Als die Triathletin Emma Pallant-Browne im Mai bei den PTO European Open als Viertplatzierte die Ziellinie erreichte – nachdem sie zwölf andere Frauen überholt hatte –, war sie erleichtert. Als sie danach aber Fotos von dem Event auf Instagram teilte, auf denen Menstruationsblut auf ihrem Badeanzug zu sehen war, wurde sie für dieses „unschmeichelhafte“ Bild kritisiert. Sie weigerte sich aber, sich dafür zu schämen – und postete eine Antwort auf die Kritik:
„Wenn ihr mir schreibt, dass sich 99 Prozent aller Frauen, die ihr kennt, für so ein Bild schämen würden, dann ist das genau der Grund dafür, warum ich es poste – denn es ist wirklich nichts falsch daran.“
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Die Scham rund um das Thema Menstruation ist auch in der Sportwelt immer noch überall zu spüren, und auch den Sportlerinnen selbst wird eingeredet, es sollte ihnen peinlich sein. In allen möglichen Sportarten gibt es strikte Regeln dazu, was die Athletinnen tragen dürfen (und in vielen Fällen sind das explizit weiße Shorts). Dadurch liegt es an den Sportlerinnen selbst, auf Teufel komm raus die „Schande“ von Blutflecken zu vermeiden.
Zum Glück haben mehrere große Sportorganisationen ihre Regeln in den letzten Monaten dahingehend gelockert. Im letzten November verkündete beispielsweise der All England Lawn Tennis Club, dass Spielerinnen beim Turnier im Wimbledon erstmals dunkle Shorts unter ihrem Tennisrock tragen durften. Im März wurde bekannt, dass das irische Frauen-Rugby-Team in dunkelblauen Shorts zum Turnier der Women’s Six Nations antreten würde. Im April diesen Jahres stellten auch die Frauenfußball-Nationalteams aus Neuseeland und England klar, dass sie von nun an auf weiße Shots verzichten würden. Noch dazu setzt das von Nike für 13 Nationen produzierte Outfit der Fußballerinnen dieser WM auf Technologie, die Periodenflecken verhindern soll.
All das fällt wohl in die Kategorie „Hätte schon längst passieren sollen“. Immerhin treiben Frauen und Menschen mit Gebärmutter schon seit Ewigkeiten Sport. Warum also hat es überhaupt so lange gedauert, bis auch Mainstream-Marken und Sportorganisationen anerkannten, dass wir nun einmal menstruieren?
Einen Teil der Anerkennung dafür verdient sicher die gut gemeinte (wenn auch mangelhafte) „Period Positivity“-Bewegung, die wir seit rund einem Jahrzehnt beobachten können. Seitdem sind viel mehr Informationen rund um die Menstruation frei verfügbar, und das Thema gilt immer weniger als Tabu. Das wiederum löste einen Trend zum „Cycle Syncing“ aus – dem Tracken der verschiedenen Phasen des eigenen Menstruationszyklus, an die du deine sportlichen Aktivitäten entsprechend anpasst.
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Die Vielzahl der verfügbaren Menstruationsprodukte, die du zum Beispiel in der Drogerie bekommst, ist im letzten Jahrzehnt ebenfalls drastisch gewachsen, meinen Expert:innen. Deanna Middleton ist Design-Strategin bei der Kreativagentur The Digital Fairy und erklärt: „In der Mitte der 2010er sahen wir einen echten Boom im Periodenaktivismus und in der -innovation. Zu dem Zeitpunkt wurde auch so viel in entsprechende Start-ups investiert wie nie zuvor. Das führte einer Branche, die seit Jahrzehnten nur wenige Innovationen hervorgebracht hatte, dringend benötigtes Geld zu.“
Das sorgte für echte Fortschritte in der Entwicklung von Periodenunterwäsche und Kleidung, die Menstruationsblut absorbieren kann, ohne dass es zu potenziellen „Lecks“ kommt. Diese Innovationen „wurden auch von großen Sportswear-Labels beobachtet, um ihre eigenen Technologien entwickeln und auf dem Markt mithalten zu können“, erklärt Middleton.
Die Ergebnisse dieser Entwicklungen sehen wir jetzt immer häufiger. 2021 war Adidas die erste große Sportmarke, die periodensichere Leggings und Radlerhosen auf den Markt brachte. Dieses Jahr tat sich Puma mit der kleineren australischen Periodenunterwäsche-Marke Modibodi zusammen, um superabsorbierende und auslaufsichere Radlerhosen, Leggings, Unterwäsche und Shorts zu entwickeln. Und Nike ist durch die Versorgung von 13 WM-Teams mit periodensicheren Fußballshorts die erste Marke, die eine solche Technologie auf so großer Bühne zum Einsatz bringt. Katie Devlin, Assistant Fashion Trends Editor bei der Trendprognosen-Plattform Stylus, erklärt: „Es geht darum, Activewear für menstruierende Athlet:innen so zugänglich und funktional wie möglich zu gestalten, damit sie sich stattdessen auf ihre Leistung konzentrieren können.“
Olivia Houghton von der strategischen Prognose-Agentur The Future Laboratory fügt hinzu: „Bei der Forschung konzentrierte sich Nike darauf, sicherzustellen, dass die Shorts beim Gebrauch von Tampons, Binden oder Menstruationstassen einen Extraschutz liefern. Die firmeneigene Materialtechnologie setzt auf zweilagige, laminierte Stoffschichten, die Blut absorbieren, abführen und halten.“ Auf Anfrage von Refinery29, wieso Nike diese Produkte erst 2023 auf den Markt brachte, verwies man uns lediglich auf die Pressemitteilung zum Launch.
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Es lässt sich viel Geld mit inklusiveren Sportklamotten verdienen – insbesondere nach der Corona-Pandemie, die laut CNN zu einem „Athleisure-Boom“ führte. Katie zufolge führte das zu „stärkeren Bemühungen, Activewear inklusiver zu gestalten und den diversen Bedürfnissen moderner Konsument:innen zu entsprechen – und das funktioniert nicht mit einer ‚Einheitsgröße‘-Methode“.
Dank der wachsende Aufmerksamkeit für Frauensport wird nochmal sichtbarer, wie wichtig diese Veränderungen für die Sportlerinnen eigentlich sind. Die Gründerinnen der Perioden-Sportswear-Marke Iceni, Vanessa Smith und Francesca Hansen, bemerken dahingehend sogar eine echte Verschiebung innerhalb der Branche. „Ich glaube, diese Veränderung wurde enorm davon vorangetrieben, dass Sportler:innen immer öfter offen darüber sprechen, wie sehr sich die Periode auf die Leistung auswirken kann“, meint Smith. „Auch über die Herausforderungen mancher Arten von Sportuniform wird immer mehr geredet. Das heißt, dass auch endlich die speziellen Anforderungen an Sportkleidung für menstruierende Menschen anerkannt werden.“
Wie immer ist der größte Antreiber hinter solchen Veränderungen aber eben die Profitabilität.
„Eine primitive, aber wichtige Konsequenz des Ganzen ist die, dass Mainstream-Marken die sportliche Ausrüstung für Menstruierende endlich für profitabel halten“, fügt Smith hinzu. „Genau deswegen sehen wir jetzt immer mehr derartige Produkte von größeren Marken.“
Hansen ergänzt, dass diese Veränderung aber auch damit zu tun hat, dass viele Sportler:innen inzwischen selbst über diese Themen sprechen. Dazu gehören beispielsweise die amerikanische Skiläuferin Mikaela Shiffrin, die sich Anfang diesen Jahres über die Stimatisierung von Gesprächen über die Periode lustig machte; die britische Olympiasiegerin Jessica Ennis-Hill, die erzählte, sie habe den Gewinn eines Siebenkampfes nicht feiern können, weil sie Angst hatte, ihre Blutung sei sichtbar; und die englische Fußballerin Beth Mead, die führend darin war, Nike Feedback für die neue periodensichere Ausrüstung zu geben. Hansen sagt: „Diese Veränderungen gingen definitiv größtenteils von den Athlet:innen aus. Das ist sowohl gut als auch schlecht – gut, weil die Stimmen der Sportler:innen inzwischen zu laut sind, um noch überhört werden zu können, und schlecht, weil diese Veränderungen nicht von oben, sondern von unten kamen. Die Nachfragen und der äußere Druck wurden einfach so stark, dass [die Marken] all das nicht mehr ignorieren konnten.“
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Wie sieht die Zukunft der Periode im Sport aus?
Obwohl all diese Veränderungen dringend nötig waren und definitiv ein Grund zur Freude sind, bleibt weiterhin viel zu tun. Anpassungsfähige und funktionale Sportbekleidung ist erst der Anfang.
Noch immer ist die Periode ein stigmabelastetes Thema, und diese Stigmatisierung kann sogar die Gesundheit von menstruierenden Sportler:innen beeinträchtigen. Umfragen zufolge ignoriert über ein Drittel von ihnen beispielsweise auch mal das Ausbleiben der Periode, was ein Symptom für RED-S („Relative Energy Deficiency in Sport“, z. Dt.: „relativer Energiemangel im Sport“) sein kann. Das Syndrom führt unter anderem zu einem gestörten Essverhalten, einer Verschlechterung der Knochendichte, Reizbarkeit, wiederkehrenden Verletzungen und Verdauungsproblemen. Zum Glück beschäftigt sich die Forschung immer stärker mit der Frage, wie menstruierende Sportler:innen mit ihrem Zyklus trainieren können, anstatt dagegen anzukämpfen. Und das lohnt sich: Das US-amerikanische Fußballteam der Frauen macht ihren Sieg bei der WM 2019 unter anderem dafür verantwortlich, dass sie ihre Zyklen trackten und ihr Training rund um die jeweilige Zyklusphase der individuellen Personen gestalteten. Dennoch bleiben weiterhin viele Fragen offen.
Die Wahrheit ist: Viele potenzielle Athlet:innen könnten durch den verhaltenen Umgang mit dem Thema Menstruation davon abgehalten werden, ihre Karriere überhaupt zu starten. Laut Recherchen von Modibodi und Puma schwänzt die Hälfte aller menstruierenden Jugendlichen den Sportunterricht wegen ihrer Periode; drei von fünf tun es, weil sie Angst vor einem Auslaufen haben. Periodensportkleidung mag sehr profitabel für ihre Hersteller:innen sein; sie müssen aber auch sicherstellen, dass diese Produkte die gleiche Qualität haben wie ihr sonstiges Sortiment, damit sich alle Sportler:innen – von Jugendlichen bis hin zu Weltklasseathlet:innen – während ihrer Menstruation wirklich auf ihren Sport konzentrieren können. Das heißt, nicht bloß keine Kompromisse bei der Qualität einzugehen, sondern auch in die Forschung rund um den Zusammenhang von Periode und Sport zu investieren – und endlich mit dem hartnäckigen Tabu rund um das Thema aufzuräumen.
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