Meine Entscheidung, mit dem Rauchen aufzuhören, fiel mir alles andere als leicht. Ich wusste zwar, dass es das Richtige für mich war, aber gleichzeitig liebte ich diese Angewohnheit. Nichtsdestotrotz gewann meine wachsende Angst vor den unvermeidlichen gesundheitlichen Folgen irgendwann die Oberhand. Bald nachdem ich meine letzte Kippe ausgedrückt hatte, begannen sich die Vorteile eines qualmfreien Lebens zu summieren: Ich wachte nicht mehr mit diesem unangenehmen Geruch in meinen Haaren auf. Meine Haut strahlte förmlich vor Gesundheit. Ich konnte viel Geld sparen. Ich hatte so viel zusätzliche Energie, dass ich damit anfing, Sport zu treiben.
Trotzdem wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich das Rauchen nicht vermisse – auch wenn das jetzt elf Jahre her ist. Vor allem fehlt mir die Art und Weise, wie sich meine Stimme damals anhörte.
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Als ich etwas eine halbe Packung pro Tag paffte, war meine Stimme umwerfend sexy. Das hörte ich zumindest mindestens einmal pro Woche von allen möglichen Leuten: Freund:innen, Liebhaber:innen, Kassierer:innen, alle, mit denen ich am Telefon sprach, einmal sogar von einem Arzt. „Du solltest Synchronsprecherin werden“ oder „tolle Stimme“, sagten andere zu mir.
Eigentlich konnte ich den Klang meiner eigenen Stimme nie ausstehen – wie die meisten von uns. Alle anderen schienen sie aber zu lieben, denn ich bekam deswegen enorm viele Komplimente. Zumindest war das der Fall gewesen, bis ich mit dem Rauchen aufhörte. Nachdem ich die letzte Packung Zigaretten weggeschmissen hatte und sich meine chronischen Halsschmerzen und Kehlkopfentzündungen allmählich aus dem Staub zu machen begannen, verschwand auch mein Raspeln à la Lauren Bacall – und die damit zusammenhängende Bewunderung anderer Menschen.
Ich war mir nicht einmal dessen bewusst, was passiert war, bis ich das erste Mal als Nichtraucher:innen krank wurde. Mein Partner erwähnte, wie niedlich ich mich mit belegter Stimme doch anhören würde. Da ging mir ein Licht auf: Mir wurde klar, dass meine Stimme nicht von Natur aus sexy war. Das, was alles an ihr gemocht hatten, war in geweisser Weise der durchs Rauchen verursachte gesundheitliche Schaden.
Rauchige Stimmen sind sexy. Meine eigene Erfahrung und das, was die Popkultur vermittelt, beweisen es. Wir lieben es, Menschen mit solchen Stimmen wie Scarlett Johansson, Emma Stone, Lindsay Lohan, Miley Cyrus, Clint Eastwood, Jon Bon Jovi, Kurt Cobain und Chris Hemsworth zuzuhören.
Untersuchungen zu stimmlicher Anziehungskraft weisen aber relativ uneinheitliche Erkenntnisse auf, zumindest was Frauen betrifft, denn Männer mit tiefen Stimmen werden meist als kompetenter, seriöser und allgemein attraktiver wahrgenommen.
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Im Gegensatz zu meinen eigenen Beobachtungen scheinen einige Studien darauf hinzudeuten, dass Männer Frauen mit höheren Stimmen mögen. Weil diese Weiblichkeit und reproduktives Wohlbefinden signalisieren sollen, fühlen sich Männer angeblich von ihnen angezogen. (Ein Großteil dieser Untersuchungen ist leider heteronormativ und konzentriert sich damit hauptsächlich auf Heterosexuelle. Es gibt zwar einige Studien, die sich homosexuellen Männern widmen, queere Frauen werden aber weitgehend ausgeklammert.)
Auch wenn ich das anders sehe, kann ich es nachvollziehen: Eine Reibeisenstimme ist generell nicht unbedingt ein Anzeichen für einen guten Gesundheitszustand oder robuste Fruchtbarkeit, die einen evolutionär codierten Zug Richtung Paarung auslösen würde. In meinem Fall deutete meine rauchige Stimme auf erhebliche (wenn auch reversible) Schäden, die ich meinen Stimmbändern (freiwillig! wissentlich!) zugefügt hatte. Dass ich mit dem Rauchen aufhörte, war aber trotzdem nicht irgendein Instinkt meines Höhlenmenschengehirns, das Forscher:innen zufolge unseren jeden Schritt bestimmt, um mich sesshaft zu machen.
Eine Studie aus dem Jahr 2018 bestätigt da eher meinen Ansichtspunkt. In dieser baten Forscher:innen 30 Personen, an einer Speed-Dating-Veranstaltung teilzunehmen und anschließend die Attraktivität der Personen, die sie kennen gelernt hatten, zu bewerten; sowohl Männer als auch Frauen bevorzugten Personen mit tieferen Stimmen. „Während eine relativ hohe Stimmlage bei Frauen Jugend, Weiblichkeit und reproduktive Fruchtbarkeit signalisieren kann, können sie durch dynamisches Absenken ihrer Stimmlage sexuelles Interesse und Intimität vermitteln“, schrieben die Autor:innen der Studie. Mit anderen Worten: Menschen neigen dazu, unbewusst in einer tieferen Tonlage zu sprechen, wenn sie sich zu jemandem hingezogen fühlen – und wenn sie versuchen, selbstbewusst zu erscheinen. Aus diesem Grund haben wir gelernt, Heiserkeit Beachtung zu schenken und sie als sexuelles Interesse zu interpretieren.
So gerne wir auch glauben wollen, dass unsere sexuellen Vorlieben völlig angeboren sind, so sehr wird das, was wir als attraktiv empfinden, letztlich von unserem Umfeld beeinflusst. So wird in Frankreich eine Frau mit rauer Stimme als fast unwiderstehlich heiß empfunden, während in Japan Frauen mit höheren Stimmen als anziehender gelten.
Die Leute in meinen Kreisen stehen ohne Frage auf raue Stimmen, wie all die Komplimente, die ich als Raucherin bekam, beweisen. Während ich den Personen um mich zufolge zwar verführerisch klang, schaufelte ich mir mit meiner Nikotinsucht langsam mein eigenes Grab. Zum Glück scheint niemand etwas an meiner jetzigen Stimme auszusetzen zu haben. Außerdem verzichte ich gerne auf diese Schmeicheleien, wenn ich dafür gesund und frei von einer lästigen und teuren Sucht sein kann. Nichtsdestotrotz finde ich es aufregend, wann immer ich jetzt krankheitsbedingt damit anfange, meine Stimme zu verlieren, da ich weiß, dass bald jede Menge Komplimente eintrudeln werden.
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