Nachdem ich mit 15 oder 16 das erste Mal die Erfahrung gemacht habe, dass Diät und Sport einen positiven Effekt auf mein Äußeres haben, startete ich verschiedene Selbstexperimente und wog mich jeden Tag mehrmals, stets mit dem Ziel, dass die Zahl auf der Waage kleiner wird. Für mein Aussehen bekam ich plötzlich Anerkennung und Lob und auch die Jungs fingen an, sich für mich zu interessieren; ich fühlte mich sehr viel wohler in meiner Haut. Ich wollte mehr von der Bestätigung von außen und den damit einhergehenden positiven Gefühlen. Ich dachte, dass ich diesen Zustand nur aufrecht erhalten kann, wenn ich weiterhin abnehme und noch schöner, also dünner werde.
MEIN ESSVERHALTEN ENTWICKELTE SICH ZU EINEM TEUFELSKREIS, EINER SUCHT NACH ANERKENNUNG UND LIEBE, die letztlich zu EINER ESSSTÖRUNG wurde
FÜR MEINE ESSANFÄLLE KLAUTE ICH MEINER MITBEWOHNERIN ESSEN UND VERSUCHTE, DIESELBEN PRODUKTE NACHZUKAUFEN UND AN IHREN URSPRÜNGLICHEN PLATZ ZU STELLEN, BEVOR SIE ES MERKEN KONNTE
Nach etwa zwei Jahren in der Angst, dass die Fressattacken und das Erbrechen doch nicht von selbst aufhören würden, schrieb ich meinen Eltern, meiner Schwester und meinem damaligen Freund einen Brief. Dass ich ihnen von der Essstörung erzählte (und sie mir dadurch auch selbst eingestehen konnte), war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich wollte etwas tun, doch vor allem erwartete ich, dass mich jemand rettet. Ich besuchte eine Beratungsstelle in München, wurde darüber aufgeklärt, welche Therapiemöglichkeiten es gab, und bekam eine klassische Ernährungsberatung.
Das Leben lief eine ganze Weile so vor sich hin. Ich beendete erfolgreich meine Ausbildung in München, wurde übernommen und entschied ein halbes Jahr später, einen tollen Job in Hamburg anzunehmen. Nach fünf Jahren ging die Beziehung mit meiner ersten großen Liebe zu Ende. Für mich war das ein sehr schmerzhaftes Erlebnis, denn es war unterbewusst der Beweis, dass ich allein war. Ich war Nichts.
MEIN ALLTAG BESTAND AUS ARBEIT, SPORT, PARTY, ALKOHOL, FRESSANFÄLLEN UND ERBRECHEN
NACH ALL DEr Zeit IN SCHAM, SCHWEIGEN UND SELBSTHASS HABE ICH MICH VOR ALLEM IN DEN LETZTEN DREI JAHREN AUF EINEN WEG RICHTUNG FREIHEIT, LEICHTIGKEIT UND SELBSTLIEBE BEGEBEN