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Irreführend & verharmlosend: Warum Morgenübelkeit der falsche Begriff ist

Photographed by Krystal Neuvill
Wenn du selbst schwanger oder aber mit Müttern befreundet bist, weißt du, dass die Art und Weise wie Schwangerschaften in den meisten Filmen dargestellt werden, nicht unbedingt der Realität entspricht. Besonders in Rom-Coms kommt es oft so rüber, als würde jede werdende Mutter diesen Pregnancy Glow ausstrahlen, sich 24/7 wie eine Göttin fühlen und immer Lust auf Sex haben. Verstopfungen, unreine Haut, schmerzende Brüste und Co. werden oftmals unter den Tisch gekehrt – oder aber verharmlost dargestellt. Logisch, ist ja auch nicht so sexy… Genauso verhält es sich mit der sogenannten Morgenübelkeit. Da wird oft der Eindruck vermittelt, schwangere Personen würden sich an ein, zwei Tagen mal ein bisschen schlecht fühlen und sich früh kurz übergeben und das war’s aber auch schon. IRL läuft das aber leider nicht immer so ab; manche Frauen kämpfen wochenlang mit Übelkeit und Erbrechen – und das den ganzen Tag lang. Und deswegen sollten wir den Begriff “Morgenübelkeit“ auch nicht mehr verwenden.
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Laut einem Artikel der Biologin Dr. Daniela Oesterle ist Schwangerschaftsübelkeit so häufig, „dass man sie fast als normale Begleiterscheinung betrachten kann: Zwischen 50 und 80 Prozent aller schwangeren Frauen ist besonders im ersten Trimester übel. Davon leidet etwa jede Dritte zusätzlich an Schwindel, regelmäßigem trockenem Würgen oder Erbrechen“. Das Ganze beginnt meist in der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche (SSW) und dauert bis zur 14. SSW an – manchmal auch bis zur 16. und in sehr seltenen Fällen bis zur Geburt.
Was genau die Gründe und Auslöser von Schwangerschaftsübelkeit und -erbrechen sind, ist nicht ganz klar, aber wahrscheinlich hat es etwas mit dem Schwangerschaftshormon HCG (Humanes Choriongonadotropin) zu tun, das im Körper in großen Mengen produziert wird, bis die Plazenta die Versorgung des Embryos übernehmen kann (etwa in SSW 12 bis 14). Verschlimmert werden können die Symptome übrigens beispielsweise durch Stress, Hunger und Müdigkeit – oder durch eine Zwillingsschwangerschaft.
Eine Studie, die im British Journal of General Practice veröffentlicht wurde, besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, sich zu erbrechen zwischen 7 und 13 Uhr am höchsten ist. Doch von den 256 befragten Schwangeren gaben auch viele an, zu einem späteren Zeitpunkt Übelkeit und Brechreiz verspürt zu haben. Professor Roger Gadsby der Warwick Medical School sagte zu den Untersuchungsergebnissen, die Gesellschaft, die Medien und sogar medizinisches Fachpersonal benutzt oft den Begriff Morgenübelkeit, aber dieser stellt keine präzise Beschreibung der Symptome dar. „Wenn sich eine schwangere Person nachmittags übergeben muss, glaubt sie vielleicht, das wäre unnormal oder ein schlechtes Zeiten; oder wenn sie sich zwar nicht erbricht, aber ihr den ganzen Tag flau im Magen ist, denkt sie vielleicht, es müsse sich um etwas anderes als um die sogenannte Morgenübelkeit handeln.“ Und das alles findet in einer Phase des Lebens von Frauen statt, in der ohnehin schon alles neu, ungewohnt und manchmal auch überfordernd oder angsteinflößend ist.
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Dazu kommt laut Professor Gadsby, dass „Schwangere mit sehr starken Symptomen oft das Gefühl haben, der Begriff würde ihre Symptome herunterspielen oder verniedlichen“. Abgesehen von den körperlichen Beschwerden, können Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft „signifikante negative Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben“, welche nicht trivialisiert werden sollten. „Es kann depressive Gefühle hervorrufen oder das Gefühl verursachen, man wäre nicht in der Lage, sich um die Familie zu kümmern und arbeiten zu gehen.“
„Sehr schwere Fälle, die Hyperemesis Gravidarm (HG) genannt werden, sind der häufigste Grund für eine Einlieferung ins Krankenhaus während des ersten Trimesters der Schwangerschaft“, warnt Professor Gadsby. Die Betroffenen behalten dann praktisch nichts bei sich und verlieren oft sehr viel Gewicht – und das kann im Gegensatz zur normalen Schwangerschaftsübelkeit dann auch negative Folgen für die Gesundheit des Babys haben. Zu den Anzeichen von HG zählen gerötete Schleimhäute, eine trockene Zunge, ein starkes Durstgefühl und eine erhöhte Körpertemperatur. In diesem Fall sollten die Betroffenen auf jeden Fall eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und sich gründlich untersuchen lassen. Im schlimmsten Fall müssen sie ins Krankenhaus, wo sie dann intravenös die notwendigen Flüssigkeiten, Elektrolyte und Glukose erhalten, um sicherzustellen, dass sowohl die werdende Mutter als auch das wachsende Baby mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt werden.
Ärztlichen Rat solltest du übrigens auch einholen, wenn du Fieber oder Kopfschmerzen hast oder, wenn die Übelkeit erst nach SSW 8 zum ersten Mal auftritt, denn theoretisch könnte in diesem Fall ein anderes Gesundheitsproblem dahinter stecken.
Fazit: Morgenübelkeit ist der falsche Begriff. Aber was kann man denn stattdessen sagen?
Nun, im Englischen wird in Fachkreisen beispielsweise oft die Bezeichnung “NVP“ (Nausea and Vomiting in Pregnancy) verwendet – also Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft. Im Deutschen wird dagegen häufig von “Schwangerschaftsübelkeit“ beziehungsweise “Schwangerschaftserbrechen“ oder dem entsprechenden Fachbegriff der zweiten Bezeichnung “Emesis gravidarum“ gesprochen.
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