Meine Mama puzzelt schon, solange ich denken kann. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie sie so gut wie jeden Abend vor einem Haufen Puzzleteilen saß und daraus Bilder aus Orchideen oder Landschaften oder Hundebabys legte. Sie hatte sogar einen Holztisch, den sie ausschließlich für ihr Hobby nutzte – und eine spezielle Lampe und einen Ledersessel.
Ich dachte immer, ihre Puzzle-Sucht wäre einfach nur ein liebenswürdiger Mama-Tick. Als mir also im täglichen Leben immer häufiger Puzzles begegneten, dachte ich erst, ich hätte einfach nur Heimweh und würde meine Mutti vermissen. Doch als dann auch noch immer mehr meiner Freund*innen erzählten, wie gern sie puzzeln und das es ihnen dabei half, abzuschalten und zu relaxen, fragte ich mich auf einmal, ob es tatsächlich ein neuer Self-care- oder Achtsamkeitstrend sein könnte.
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Und ja, genau das ist es. Der Puzzle-Markt wächst weltweit und soll laut MarketWatch von aktuell zirka 605 Millionen Euro auf schätzungsweise 660 Millionen Euro im Jahr 2024 ansteigen. Und es gibt auch schon einen auf seltsame Weise befriedigenden Subreddit, der Fotos von fertigen Puzzles zeigt.
Genau wie der 2015er Hype der Ausmalbücher für Erwachsene ist auch der Hintergrund dieses Trends der Wunsch, Stress zu reduzieren. Und tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Puzzles deinem Gehirn helfen und möglicherweise sogar kognitiven Störungen im Alter vorbeugen können. Es gibt sogar Grund zur Annahme, dass sie bei Angststörungen oder Einschlafproblemen helfen könnten, so Dr. Jim Horne, ein pensionierter Professor und Autor des Buchs Sleeplessness.
„Es ist eine bizarre Empfehlung“, gibt Dr. Horne zu, aber er würde Menschen mit Schlafproblemen dennoch raten, es einfach mal zu versuchen. Nach zueinander passenden Teilen zu suchen, lenkt deine Aufmerksamkeit weg von den Sorgen, die dir so im Kopf herumschwirren. „Es ist eine tolle Form der Ablenkung. Es mag unsinnig klingen, aber noch unsinniger ist es, jede Nacht wach zu liegen und darüber nachzudenken, warum man nicht einschlafen kann.“
Kaylin Marcotte begann 2015 mit dem Puzzeln, um mit dem Stress fertigzuwerden, den ihr Job in einem Start-up verursachte. Irgendwann wurde es zur Gewohnheit und einer Form der Meditation für sie. „Es ist entspannend, weil es dich dazu zwingt, nicht mehrere Sachen gleichzeitig zu tun. Du kannst nebenbei nicht fernsehen oder mit dem Handy spielen, wenn du puzzelst; du kannst dabei einfach nicht multitasken. Es gibt nur dich und dein Puzzle. Es ist eine Übung, die dein ganzes Gehirn in Anspruch nimmt und so dafür sorgt, dass du alles, was dir Sorgen oder Stress bereitet, für einen Moment vergisst.“ Du verwendest deine komplette Denkleistung dafür, zwei Teile zu finden, die perfekt zueinander passen.
Marcotte entwickelte eine so große Begeisterung für ihr neues Hobby, dass sie ihre eigene Company, Jiggy, gründete. Die einzigartigen, kreativen Motive ihrer Puzzles wurden ausschließlich von weiblichen Künstlerinnen designt. Jedes Puzzle kommt mit einer Tube Leim, so dass du dein fertiges Kunstwerk für die Ewigkeit präparieren kannst. Das heißt aber natürlich nicht, dass du es aufkleben musst. Du kannst es auch einfach wieder auseinandernehmen und irgendwann noch mal puzzeln. Schließlich geht es ja beim Puzzeln in erster Linie um den Weg und nicht um das Ziel, so Marcotte. Recht hat sie!
Falls du mich suchst, ich bin mindestens bis zum Frühling im Wohnzimmer und puzzle eine Runde. Bye.
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