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Seit mein Mann der Hauptverdiener in der Beziehung ist, jagen mich die Schuldgefühle

Illustrated by Anna Sudit.
Anfang 2016 interviewten wir 656 Frauen der Generation Y, um sie dazu zu befragen, wie sie zu getrennten Rechnungen bei Verabredungen stehen. Während der Gespräche kristallisierte sich aber auch noch ein anderer Aspekt heraus, nämlich der der unterschiedlichen Verdienste von Männern und Frauen. 55% der befragten, heterosexuellen Frauen gaben an, weniger als ihre Partner zu verdienen und nur 24% der Befragten gaben an, mehr als ihr männlicher Partner zu verdienen.
Wenn man die Zahlen genauer betrachtet verdienen Frauen sogar erheblich weniger als ihre Männer. Bei 31% der interviewten Frauen waren es bis zu 69.000 Euro pro Jahr weniger, wohingegen die Frauen, die mehr als ihr Partner verdienen, meist nur geringfügig über dessen Einkommen liegen. In Prozentzahlen sind es demnach nur 5% der Frauen, die wesentlich mehr verdienen als ihre Männer.
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Grund genug für uns, sich mit den Frauen zu unterhalten, deren Einkünfte sich gravierend von denen ihres Partners unterscheiden, z.B. mit einer 22-jährigen Marketingmanagerin in Shanghai. Mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit verdient sie umgerechnet knapp 33.000 Euro im Jahr und liegt damit deutlich unter dem Einkommen ihres Mannes, welches sich auf fast 220.000 Euro jährlich beläuft.
Wie haben du und dein Mann sich kennengelernt?
Wir sind nun etwas mehr als ein Jahr verheiratet, aber als wir uns kennenlernten, ging ich noch zur Schule und er studierte schon. Er ist 5 Jahre älter als ich. Als ich dann an die Uni kam, sprachen wir darüber, was die Zukunft für uns bringen sollte. Zu der Zeit war ich wesentlich erfolgreicher in meinem Studium als er, kurz danach brach er es dann auch ab und begann zu arbeiten. Ich wollte erst meinen Master machen und im Anschluss dann promovieren, also gingen wir natürlich davon aus, dass ich die Hauptverdienerin sein würde.
Was passierte dann, als du mit der Uni fertig warst?
Ich gründete ein Start-Up, welches sich schließlich für ca. 552.000 Euro wieder verkaufte. Ich ging aus dem Verkauf mit ca. 275.000 Euro hervor. Damals merkte ich, dass das mein Weg sein würde. Ich liebte einfach, was ich tat.
Wie hat es euch nach Shanghai verschlagen?
Mein Mann bekam das Angebot, mit einem Austauschprogramm nach China zu gehen, wenn er seinen Abschluss machen würde. Also ging er hier zurück an die Uni und ich suchte mir daraufhin einen Job, der auf sechs Monate befristet war. Ich bekam dann das Angebot mit dem Job nach San Francisco zu gehen, aber für mich machte es mehr Sinn, hier in Shanghai zu bleiben. Wir wollten einfach nicht voneinander getrennt sein. Ich wurde also Freiberuflerin und obwohl ich genauso viel verdiene wie zuvor, fühlt es sich trotzdem seltsam an. Die flexiblen Arbeitszeiten sind ein echter Vorteil, aber von zuhause aus zu arbeiten, verändert so einiges. Wenn zum Beispiel die Wäsche fertig ist, hole ich sie zuerst aus der Waschmaschine, das lenkt ab.
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Hat es dir sehr zu schaffen gemacht, plötzlich nicht mehr die Hauptverdienerin zu sein?
Emotional war es sehr, sehr belastend, auch für unsere Beziehung. Ich wollte ja immer eine unabhängige, starke Frau sein und nun war ich die einzige in meinem Freundeskreis, die heiratete und plötzlich anfing einem Stereotyp zu entsprechen. Mit meinem Mann hier zu leben und wesentlich weniger zu verdienen, das kratzt extrem an meinem Ego. Wenn wir gemeinsam essen gehen und mein Getränk teurer ist als seins, habe ich sofort das Gefühl, ich lasse mich aushalten. Oder wenn ich einkaufen gehe, dann habe ich oft das Bedürfnis, ihn vorher fragen zu müssen. Er hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich das müsste, und auch, wenn er mir immer wieder sagt, dass ich ja auch ein Opfer gebracht hätte, mit ihm hierher zu gehen, fühle ich mich dennoch schuldig.

Wenn wir gemeinsam essen gehen und mein Getränk teurer ist als seins, habe ich sofort das Gefühl, ich lasse mich aushalten.

Wie geht es deinem Mann mit der Situation?
Als ich noch mehr verdiente als er, wurden wir immer nach seinem Einkommen beurteilt und lebten ein wesentlich bescheideneres Leben, sogar als ich mein Startup verkauft hatte. Heute, da die Rollen nun entgegengesetzt verteilt sind, haben wir plötzlich einen ganz anderen Lebensstil. Er beurteilt unser Vermögen nach seinem Gehalt, ich betrachte es eher danach, was wir beide in die Beziehung einbringen. Ich denke, viel hängt auch davon ab, wie meine Eltern das gemacht haben. Die beiden waren ihr gesamtes Leben zusammen und ich wuchs damit auf, dass der Lohn des einen auch der Lohn des anderen war. Es gab kein, das ist meins und das ist deins. Mein Mann erlebte das ganz anders, seine Eltern waren geschieden und so war alles immer getrennt.
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Es scheint fast, als hätte er weniger Probleme, euer gemeinsames Geld auszugeben. Warum denkst du, fühlst du dich schuldiger als er?
Ich glaube, das hat viele Gründe. Sollte ich meinem Mann sagen, dass auch er sich zurücknehmen sollte mit den Ausgaben? Ganz grundsätzlich geht es uns gut, wir sparen auch viel. Also ist es vielleicht doch, weil ich weniger verdiene als er? Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich, es könnte auch daran liegen, dass unsere Löhne auf ein Konto in den USA gehen, zu dem ich keine Zugangsdaten habe und nur mein Mann bekommt daher Emails und Aktualisierungen über unsere Finanzen. Ich meine, ich kann schon den Kontostand nachsehen, aber er verwaltet das alles.
Wie gehst du mit den Vorurteilen um, die manche Menschen vielleicht haben, da du nicht so viel wie dein Mann verdienst?
Hier in China läuft es meist so, dass der im Ausland lebende Mann den Arbeitsvertrag hat und seine Frau kommt quasi als seine Begleitung mit. Legal kann sie hier nicht arbeiten, deshalb endet man meist mit freiberuflichen Tätigkeiten, verkauft Gebäck, Basteleien oder wird Bloggerin. Wir Ehefrauen werden oft ein bisschen belächelt. Ich bin in der Lage, genauso zu arbeiten; ich habe einen Arbeitsvertrag und verdiene mein eigenes Geld. Dennoch habe ich das Gefühl, dass ich mit nicht arbeitenden Frauen in einen Topf gesteckt werde.
Ein Teil von mir wehrt sich dagegen und dann denke ich sofort, Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich solche Gedanken habe und nicht zu dieser Gruppe von Frauen gehören will? Schließlich waren viele von ihnen, so wie ich, einmal die Hauptverdienerin in ihrer Beziehung. Ein eng befreundetes Ehepaar von uns ist auch hierher gezogen, sie hat früher wesentlich mehr verdient als ihr Mann. Jetzt hier, haben sich die Rollen vertauscht. Er verdient zwar etwas weniger als sie in ihrem früheren Job als Marketingchefin, aber dafür verbringen sie nun wieder mehr Zeit miteinander. Es ist seltsam, dass wir alle nur als Hausfrauen gesehen werden, obwohl wir alle unseren Beitrag geleistet haben und noch leisten, dass unsere Beziehungen funktionieren. Ich denke es ist einfach nicht so offensichtlich für die Leute.
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Als ich heute Morgen ins Fitnessstudio ging, fragte ich mich, ob von mir vielleicht erwartet wird, besonders hübsch zu sein – weil mein Mann eben reich ist.

Auf deinen Eintrag bei unseren “Money Diaries”, gab es einige Kommentare, die in Richtung „Trophy Wife“ gingen, kannst du verstehen, dass dich manche als Vorzeigefrauchen bezeichnen?
Ich glaube, wenn ich meinen Eintrag lesen würde, würde ich vielleicht auch denken: „Wow, die hat's gut, verheiratet mit einem reichen Kerl.“ So liest es sich ja. Wir sprechen nicht genug darüber, manchmal denke ich, ob die Leute mich vielleicht ansehen und sich fragen, warum mein Mann sich wohl für mich entschieden hat. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich versuche, dem Klischeebild eines Vorzeigefrauchens zu entsprechen, obwohl ich vor noch nicht allzu langer Zeit mehr verdient habe als mein Mann. Als ich heute Morgen ins Fitnessstudio ging, fragte ich mich, ob von mir vielleicht erwartet wird, besonders hübsch zu sein – weil mein Mann eben reich ist.
Es wirkt, als hättest du nach wie vor ein Problem damit, weniger als dein Mann zu verdienen.
Hättest du mich vor einem Jahr gefragt, wäre ich wahrscheinlich die erste gewesen, die sich über diese sogenannten „Trophy Wives“ lustig gemacht hätte. Damals habe ich meine Schwägerin verurteilt, weil sie Mutter wurde und zuhause bei ihrem Kind blieb. Heute sehe ich das aber komplett anders. Ist es wirklich so schlimm, so gesehen zu werden? Immerhin leiste ich einen aktiven Beitrag zu meiner Ehe und am Ende auch für die Gesellschaft.
Wäre es für dich auch in Ordnung, wenn die Rollen plötzlich wieder vertauscht wären?
Es wird der Moment in unserem Leben kommen, da wird die Situation sicher wieder eine andere sein. Mein Mann sagt immer, er ist absolut bereit dazu, mit den Kindern zuhause zu bleiben. Er ist stets bemüht, dass auch für meine Karriere noch Raum bleibt, auch jetzt, wo wir hier leben. Außerdem könnte ich mir leicht einen Job suchen und wieder mehr als er verdienen. So wie er die Sache sieht, ist ihm bewusst, dass ich einen großen Beitrag leiste und dass auch er wieder zurückstecken kann und wir uns gegenseitig abwechselnd unterstützen. Für die Zukunft nimmt ihm das den Druck, der einzige Verdiener zu sein und komplett für mich verantwortlich zu sein. Er sieht es eher als eine Investition in unser gemeinsames Leben.
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