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Warum es so wichtig ist, als weiße Person mit der Familie über Rassismus zu reden

Photographed by Jessica Garcia.
Der Kampf gegen Rassismus ist ein Marathon, kein Sprint.
Das ist etwas, das ich in letzter Zeit häufiger gehört habe. Und es trifft den Nagel auf den Kopf. Echte weiße Allys posten nicht am Dienstag ein schwarzes Quadrat und gehen am Mittwoch direkt wieder zur Tagesordnung über. Echte Allys führen nicht nur einmal eine Unterhaltung über Rassismus. Sie sprechen immer und immer wieder darüber. Und zwar nicht nur mit Freund*innen, Kolleg*innen und der Partnerin oder dem Partner (wobei das natürlich auch extrem wichtig ist!), sondern auch mit der Familie.
„Viele weiße Familien sind es nicht gewöhnt, aktiv über Rassismus zu sprechen“, erklärt Moraya Seeger DeGeare, eine lizensierte Ehe- und Familientherapeutin und Mitinhaberin von BFF Therapy in New York. Und das ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, warum viele „weiße Menschen bereits nach ein paar Tagen aufgeben“.
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Dieses Phänomen wird oft als White Fatigue bezeichnet, so Dr. Joseph Flynn, der beim Center for Black Studies an der Northern Illinois University arbeitet. „Weiße Menschen verstehen zwar, dass Rassismus falsch ist, sind dann aber schnell frustriert oder werden es schnell müde, sich darüber zu unterhalten, weil es so ein komplexes Thema ist“, so Dr. Flynn.
Wir müssen aber über Rassismus reden, besonders mit den Menschen, die uns am nächsten stehen. Wenn wir das schon nicht machen, wer soll es dann sonst bitte machen?
Diesen Unterhaltungen aus dem Weg zu gehen, ist kein passives, neutrales Verhalten; es ist aktiv, gefährlich und schädlich. Menschen, die sich so verhalten, „treffen eine Wahl und beschließen, das Unbehagen zu vermeiden“, sagt Dr. Alfiee Breland-Noble, Psychologin, Autorin, Gründerin des gemeinnützigen Projekts für psychische Gesundheit AAKOMA und Host des Podcasts “Couched in Color with Dr. Alfiee“. „Aber Schwarze Menschen haben keine Wahl – sie können dem Unbehagen nicht aus dem Weg gehen. Auf irgendeine Art und Weise werden sie immer wieder damit konfrontiert.“
White Fatigue zu überwinden, vergleicht DeGeare gern damit, Muskeln zu trainieren. Es hängt natürlich auch davon ab, wie ihr in der Vergangenheit in eurer Familie über Rassismus geredet habt, aber selbst ein kleine Sache, wie eine Person darauf hinzuweisen, wenn er oder sie einen rassistischen Begriff verwendet und sie zu korrigieren, kann sich zunächst unangenehm oder ungewohnt anfühlen. Noch intensiver ist dieses Gefühl vermutlich, wenn du direkt ins kalte Wasser springst und direkt das Thema struktureller Rassismus oder die aktuellen Proteste ansprichst. Doch je öfter du übst, desto einfacher – aber auch produktiver und effektiver – werden diese Gespräche. Bleib am Ball und sprich nicht zum Beispiel einfach nur jede dritte rassistische oder uninformierte Bemerkung an, sagt DeGeare. Mach jedes einzelne Mal den Mund auf. Dann nervst du deine Familie eben mit dem Thema, na und?
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Falls du dich jetzt schon überfordert fühlst und über’s aufgeben nachdenkst, folgen jetzt ein paar einfache Tipps, die dir helfen können, genau das nicht zu tun.
Schritt eins: Verpflichte dich, regelmäßig und häufig etwas zu sagen. Schritt zwei: Hab keine zu hohen Erwartungen. Wenn dein Ziel ist, die Meinung deines Gegenübers zu ändern, dann bist du am Ende des Gesprächs wahrscheinlich frustriert“, sagt Dr. Dr. Breland-Noble. „Wahrscheinlich wirst du deine Familienmitglieder nicht direkt überzeugen können, wenn sie selbst keine drastischen Erfahrungen durchstehen mussten.“
Nur, weil jemand defensiv reagiert oder einfach nicht so, wie du es dir erhofft hättest, solltest du nicht resignieren und das Thema nie wieder ansprechen. Aber vielleicht sollte dein allererstes Ziel nicht sein, dass du jemanden komplett überzeugst, sondern, dass er oder sie wirklich hört was du sagst – nämlich zum Beispiel, dass du es schade findest, dass er oder sie an alten, negativ besetzten Begriffen festhältst und nicht versucht, angemessenere Begriffe wie BIPoC zu sagen. Oder dass du dir wünschst, dass sich er oder sie Zeit nimmt, sich Gedanken über seine oder ihre weißen Privilegien zu machen.
Eine gute Idee ist auch, sich vor dem Gespräch selbst noch mal genauer mit dem Thema zu beschäftigen, das man ansprechen will – und beispielsweise zu recherchieren, wie man White Privilege einfach und verständlich erklären kann. Wenn du gut vorbereitet bist, gehst du mit einem besseren Gefühl in die Unterhaltung. Du bist selbstbewusster und lässt dich nicht so schnell durch Behauptungen oder Halbwahrheiten aus der Bahn bringen.
Außerdem solltest du dich gedanklich darauf einstellen, deiner Familie aufmerksam zuzuhören, wenn sie dir antwortet – selbst, wenn sie etwas sagt, das du ganz und gar nicht so siehst. Es geht darum, zu diskutieren und nicht darum, zu streiten. Also gib ihnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu sagen. Dr. Breland-Noble hat uns in einem vorangegangenen Interview schon mal einen Tipp in Sachen aktives Zuhören gegeben: „Fasse zusammen, was dein*e Gesprächspartner*in gesagt hat, denk darüber nach und nimm dir einen Moment Zeit, bevor du antwortest“.
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Last, but not least: Setze ein Zeitlimit für deine ersten paar Unterhaltungen fest. „Je länger du sprichst, desto frustrierter wirst du vielleicht. Das gilt für jede ernste Unterhaltung“, erklärt Dr. Breland-Noble. Aber je mehr Gespräche du führst, umso länger können sie werden und umso tiefer könnt ihr ins Thema eintauchen.
Sollte deine Familie oder ein Familienmitglied beleidigend oder ausfallend dir gegenüber werden oder gar nicht erst versuchen, dir richtig zuzuhören, wäre es auch verständlich, wenn du eine kurze “Beziehungspause“ einlegen möchtest. „Von Familienmitgliedern kann man sich normalerweise nicht einfach trennen. Aber wir können festlegen, wie viel oder wie wenig Kontakt wir haben wollen“, sagt Dr. Breland-Noble. „Wenn du ihnen buchstäblich nicht aus dem Weg gehen kannst – weil du beispielsweise deine kranke Oma betreust oder du aus finanziellen Gründen wieder bei deinen Eltern eingezogen bist – sprich das Thema Rassismus für eine Weile nicht mehr an. Wenn sie dich nicht genug lieben, um sich in deiner Nähe anti-rassistisch zu verhalten, dann wirst du ihre Meinung mit einer einfachen Unterhaltung kaum ändern können.“
Aber so krass läuft es ja zum Glück meistens gar nicht ab. Und selbst wenn doch mal ein böses Wort fällt oder die Diskussion hitziger wird, werdet ihr darüber hinwegkommen und im besten Fall gemeinsam daran wachsen. Also versteck dich bitte nicht schon vor der ersten Unterhaltung hinter der Ausrede, du wüsstest ja eh schon, dass dein Onkel, deine Mutter oder wer auch immer dir nicht zuhören wird. Gib deiner Familie die Möglichkeit, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. Besonders, wenn es vor allem fehlendes Wissen, statt tief sitzender Rassismus ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass du zu ihnen durchdringen kannst.
Das Thema Rassismus in der eigenen weißen Familie anzusprechen kann den Weg zu echter Veränderung ebnen. „Eine weiße Stimme, die in einem weißen Rahmen etwas über Rassismus sagt, hat mehr Kraft als die Stimme einer PoC – und auch mehr Kraft als jeder Zeitungsartikel oder Nachrichtenbericht“, sagt DeGeare. Ja, du wirst dich bei einigen Unterhaltungen vielleicht nicht ganz so wohlfühlen. Aber das ist auch gut so. Schließlich ist es genau dieses Wohlbefinden, das mitverantwortlich ist für all die gefährlichen, verletzenden Erfahrungen, die PoC täglich durchleben müssen.

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