Einander während der Periode zu unterstützen ist nichts Ungewöhnliches. Von Kolleg*innen, die einander mit Ibuprofen und Tampons aushelfen bis hin zu den Mitbewohner*innen, die sich gegenseitig Wärmflaschen machen. Irgendwie haben wir es geschafft, eine der schmerzhaftesten Komponenten des weiblichen Reproduktionssystems zu einer verbindenden Erfahrung zu machen.
Aber wie ist es eigentlich, seine Periode nicht mehr zu bekommen? Viele denken sich wahrscheinlich zunächst: „Das wäre doch super!“ Das sieht allerdings häufig nur auf den ersten Blick so aus. Denn eine Monatsblutung bedeutet nicht nur Regelschmerzen zu bekommen, sondern in den meisten Fällen auch, fruchtbar zu sein.
Es gibt eine Menge Gründe, weswegen Menschen ihre Periode nicht mehr bekommen. Manche kommen früh in die Wechseljahre, andere mussten sich aus medizinischen Gründen die Gebärmutter entfernen lassen. Einige Frauen sind trans*, während trans* Männer ihre Perioden unter Umständen mit Hilfe von Hormonen langsam ablegen, wieder andere leiden an einer Essstörung. Die Gründe für das Ausbleiben der Periode (im Fachjargon auch Amenorrhö genannt) können also kompliziert und divers sein, aber einen zentralen Faktor sollten wir dabei nicht vergessen: Ob du deine Periode bekommst oder nicht, definiert nicht deine Weiblichkeit. Wenn du dich als Frau identifizierst, bist du eine.
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Die Fotografin Bex Day ist durch Großbritannien und Deutschland gereist und hat Frauen getroffen, die ihre Regel nicht mehr bekommen. Hier erzählen sie selbst, wie das ihr Leben beeinflusst hat.
Lydia
Mit 24 wurde eine seltene Form von Gebärmutterkrebs bei mir festgestellt. Ich wurde mit Hormonblockern behandelt, aber das funktionierte nicht. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mir die Gebärmutter komplett entfernen und meine Eizellen einfrieren zu lassen. Auch der Gebärmutterhals wurde bei der Operation herausgenommen, sodass ich meine Regel nicht mehr bekomme. Dabei funktionieren meine Eierstöcke noch und ich habe einen monatlichen Zyklus (und sogar PMS) wie andere Frauen.
Ich habe schnell vergessen, wie schlimm es eigentlich sein kann, seine Periode zu bekommen. Eine Freundin von mir hatte einmal mit ihrer Regel zu kämpfen, als wir gerade beim Skifahren waren. Als ich dabei zusah, wie sie sich den ganzen Tag damit herumschlagen musste und unglaubliche Schmerzen hatte, dachte ich: „Zum Glück habe ich dieses Problem nicht mehr!“ Ab und an erinnere ich mich noch an schlimme Situationen aus der Zeit, als ich noch menstruiert habe, zurück. Einmal habe ich so stark geblutet, dass ich während des Gehens gemerkt habe, wie mir das Blut die Beine entlangläuft. Damals war ich im Park unterwegs und habe panisch nach einem Café gesucht. Es war total schrecklich damals und ich bin froh, mir heute keine Gedanken mehr um meine Periode machen zu müssen.
Einmal hat eine Kollegin zu mir gesagt: „Ich weiß, wie hart die Wechseljahre sind, da musste ich auch durch.“ Sie hat einfach ihre Situation mit meiner gleichgesetzt und vollkommen außen vor gelassen, dass ich erst 24 Jahre alt war und gerade wegen einer Krebsbehandlung meine Fruchtbarkeit verloren hatte. Sie sagte außerdem: „Ich weiß ja, dass Krebs Leute egoistisch macht. Muss man auch sein, wenn man überleben will. Aber jetzt musst du mal wieder an die Arbeit denken.“
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Ich bin wahnsinnig froh, meine Tage nicht mehr zu bekommen. Es ist total befreiend, mein Leben nicht mehr um öffentliche Toiletten während meiner Periode herum planen zu müssen. Alles andere, was zu meiner Operation geführt hat und auf meine Operation folgte, hat mich wahnsinnig belastet. Mich von meiner Krebserkrankung zu erholen ist ein schwieriger und langwieriger Prozess und ich würde alles dafür geben, nicht unfruchtbar zu sein. Doch ich kann es jetzt nicht mehr ändern, es ist passiert. Meine Periode nicht mehr zu bekommen ist der einzige positive Aspekt, den ich dieser furchtbaren Krankheit abgewinnen kann.
Liza
Nachdem ich jahrelang gesundheitliche Probleme und Schwierigkeiten mit meiner Periode hatte, wurde 2013 das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) bei mir festgestellt. Meine Tage kamen jahrelang extrem unregelmäßig oder gar nicht. Ich bemühe mich sehr, gesund zu essen, und aktuell ist es einigermaßen okay. Davor war ich allerdings ziemlich launisch und das konnte manchmal sehr schwierig für mein Umfeld sein. Als meine Hormone aus dem Gleichgewicht gerieten, hatte ich oft wahnsinnig dunkle Gedanken und fühlte mich körperlich unwohl. Kein Verstand und keine Logik konnten mich da rausholen. Jeden Monat verlor ich Wochen an dieses stille Monster, das sich weigerte, meinen Körper zu verlassen. In Gänze betrachtet habe ich acht Jahre meines Lebens an die hormonellen Schwankungen rund um meine Periode verschwendet.
Meine Periode nicht zu bekommen zwang mich, einen allumfassenden Blick auf meine Gesundheit zu werden. Dafür bin ich dankbar. Trotzdem frustriert es mich, wenn ältere Frauen Sachen sagen wie: „Komisch, solche Probleme hatte ich nie. Ich habe meine Periode eigentlich kaum wahrgenommen.“
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Mittlerweile habe ich es akzeptiert. Es ist so, wie es ist. Meine Periode nicht zu bekommen hat keinen Einfluss auf meine Identität. Ich fühle mich unabhängig davon weiblich.
Alex
Ich bekenne mich öffentlich dazu, eine Transfrau zu sein und wurde mit allen Sachen geboren, die mich biologisch gesehen zu einem Mann machen. Dieses Jahr habe ich mich als transgender geoutet, meinen inneren Prozess vollziehe ich aber schon seit vier Jahren. Obwohl ich niemals alles körperlich nachempfinden werden kann, was andere Frauen fühlen, habe ich so viel Mitgefühl für Frauen, die ihre Periode haben, dass ich mit ihnen darüber sprechen und Verständnis zeigen möchte. Ich kann sie zum Beispiel umarmen, um ihnen ein gutes Gefühl zu geben.
Einige Menschen werden mich nie als Frau wahrnehmen, nur als „Frau im ästhetischen Sinne“, weil ich nicht alle Bestandteile des Frauseins im binär-biologischen Konzept erfüllen kann. Ich kann keine eigenen Kinder bekommen oder gebären. Macht mich das weniger zu einer Frau? Für manche schon.
Ich habe schon vor langer Zeit akzeptiert, keine Periode bekommen zu können, deswegen denke ich kaum darüber nach. Ich kann’s nicht, deswegen kann ich mich danach auch nicht sehnen. Vielmehr bin ich froh, die damit verbundenen Schmerzen nicht empfinden zu müssen; gleichzeitig wünsche ich mir natürlich, alle Erfahrungen zu machen, die ich gehabt hätte, wäre ich mit einem biologisch weiblichen Körper geboren worden.
So wie ich es wahrnehme, gibt es viele Frauen, die ihre Periode nicht bekommen. Es gibt viele Frauen, die keine Kinder bekommen können, auch in meinem Umfeld. Weder meine noch ihre Identität hängt von dieser Formalität ab. Sind geborene Frauen, die ihre Periode nicht bekommen, trotzdem Frauen? Natürlich. Deswegen bin auch ich eine, obwohl ich nicht menstruiere. Die Erfahrungen, die ich mache, sind einfach anders als die anderer Frauen. Mich als Frau zu erleben ist wunderschön und dass ich meine Periode nicht bekomme, tut der Sache keinen Abbruch. Dafür ist das Gefühl zu tief in mir drin verwurzelt.
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Rachel*
Heute bekomme ich meine Periode wieder. Doch über viele Jahre war das nicht der Fall, weil mein Körpergewicht ungesund niedrig war. Ich neige dazu, abzunehmen, wenn ich Stress habe. Vor einigen Jahren absolvierte ich ein sehr anstrengendes Praktikum und währenddessen verlor ich in kurzer Zeit viel Gewicht. Es war nicht überraschend, dass meine Periode deswegen aussetzte. Ich bin von Natur aus schlank und brauchte sehr lange, um wieder so viel zuzunehmen, dass ich einen gesunden Bereich erreichte.
Lange Zeit war ich nicht sicher, was ich davon halten sollte, meine Periode nicht zu bekommen. Es war schon auch eine gute Sache, weil ich zuvor teilweise schreckliche Krämpfe hatte und es schön war, mich um all den Stress rund um die Periode nicht kümmern zu müssen. Aber nach zwei Jahren ohne Menstruation begann ich dann doch an, mir Sorgen zu machen, dass ich meinen Körper langfristig geschädigt hatte. Insbesondere jetzt wo ich älter werde und darüber nachdenke, ob ich eigentlich eines Tages Kinder haben möchte oder nicht.
Manchmal denke ich, ein Teil des Problems war, dass ich für lange Zeit stärker in Verbindung mit meiner „maskulinen“ Seite stand. Meine Arbeit stand für mich immer an erster Stelle und da schien es wichtig, mir weder Stress noch Unsicherheit anmerken zu lassen. Erst nachdem ich mir mehr Zeit für mich selbst nahm und mir erlaubte, mehr mit mir und meiner „femininen“ Seite ins Reine zu kommen, wurden die Dinge wieder normal. Vielleicht kann man sagen, die Balance zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit war bei mir ein wenig aus den Fugen geraten. Trotzdem fühlte ich mich damals genauso weiblich wie ich mich jetzt, wo meine Periode wiedergekommen ist, fühle.
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Annabel
Ich hatte noch nie eine normale Periode. Als ich 15 war, wurde bei mir eine frühzeitige Eierstockinsuffizienz diagnostiziert, was bedeutet, dass ich schon vor Beginn meiner Pubertät in die Wechseljahre gekommen war.
Als mir gesagt wurde, was los ist, war ich wahnsinnig wütend. Meine Familie und ich waren bis zu diesem Punkt überzeugt gewesen, dass ich die geborene Mutter bin. Ich hatte lange mit der Diagnose zu kämpfen und stellte meine Identität und meine Daseinsberechtigung in Frage. Für mich hat Frausein immer auch Muttersein bedeutet. Ich hatte das Gefühl, mein Körper muss sich geirrt haben. Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich akzeptieren konnte, dass obwohl ich auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen kann, ich immer noch die Frau sein kann, die ich sein möchte. Lange Zeit habe ich mich danach gesehnt, meine Periode zu bekommen, damit ich „normal“ bin. Um nicht erklären zu müssen, wieso ich nicht menstruiere, habe ich jahrelang alle in meinem Umfeld diesbezüglich angelogen.
Es ist total frustrierend wenn manche Leute sagen, dass es „vielleicht bald passieren wird“. Ich glaube viele verstehen nicht, oder können überhaupt in Erwägung ziehen, wie es ist, mit fünfzehn in die Wechseljahre zu kommen. Mir wurden sechs verschiedene Pillen verschrieben, um meine Eierstöcke zu stimulieren. Zahllose Bluttests, Ultraschalluntersuchungen, Computertomographien und der Himmel weiß wie viele operative Eingriffe bei mir vorgenommen wurden um festzustellen, wieso mein Körper auf keinerlei Medizin oder Behandlung anspringt. Was soll ich also noch machen? Die Ärzte können nicht mehr tun, und wenn kein Wunder geschieht, gibt es keine Lösung. Die Sache mit den Wechseljahren ist, dass sie endgültig sind.
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Ich glaube mittlerweile, dass die meisten, wenn nicht alle Frauen, einen Mutterinstinkt haben. Wenn die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, für eine Frau nicht mehr besteht, ist es schwer, sich selbst nicht in Frage zu stellen. Wenn du eine kinderlose Frau bist, weil du dich dazu entschlossen hast, ist das die eine Sache. Aber eine kinderlose Frau zu sein, weil du keine Kinder bekommen kannst, kann dein Selbstverständnis als Frau stark ins Wanken bringen.
Rosie
Ich leide an Endometriose, was bedeutet, dass Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutterhöhle vorkommt, was zwar in den meisten Fällen gutartig ist, gleichzeitig aber extrem schmerzhaft. Deswegen nehme ich die Pille durch, um eine „normale“ Periode zu vermeiden, denn die wäre nicht nur mit großen Schmerzen verbunden, sondern würde auch möglicherweise dazu führen, dass sich noch mehr Endometriose bildet. Meine Periode nicht zu bekommen hilft mir also dabei, meine Ziele zu verfolgen. Die moderne Medizin macht es möglich, dass ich einen guten Abschluss und eine erfolgreiche Karriere habe, ich konnte verschiedene Länder bereisen und tolle Freundschaften und Beziehungen knüpfen.
Ich habe in der Schule viel Unterricht verpasst, weil ich aufgrund starker Periodenschmerzen das Haus nicht verlassen konnte. Heute weiß ich, dass das an meiner Endometriose lag. Zum Glück hatte das aber keine negativen Auswirkungen auf meine Zukunft. Aber wenn ich an meine Teenagerjahre denke, kommen sofort Erinnerungen an extrem starke Schmerzen, Erbrechen und das Gefühl, alles zu verpassen, zurück.
Als ich etwa 20 war, ging ich mit einer Liste der anhaltenden Symptome zu meiner Hausärztin und fragte, ob diese vielleicht das Resultat einer Endometriose sein könnten. Ohne irgendeine Untersuchung zu machen, sagte sie mir, dass es daran sicher nicht läge. Als ich die Arztpraxis verließ, kam ich mir vor wie ein Idiot und ließ das Thema vier weitere Jahre ruhen. Damals wurden die Schmerzen und Blutungen unerträglich. Mir wurden drei Tabletten des starken Schmerzmittels Codein verschrieben, damit ich meinen Alltag überhaupt meistern konnte. Schlussendlich wurde dann doch eine Endometriose festgestellt, die sich mittlerweile über drei verschiedene Bereiche in meinem Körper erstreckte.
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Nachdem ich die Diagnose hatte, fühlte ich mich zunächst wie eine tickende Zeitbombe. Bei einer Untersuchung wurde nämlich festgestellt, dass ich nicht die besten Eizellen habe und meine Fruchtbarkeit durch meine Krankheit zusätzlich negativ beeinflusst werden könnte. Mir wurde geraten, dass ich, wenn ich Kinder haben wolle, spätestens mit 27 aktiv werden muss. Ich habe eine sehr glückliche Beziehung mit einem tollen Partner, wir haben einen Hund und ein Haus. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass kommt, was kommt. Ich bin jetzt 26 ½ und habe meinen Körper im Griff. Bis auf weiteres plane ich nicht, schwanger zu werden.
Es ist ein bisschen komisch, weil ich nicht das Gefühl habe, dass der Fakt, dass ich meine Periode nicht bekomme, meine Weiblichkeit in irgendeiner Weise einschränkt. Vielmehr fühle ich mich geradezu als Frau bestärkt, weil die Medizin mir erlaubt, mein Leben so zu führen, wie ich will und mich nicht von dieser Krankheit kontrollieren zu lassen.
Valeria
Ich hatte immer sehr starke, lange und schmerzhafte Perioden. Als ich mich auf eine feste Beziehung einließ, suchte ich deshalb nach einem Verhütungsmittel, das am besten zu meinen Bedürfnissen passen würde. Ich fand heraus, dass das Hormonstäbchen in den meisten Fällen dafür sorgt, dass die Periode ganz ausbleibt und entschied mich dafür. Mittlerweile habe ich schon das zweite und hatte meine Periode in den letzten vier Jahren nur einmal.
Es gibt viele kleine Gelegenheiten bei denen ich denke, es ist gut, meine Periode nicht zu haben. In der Zeit zwischen meinen beiden Hormonstäbchen zum Beispiel hatte ich meine Periode sehr, sehr stark und fast zwei Wochen lang. Ich bin oft aufgewacht und hatte Blutflecken auf meiner Kleidung oder Bettwäsche.
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Etwas, das Leute häufig sagen und das mich total nervt, ist: „Ich glaube ja, dass es nicht gesund ist, seine Periode gar nicht mehr zu bekommen.“ Weil ich mich nicht darüber erkundigt habe und du ein Arzt bist, oder was?
Ich jedenfalls fühle mich frei und dass ich alles machen kann, oder mir Gedanken um meine Periode machen zu müssen. Besonders weil die starken Schmerzen, die damit verbunden sind, jetzt wegfallen. In ein paar Jahren hätte ich gerne Kinder, dann muss ich das Stäbchen eh entfernen und wieder meine Periode bekommen.
Obwohl meine Regel immer so stark und schmerzvoll war, vermisse ich sie manchmal trotzdem. Ich vermisse das Gefühl, dass mein Körper nach einem Zyklus funktioniert. Zwar weiß ich, dass mein Körper noch so funktioniert, aber ich spüre es gerade nicht mehr. Meine Periode nicht zu haben und meine Freundinnen erzählen zu hören, wie schmerzhaft ihre ist, macht mich manchmal fast neidisch – als würde ich etwas verpassen.
*Name von der Redaktion geändert
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