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Warum redet eigentlich niemand darüber, wie schwer es ist, schwanger zu werden?

Foto: Nicholas Bloise.
Wann immer ich in letzter Zeit in den Spiegel schaue, sieht es fast so aus, als hätte ich geweint. Das habe ich nicht, aber meine Augen sind einfach ein bisschen zu geschwollen und ein bisschen zu rot. Ich gehe den Leuten normalerweise fast schon auf die Nerven mit meinem Optimismus, aber zur Zeit bin ich müde und traurig. Es ist etwas, dass ich den ganzen Tag lang mit mir selbst herumtragen muss und das niemand wissen darf.
Warum es niemand wissen darf... das weiß ich auch nicht. Also: Ich versuche, schwanger zu werden, und es ist furchtbar, und außerdem soll ich es aus irgendeinem Grund für mich behalten.
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Ich fange mal von vorne an. Ich habe meinen Ehemann früh kennengelernt – ich war erst 22 Jahre alt, er schon 27, mit Kinderwunsch. Ich machte mich oft lustig über seine „tickende Uhr“ und wie er mir erzählte, dass er mit 30 Kinder haben wollte. Obwohl ich irgendwann Kinder haben wollte, wusste ich, dass ich meinen Körper das auf keinen Fall innerhalb der nächsten drei Jahre antun würde, deshalb schalteten wir einen Gang zurück. Ich machte mir nicht allzu viele Sorgen darüber. Ich heiratete mit 26 und war stolz darauf, es früh genug hinter mich gebracht zu haben, um „ein paar Jahre einfach nur die Ehe genießen zu können“. Und, Spaß beiseite, das taten wir auch: Wir schafften uns eine Katze an, reisten, gingen oft essen, hatten eine gut ausgestattete und häufig verwendete Bar zu Hause, wechselten Jobs, weil wir es wollten und ich arbeitete eine Weile lang freiberuflich. Wenn ich über Kinder nachdachte, erschienen sie mir wie ein weit entfernter Punkt auf einer To Do Liste: Etwas, was ich im Kopf behalten sollte, aber worauf ich noch nicht sehr viel Energie verschwenden musste.
Mit der Zeit veränderten sich die Dinge. Wir sprachen darüber, ein Haus zu kaufen. Ich ging langsam auf die 30 zu, er auf die 35. Meine beste Freundin wurde schwanger, dann meine Schwägerin. Ich fing einen neuen Job in einem sehr mütterfreundlichen Büro an. Nach einer Weile fühlte ich mich plötzlich bereit dazu, Kinder zu haben. Ich machte einen Termin aus und ließ meine Spirale entfernen.
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Und die ganze Zeit über log ich. Ich erzählte meinem Team, dass all die Fruchtbarkeits- und Schwangerschaftsideen, die ich mir für Artikel überlegte, „aus meiner Zeit bei einem Schwangerschaftsmagazin“ stammten oder „weil meine beste Freundin schwanger war“. Ich machte beim sogenannten „Dry January“ mit, also einem Monat ohne Alkohol, teils weil ich es wirklich ausprobieren wollte, aber auch, weil es eine gute Ausrede war, in der Zeit zwischen meinem erhofften Eisprung und der nicht erhofften, aber immer eintretenden, Periode, auf Alkohol zu verzichten.

Jeden Monat bekam ich meine Periode. Jeden Morgen maß ich meine Temperatur. Jedes Mal wuchs der Frust.

Wenn ich nicht log, fühlte es sich immer an, als würde ich die Regeln brechen. Als ich beschloss, schwanger zu werden, erzählte ich meiner Familie davon, weil ich so aufgeregt war und nicht gerne Dinge vor ihnen verheimliche, und meiner besten Freundin, aus denselben Gründen. Während meiner Periode betrank ich mich aus Trauer. Ich saß mit meinen Nachbarn zusammen und erzählte ihnen davon, weil sie auch eine schwere Zeit hinter sich gehabt, aber nun endlich ein Kind hatten. Ich vertraute es einer Kollegin an, kurz bevor sie in den Schwangerschaftsurlaub ging. Einer anderen Kollegin erzählte ich davon, als wir über den Wohnungsmarkt sprachen und sie wissen wollte, warum wir eine so schöne Zweizimmerwohnung aufgeben wollten. Jedes Mal machte ich mir anschließend Sorgen, ob ich einen riesigen Fehler begangen hatte und versuchte obsessiv zu berechnen, wie viele jetzt davon wussten.
Jeden Monat bekam ich meine Periode. Jeden Morgen maß ich meine Temperatur. Jedes Mal wuchs der Frust. Ich kaufte mir Bücher, lud mir Apps und Audiobooks herunter, lernte viel über die Gebärmutterschleimhaut. Ich nahm fünf Kilo zu und schränkte meine Fitnessroutine ein, für den Fall, dass das extra Körperfett irgendwie helfen würde. Ich überlegte sogar, zu einem Experten zu gehen, aber ich wusste, dass ich es an sich noch nicht lang genug versucht hatte, um wahre Bedenken zu rechtfertigen. Mit der Zeit wurde ich immer trauriger.
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Und dann fragte ich eine Kollegin, die ein wahnsinnig süßes Kind hat, ob sie die Gynäkologiepraxis in unserem Bürogebäude nutzt und mit welchem Krankenhaus sie zusammenarbeiten – ich denke sie war irgendwie desinteressiert gelaunt, denn die Frage könnte ja kaum offensichtlicher sein, oder? Sie fragte, ob ich schwanger sei, ich erzählte ihr, dass ich daran arbeitete, und sie sagte „Es hat bei mir ewig gedauert. Es ist echt furchtbar.“

Ich muss darüber reden, weil ich mir die Last von der Seele sprechen muss.

Ich hasste es, das zu hören, aber ich liebte es auch. Ich musste es hören. Ich musste dieses schreckliche und wunderschöne Essay über Fehlgeburten lesen. Ich musste herausfinden, dass Chrissy Teigen sich während des Shootings ihrer Sports Illustrated-Ausgabe einer IVF (In-Vitro Fertilisation) unterzogen hatte. Ich muss wissen, dass viele es jahrelang versucht und aufgegeben haben, um es dann später vielleicht noch einmal zu versuchen. Dass sie durch die Hölle gingen und noch immer gehen, noch immer ihr Leben leben, ganz egal ob sie eine weitere Person hinzugefügt haben oder nicht. Und ich muss das von realen Menschen hören – nicht nur von anonymen Frauen in Foren, die Initialen verwenden, die ich nicht verstehe.
Ich muss darüber sprechen, weil ich es mir von der Seele sprechen muss, aber auch, weil ich Menschen brauche, die mit mir darüber reden. Natürlich unterhalten mein Mann und ich uns ständig darüber, aber ich brauche auch etwas von außerhalb unserer Beziehung. Und wenn ich darüber nachdenke, wie viel ich mir den Kopf zerbrochen habe, als ich es in der Vergangenheit Preis gegeben habe, wird mir bewusst, dass es dabei nicht wirklich um mich ging. Es weiß also jemand, dass mein Ehemann und ich teils geplanten, taktisch zeitlich festgelegten Sex haben. Wen interessiert’s? Sie werden wissen, dass ich nicht ständig 100% glücklich bin. Na und? Sie werden wissen, dass potentiell etwas mit meiner Lutealphase oder mit dem Sperma meines Mannes oder so nicht stimmt. Es ist mir wirklich scheißegal.
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Was mir, glaube ich, nicht scheißegal ist, ist wie sich alle anderen fühlen. Ich mache mir nicht darüber Sorgen, dass sie ein Geheimnis über mich wissen werden, sondern, dass sie sich dadurch vielleicht unwohl fühlen. Es macht mich wahnsinnig, dass sie meine Trauer quasi aus zweiter Hand erfahren müssen, oder dass sie nicht wissen, was sie sagen sollen, oder, dass sie anfangen sich zu sorgen, dass das ihnen vielleicht eines Tages auch passiert. Es geht nicht darum, meine Gefühle zu beschützen, sondern die aller anderen.
Eine Freundin von mir aus der Schule (die übrigens vier Kinder hat, shitttt), erzählte letztes Jahr auf ihrem Blog, dass sie schwanger ist – in der vierten Woche. Und dass sie es einfach zu schwer fand, so einen freudigen und furchteinflößenden Moment in ihrem Leben geheim zu halten, auch wenn es gegen die Regeln ist, eine Schwangerschaft so früh öffentlich zu machen. Letzten Endes, schrieb sie, hatte sie bereits in der Vergangenheit über eine Fehlgeburt geschrieben und würde es auch in Zukunft machen, sollte es wieder passieren, und dass es einfach so viel schwerer ist, im Geheimen die Herausforderungen des ersten Trimesters auf sich zu nehmen.
Ich mochte ihre Ehrlichkeit. Ich bin vielleicht noch nicht schwanger, aber ich habe dennoch auch Probleme. Und wenn ich – jemand, die erst seit fünf Monaten daran arbeitet, und die noch Jahre entfernt vom „fortgeschrittenen fruchtbaren Alter“ ist – damit zu kämpfen habe, gibt es sicherlich viele da draußen, die es viel schlechter haben. Also scheiß drauf, lasst uns darüber sprechen. Das Geheimnis ist raus, und es interessiert mich nicht länger, was das für alle anderen bedeutet. Oder zumindest kann ich sagen, dass ich es versuche.
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