In den letzten Jahren hat sich die Diskussion um unsere mentale Gesundheit enorm verändert. Wir fragen einander häufiger, ob es uns gut geht (Spoiler-Alarm: nö), und Gender und Hautfarbe spielen in unseren Gedanken über die Psyche nicht mehr bloß belanglose Nebenrollen.
Genauso hat sich verändert, wie wir über unsere Arbeit sprechen. Durch Vier-Tage-Wochen, flexible Arbeitszeiten und eine Abkehr vom Nebenjob hinterfragen wir immer stärker, was wir von unseren Jobs eigentlich erwarten – und akzeptieren.
Wenn wir aber beide Themen – geistige Gesundheit und Job – in einen Topf schmeißen, ist das Ergebnis eher enttäuschend. Obwohl es mittlerweile unzählige Artikel und Instagram-Selbsthilfe-Posts rund um Karriere-Burnout und Stressoren am Arbeitsplatz gibt, ist die Vorstellung, diese Gespräche im „realen Leben“ mit deinen Vorgesetzten zu führen, für viele ganz schön angsteinflößend.
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Das fängt schon bei der Krankmeldung an. Denk nur mal an das Impostersyndrom und die Schuldgefühle, die viele Leute davon abhalten, sich krankzumelden, selbst wenn es ihnen wirklich schlecht geht. Eine Umfrage von OnePoll ergab, dass zwei von drei Angestellten, die einen Grund für ihre Krankmeldung angeben müssen, den Eindruck haben, ihre Vorgesetzten würden ihnen diese Gründe nie abkaufen.
Wir sind zwar inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem Krankheiten nicht mehr sichtbar sein müssen, um anerkannt zu werden – aber warum ist es dann immer noch so ein Tabu, sich aus psychischen Gründen krank zu melden?
Worauf hast du Anspruch?
Wenn es dir nicht gut geht, hast du das Recht auf eine Krankmeldung. Die musst du deinen Arbeitgeber:innen direkt am ersten Tag zukommen lassen; in welcher Form (ob per E-Mail, Telefon, o. Ä.) die eingehen muss, ist nicht vorgeschrieben und klärst du besser direkt mit deinen Vorgesetzten, um sicherzugehen, über welches Medium du sie am besten erreichst.
In dieser Krankmeldung musst du nicht angeben, aus welchem Grund du dich nicht zur Arbeit fähig fühlst. Sofern im Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes steht und dich deine Vorgesetzten nicht vorher um ein Attest bitten, darfst du ohne Attest drei Kalendertage zu Hause bleiben; danach brauchst du eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (auf der ebenfalls keine Diagnose steht). Die muss deinen Vorgesetzten am nächsten Arbeitstag vorliegen, und eine Kopie geht an deine Krankenversicherung.
Wie bittest du am besten um eine Krankmeldung aus psychischen Gründen?
Die „richtige“ Formulierung der Krankmeldung kann manchmal eine ganz schöne Herausforderung sein – vor allem, wenn es um die geistige Gesundheit geht. Dabei muss sich eine solche Krankmeldung gar nicht von einer „regulären“ unterscheiden.
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Dieselben Faustregeln gelten nämlich auch hier: Halte dich mit unnötigen Details zurück, kommuniziere deine Bedürfnisse ganz klar und definiere Grenzen und Erwartungen – sowohl deine eigenen, als auch die deiner Vorgesetzten. Schriftlich (zum Beispiel via E-Mail oder Chatnachricht) fällt dir das womöglich leichter.
Wie gesagt: Du brauchst deinen Vorgesetzten nicht zu sagen, dass du dich aus psychischen Gründen krankmeldest. Wenn du dich damit aber wohl fühlst und nicht befürchtest, dafür verurteilt zu werden, kann es gegen Stigmata helfen, ganz ehrlich mit deiner geistigen Gesundheit umzugehen. Du hast keinen Grund, dich dafür zu schämen!
Wie verbreitet sind Stress und Unruhe am Arbeitsplatz?
Die Psychologin Mary Spillane erzählt, dass Stress und Unruhe im Job völlig normal und sogar zu erwarten sind. Wichtig ist aber, darauf zu achten, ob diese Gefühle irgendwann „langfristig andauern und dich überwältigen“.
Auf viele Vollzeitangestellte trifft das inzwischen zu – und dennoch fällt es vielen schwer, diesem Zustand zu entkommen. Dabei kann schon ein freier Tag helfen. „Manchmal, wenn wir uns über lange Zeit hinweg gestresst fühlen, fallen wir in einen Stress-Kreislauf, in dem unsere Gehirne dauernd nach Stressoren in unserem Umfeld Ausschau halten und darauf reagieren“, erklärt Spillane. „Sich mal einen Tag frei zu nehmen, kann dabei helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und unserem Körper und Gehirn die Entspannung und Regeneration erleichtern.“
Wie kannst du Burnout schon früh vorbeugen?
Langfristig ist es definitiv hilfreich, die ersten Anzeichen eines Burnouts zu erkennen. Krankmeldungen können dabei nützlich sein, sind aber nur eine Art Pflaster auf einer großen Wunde. Spillane zufolge solltest du daher vor allem auf Erschöpfung, fehlende Energie, eine negative Einstellung gegenüber deiner Arbeitsstelle und/oder Kolleg:innen, Reizbarkeit und Gleichgültigkeit bezüglich deiner Arbeitsqualität achten. All das können erste Symptome eines Burnouts sein.
Was können Vorgesetzte tun, um ihren Angestellten zu helfen?
Ein großer Teil der Verantwortung liegt dabei seitens der Arbeitgeber:innen. Sieh dich deswegen bei der Arbeit mal genau um: Wie viel wird unternommen, um dir und deinen Kolleg:innen das Arbeitsumfeld zu verbessern? Eine der „grüne Flaggen“, die Spillane dabei hervorhebt, ist zum Beispiel die Überwachung von Arbeitsstunden und -pensum: Achten deine Chefs:Chefinnen darauf, dass ihr euch nicht übernehmt oder zu lange arbeitet? Wird Work-Life-Balance bei euch groß geschrieben? Werdet ihr zum Urlaub ermutigt? Dürft ihr Feedback zum Arbeitspensum und zur Arbeitszeit geben? Andersrum gibt es natürlich auch Arbeitsstellen, bei denen der Fokus eindeutig nicht auf dem Wohlergehen der Angestellten liegt. Ganz egal, wie sehr dir dein Job an sich gefällt – wenn du, deine Bedürfnisse und deine Gesundheit dort nicht respektiert werden, bist du woanders womöglich besser aufgehoben.
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