulation Foundation, meint diesbezüglich jedoch Folgendes: „Ich glaube nicht, dass die Pandemie eine Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit, Krampfadern zu entwickeln, gehabt hat. Wenn eine Person genetisch dazu veranlagt ist, Krampfadern zu haben, wird sie früher oder später welche entwickeln – Pandemie hin oder her.“
Wenn du an Krampfadern leidest oder glaubst, dass du sie in Zukunft entwickeln könntest, erklärt Rachel, dass sie in den meisten Fällen „nicht gefährlich, sonder nur lästig sind“. Sie können zu Schmerzen, Schwellungen und Unwohlsein führen und das Selbstwertgefühl von Betroffenen beeinträchtigen. Zum Glück kann aber eine rechtzeitige Untersuchung und Behandlung dieser Venenerkrankung die anderen Probleme, die durch den zugrunde liegenden venösen Bluthochdruck verursacht werden, verhindern und ihnen entgegenwirken.
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Wie lassen sich Krampfadern behandeln? Es gibt eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten. Am besten ist es, dich von Gefäßspezialist:innen beraten zu lassen, um die geeignete und am wenigsten invasive Behandlungsform für dich zu finden. Bei der sogenannten Stripping-Operation werden die erkrankten Venen abgetrennt und herausgezogen. Wesentlich weniger invasiv ist z. B. die Sklerotherapie. Die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine endovenöse Radiofrequenzablation (ERFA) die beste Behandlungsmethode ist, da sie eine Gesamtlösung bietet. Sie kann unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden, birgt ein geringeres Risiko, dass sich Narben bilden könnten, die Erholungszeit nach dem Eingriff ist kürzer und sie liefert durchgehend hervorragende Ergebnisse.
Da Krampfadern erblich bedingt sind, kennen die meisten Menschen die Behandlung nur von ihren Eltern oder Großeltern. Vielleicht hast du deshalb auch viele erschreckende Geschichten oder auch Mythen zu Krampfadern, Besenreisern und Venenleiden gehört. Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass sich die modernen Behandlungsmethoden im Laufe der Jahre erheblich weiterentwickelt haben, so Sanjay. „Jetzt stehen uns minimalinvasive Eingriffe mit sehr geringer Erholungszeit und ausgezeichneten Erfolgsquoten zur Verfügung.“
Ein wichtiger Punkt zum Schluss: Wenn du schwanger bist und Krampfadern entwickelst, ist von einer Operation abzuraten. Warte bis nach der Entbindung, denn bei vielen Frauen verschwinden sie nach der Geburt vollständig von selbst. Wenn du Krampfadern hast, solltest du dich regelmäßig bewegen, Kompressionsstrümpfe tragen und langes Stehen vermeiden, um die Symptome zu lindern.