Die größte Herausforderung an acht Jahren Beziehung ist nicht, wer die dreckigen Socken jetzt schon wieder nicht dorthin geräumt hat, wo sie hinsollen. Sie besteht aus fünf Worten und einem großen Fragezeichen: Und wann heiratet ihr endlich?
Wenn mir für jedes Mal, an dem mir diese Frage gestellt wird, ein Pokémon bei Pokémon Go über den Weg laufen würde, wäre ich längst Meister. Übersetzt heißt das: Ich bin 27, seit acht Jahren in einer Beziehung und habe absolut keine Lust darauf, zu heiraten.
Damit mache ich mich in meinem Umfeld zum Alien. Dass ich in Berlin lebe, einem Ort, an dem Bindungsprobleme an der Bürokaffeemaschine öfter Thema sind als Hochzeitsgastoutfits, ändert daran gar nichts.
„Vielleicht nie“, antworte ich regelmäßig und ernte entsetzte Blicke. Die Reaktionen reichen von einem besorgten „Ist alles okay bei euch?“ bis hin zu „Also wenn mir mein Freund nach acht Jahren noch keinen Antrag gemacht hätte, würde ich mir ja schon Gedanken machen!“
Nicht heiraten zu wollen, wenn doch alle Faktoren stimmen – lange Beziehung, gemeinsame Wohnung – wirkt seltsam. In einem Meer von Optionen scheint es nur die eine Richtige zu geben. Als würde man im Möbelladen stehen, die graue statt die weiße Couch auswählen und sofort Panik auslösen. Wer die vermeintlich richtige Option nicht wahrnimmt, obwohl sie doch so nahe liegt, hat ein Problem oder ist es selbst. Ob wir uns wohl bald trennen? Hat er Bindungsstörungen? Oder klammere ich vielleicht zu viel?
Sobald das Thema zur Sprache kommt, klopfen die Klischees an die Tür und stehen ungebeten mitten im Raum. Bindungsstörungen? Typisch Mann. Auf den Antrag warten? Typisch Frau. Dass ich einfach selbst fragen könnte, wenn ich Lust hätte, hier und jetzt die Hochzeit des Jahres zu planen? Undenkbar, das würde man als Frau ja nicht machen. Das höre ich ständig, entweder zwischen den Zeilen oder laut ausgesprochen. Klingt nach schlechtem Humor, ist aber zum Heulen.
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„Ist alles okay bei euch?“
Ja, ist es.
”
Wieso ich nicht heiraten möchte? An sich finde ich Hochzeiten wunderbar. Es ist toll und mutig, wenn sich Freunde das Ja-Wort geben und ich wünsche mir in Serien nichts mehr, als dass die verknallten Protagonisten endlich vor den Altar treten und die Party ihres Lebens schmeißen. Aber für mich persönlich? Danke, nein, gerade nicht.
Ich habe kein Bedürfnis nach einem Ring, gemeinsamen Nachnamen und offiziellen Unterschriften. Wenn ich an Ehe als offizielles Konzept denke, werde ich eher sauer: Solange es in Deutschland nicht für alle gleichberechtigt möglich ist, die Person zu heiraten, die sie möchten – egal ob Mann oder Frau – bin ich nicht dabei.
Mein Freund hört die Frage seltener, aber doch hin und wieder. Das letzte Mal hat er „Für mich ist es gut so, wie es ist“ geantwortet. Das merke ich mir fürs nächste Mal, wenn ich wieder darauf angesprochen werde und ich kurz davor bin, gepflegt auszurasten. Ich brauche keinen Sprung ins nächste Paarlevel. Lieber sage ich jeden Tag Ja – zum gemeinsam Aufwachen, zum nächsten Chaos-Umzug, zum abends mit Netflix einschlafen und allen Momenten dazwischen.
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