„Und was willst du mal werden, wenn du groß bist?“ Diese Frage bekommen wir durchschnittlich zum ersten Mal gestellt, wenn wir fünf Jahre alt sind. In der Grundschule befand ich: Eine fantastische Frage! Denn an Antworten sollte es mir nicht mangeln. In einem Steckbrief, den ich als Viertklässlerin auszufüllen hatte, verkündete ich: Ich werde Schriftstellerin, Designerin, Ballerina, Entwicklerin von Kreuzworträtseln und Jeep-Fahrerin, was ich offensichtlich für eine tagesfüllende Beschäftigung hielt. Im Laufe der folgenden Jahre wurde die Liste nicht kürzer, sondern stetig um temporäre Berufswünsche von Friseurin bis Floristin erweitert. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert: Mein Herz ist gut befüllt mit Leidenschaften, die so vielfältig sind wie die gemischte Tüte, die ich mir als Viertklässlerin am Kiosk gekauft habe. Was jedoch anders ist als früher: Die Frage, die mir damals so viel Spaß gemacht hat, setzt mich heute unter Druck.
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Obwohl in unserer Arbeitswelt starre Strukturen langsam hinterfragt werden, sind geradlinige Lebensläufe und Expertenkarrieren noch immer gesellschaftliche Lieblingskinder. Wir haben verinnerlicht, dass wir uns entscheiden müssen. Wer es mag, auch mal den Job zu wechseln, um Neues auszuprobieren, kann an Personaler geraten, die das „verdächtig“ finden. Wir hören von „unserer Bestimmung“, die es zu finden gilt und der wir uns verschreiben sollen. Und als „sprunghaft“ wollen wir in einer Gesellschaft, in der wir „dranbleiben und permanent 110% geben“ sollen, natürlich auch nicht gelten. Nach dem letzten Job, den ich verlassen habe, wurde ich von einem Freund gefragt, „was mir denn dieses Mal wieder nicht gefallen habe“. Darauf gibt es keine Antwort. Ich habe ganz tolle Jobs und Aufgaben hinter mir gelassen – nicht, weil sie falsch waren, sondern weil es Zeit für etwas Neues war. Dass ich mit meiner Entdeckungslust nicht allein bin, hat mir die Autorin Barbara Sher gezeigt, die vielinteressierte Menschen unter die Lupe genommen und ihnen einen Namen gegeben hat: Scanner.
Die Scanner-DNA sieht so aus: Ein Scanner verfolgt im Laufe seines Lebens viele Interessen aus unterschiedlichen Bereichen und widmet sich besonders gern kreativen Projekten. Sich für ein Studienfach oder einen Beruf zu entscheiden sorgt für schlaflose Nächte und der Small-Talk-Klassiker „Und was machst du so?“ ist schwerer zu beantworten als die Millionenfrage bei Günther Jauch. Wenn ein Scanner für ein Thema Feuer fängt, dann wird dieses durchkämmt, durchdacht, studiert – und dann gehen gelassen. Für mich fühlt es sich so an: Wenn ich ein Thema erobert habe, dann verliert es seinen Glanz. Ich will weiterziehen. Und das ist gar nicht so einfach, denn sobald ich spüre, dass es Zeit für eine neue Leidenschaft ist, schreien mir Zweifel ins Ohr: „Wieder versagt! Wie willst du so jemals Karriere machen?“ Was diese Zweifel vergessen: Scanner haben ein paar Superkräfte auf Lager, die für unsere (Berufs-)Welt und Gesellschaft unentbehrlich sind:
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1. Scanner sind High-Speed-Lerner. Sie haben die wunderbare Gabe, sich schnell und tief durch Themen zu graben und diese zu erfassen. Scanner haben keine Angst, Anfänger zu sein und sind Fans davon, zu lernen und Neues zu erkunden.
2. Scanner sind kreative Innovatoren. Sie bringen Wissen aus den verschiedensten Themenfeldern zusammen und kreieren so neue Ideen und Perspektiven.
3. Scanner sind flexibel und anpassungsfähig. Je nach Beruf und Thema schlüpfen sie problemlos in neue Rollen.
In aller Kürze: Scanner sind Querdenker, die das Potential haben, kreative Impulse zu setzen. Und genau die brauchen wir, um uns als Gesellschaft zu entwickeln. Ein bis heute berühmtes Beispiel für einen Scanner, der die Welt nachhaltig gestaltet hat, ist Leonardo da Vinci. Er war nicht nur Maler, Bildhauer und Architekt, sondern begeisterte sich auch für Kartografie und Anatomie und galt somit damals als „Universalgelehrter“ – ein Begriff, der in der Renaissance nur positiv besetzt war. Wer das Scanner-Gen nicht in sich trägt, ist deswegen natürlich nicht minder großartig: Spezialisten und Scanner bilden gemeinsam unschlagbare Teams!
Was ich mal werden will, wenn ich groß bin? Inzwischen weiß ich, dass diese Frage von einer Welt ausgeht, die (für mich) nicht existiert. Wir verändern uns, sind immer „im Werden“, jeder auf seine Art, das ganze Leben. Bei manchen schlagen diese Veränderungen Wellen, die wieder und wieder für neue Anfänge sorgen und das ist okay. Wichtig ist es, anzuerkennen, wie wir ticken und was das Herz befeuert, auch wenn das von dem ein oder anderen belächelt wird. Ich will ehrlich sein: Die Frage „Und was machst du so?“ löst bei mir bis heute Fluchtreflexe aus. Ich übe noch. Trotzdem weiß ich: Viele Interessen zu haben, ist ein Geschenk, das gelebt gehört: Spielt, probiert aus, macht in eurem Leben Platz, um all das zu erkunden, was euch Spaß macht – und dabei muss nicht jede Leidenschaft zum Beruf gemacht werden. Kurz: Macht’s wie Leonardo!
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