Der erste Sex nach der Entbindung kann sich anfühlen wie das erste Mal. Kein Wunder, schließlich sind die Monate nach der Geburt eine emotionale, hormonelle Achterbahnfahrt. Du bist eine Löwin! Eine Kriegerin! Du bist aber auch völlig fertig und fühlst dich wie ein Luftballon, aus dem die ganze Luft raus ist. Hinter dir liegt eine extreme körperliche Herausforderung: Durch deine Vagina (oder deinen Bauch) hat ein Mensch das Licht der Welt erblickt. Danach kann schon allein die Vorstellung von Sex beängstigend sein.
Ärzt*innen raten oft, mit dem Sex zu warten, bis die Blutung nach der Entbindung aufgehört hat, um eine Infektion zu vermeiden. Abgesehen von diesem medizinischen Ratschlag gibt es aber keine feste Regel dafür, wann du wieder Sex haben solltest. Der Zeitpunkt hängt von vielen Faktoren ab: welche Art der Geburt es war, wie schnell du verheilst und vor allem wann du dich wieder bereit fühlst. Denn nach einer vaginalen Geburt fürchten sich manche Frauen vor der Penetration. „Wir haben es nach fünf Wochen versucht. Ich wollte es gerne vor meinem Sechs-Wochen-Checkup machen. Ich dachte, falls was richtig schiefläuft, kann ich mich notfalls meine Ärztin fragen“, erzählt die 29-jährige Lizzie, die vor 14 Monaten Mutter wurde. „Ich hatte keine traumatische Geburt hinter mir, ich war nicht gerissen und die Blutung hatte endlich aufgehört. Ich hatte ein bisschen Angst vor dem ersten Mal. Aber ich dachte, je länger ich warte, desto schlimmer wird es.“
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„Wir hatten uns richtig gut vorbereitet: Wir hatten jede Menge Gleitgel gekauft und uns ein Zeitfenster ausgesucht, während dem das Baby schlief. Ich war echt nervös. Es war direkt schmerzhaft und er fühlte sich riesig an. Ich weiß noch, dass ich dachte: ‚Wie kann er sich so riesig anfühlen, wenn ich gerade ein Baby bekommen habe?‘“, erzählt sie. „Sobald er drin war, wollte ich am liebsten aufhören: OK, danke, reicht für heute! Aber dann dachte ich mir: ‚Nein, wir ziehen das jetzt durch.‘ Mir ging es dabei weniger darum, es zu genießen, als darum, es hinter mich zu bringen. Ich wollte beim nächsten Mal nicht so nervös sein.“
Manchmal verändert sich die Sicht auf Sex auch schon lange vor der Geburt, manchmal schon vor der Schwangerschaft – nämlich wenn es darum geht, das Kind zu zeugen. Die 31-jährige Michelle hat zwei Kinder, eins ist zwei, ein ist drei Jahre alt. Sie und ihr Freund versuchten anderthalb Jahre, schwanger zu werden, bevor es zum ersten Mal klappte. „Der Sex kann schon irgendwann ein bisschen zweckmäßig werden“, sagt sie. „Und als ich dann schwanger war, war mir Sex plötzlich sehr unangenehm. Es war seltsam: Ich wolltegern in der Lage dazu sein, Sex zu haben, aber ich konnte einfach nicht. Ich schob es auf die Schwangerschaftshormone und wir schlugen uns irgendwie so durch.“
Drei Monate nach der Geburt versuchten sie es dann wieder, aber es tat immer noch weh. „Bei meinen Arztterminen fragte ich mehrmals nach, woran es liegen könnte. Da bekam ich aber immer wieder zu hören, ich solle “mich entspannen“. Ich habe mich nicht getraut, weiter nachzubohren.“ Nachdem ihre Cousine, eine Allgemeinmedizinerin, mal nachsah und eine Entzündung entdeckte, bekam Michelle Antibiotika. „Die änderten aber nicht wirklich was. Die Penetration war immer noch unangenehm. Irgendwann konnte ich vor lauter Druck auch gar nicht mehr. Ich machte mir so viele Sorgen – würde es nie wieder so werden wie vorher?“ Die Wende kam erst, als Michelle mit dem Stillen aufhörte. „Nach zehn Monaten hatte ich endlich wieder Lust auf Sex. Und zwar nicht nur ein bisschen – ich war richtig geil.“
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Weicher, schlaffer, fülliger – nach der Geburt ist dein Körper wie ein alter Freund, den du seit Jahren nicht gesehen hast: Ihr habt euch beide verändert und müsst euch ganz neu kennenlernen. Und wie in Michelles Fall kann das Stillen dafür sorgen, dass sich dein Körper während dieser Zeit nicht mehr ganz wie deiner anfühlt. „Deine Brüste sind währenddessen richtig schön groß und dein*e Partner*in ist ganz verliebt in sie, aber du denkst vielleicht: ‚Äh, die gehören aber nicht dir?‘ Ich habe aber versucht, mich einigermaßen normal zu verhalten“, erzählt Jasmine, 33, deren Kinder ein und sechs Jahre alt sind. „Ich stille immer noch ab und zu, fühle mich heute aber nicht mehr so. Meine Brüste sind nicht mehr so empfindlich und es hängt nicht mehr dauernd ein Baby dran.“
Lizzie verspritzt beim Sex manchmal ein bisschen Milch, was ihr peinlich ist, aber insgesamt fühlt sie sich sehr wohl in ihrem Körper. „Ich liebe meinen großen Busen und habe damit überhaupt keine Probleme. Ich sehe meinen Körper jetzt in einem ganz anderen Licht: Er hatte ein Wunder vollbracht, nämlich ein Baby geboren. Also bin ich nachsichtig mit ihm.“ Über ihre Vulva hingegen machte sich Lizzie sehr wohl Sorgen: „Du kannst ja schlecht mit anderen drüber reden, außer mit deiner Partnerin oder deinem Partner. Du fragst dann: ‚Was meinst du? Sieht sie noch so aus wie vorher? Fühlt sie sich an wie früher?‘“
Jasmine hat es geholfen, zwei Geburten zu erleben und zusätzlich als Helferin bei der Entbindung einer Freundin dabei zu sein. Dadurch lernte sie, wie elastisch eine Vagina ist – vor allem, wenn du deine Beckenbodenübungen regelmäßig machst. „Irgendwann wurde mir klar: Die meisten wissen kaum etwas über ihre Genitalien. Manche Frauen glauben, sie hätten nur eine Öffnung. Jetzt weiß ich aber: Es geht nicht um die Öffnung, sondern um die Muskeln rundherum. Dieses Wissen hat die Art und Weise wie ich Sex habe verändert.“
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Wenn das Sexleben nach der Geburt irgendwann wieder in Schwung kommt, stehen euch bald weniger körperliche als logistische Herausforderungen im Weg. Der Haushalt will gemacht werden; auf Netflix gibt’s eine gute Serie; in deinem Schlafzimmer liegt ein Baby, das jede Sekunde aufwachen könnte. „Wir warteten, bis sie einschlief, und schlichen uns dann leise weg – als hätten wir eine Affäre“, sagt Jasmine. Da das Schlafzimmer keine Option ist, wird der Rest der Wohnung zwangsläufig zu eurem Spielplatz. Ihr müsst plötzlich auf Badezimmer, Küche oder Flur ausweichen, aber genau das macht es auch irgendwie aufregend, sagt Jasmine. „Ich würde niemandem empfehlen, ganz auf den Sex zu verzichten. Doch wenn ihr es seltener tut, ist es dann umso schöner, wenn ihr dann doch aktiv werdet.“
Und auch die Verhütung spielt plötzlich wieder eine Rolle. Während du versuchst, schwanger zu werden, wird ungeschützter Sex zur Normalität. Wenn du stillst, kann deine Periode monate-, sogar jahrelang ausbleiben, aber das heißt nicht automatisch, dass du nicht schwanger werden kannst. Jasmine fand das ziemlich furchteinflößend: „Vor dem Baby ist ungeschützter Sex so romantisch; du willst eben unbedingt ein Kind haben. Nach dem Baby denkst du dann aber: ‚Oh Gott, bitte lass mich NICHT schwanger werden!‘“
Michelle und ihr Freund waren bei der Verhütung nach dem ersten Kind weniger vorsichtig – und wurden sofort wieder schwanger. „Ich war sehr empfindlich und es war am Anfang sehr schmerzhaft; Kondome wollte ich keine benutzen, denn irgendwie reizten die mich. Wir versuchten es mit der Rauszieh-Methode, aber das ist keine echte Verhütungsmethode, wenn wir ehrlich sind.“ Nach dem zweiten Kind wusste sie aber, was sie zu erwarten hatte. „Ich ging das Ganze ruhig an. Wir hatten Sex, eben bloß ohne Penetration. Damit ich es genießen konnte, mussten wir warten, bis die Stillhormone aus meinem Körper raus waren. Heute wünsche ich mir, ich hätte das alles früher gewusst und mir dadurch stundenlange Qualen erspart“, sagt sie. „Vor allem habe ich aber begriffen, dass Sex ohne Penetration deswegen nicht weniger “zählt“. Und dass er für manche Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit einfach keine Option ist.“
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Bevor du ein Kind bekommst, solltest du dich jedenfalls auf eines einstellen: Dein Sexleben wird nach der Geburt praktisch nicht existent sein. Es dauert eine Weile, bis es wieder wie früher wird, und auf dem Weg dorthin erwarten dich einige Hürden. Dieser Neuanfang bietet dir allerdings auch die Chance, (neu) zu entdecken, was dir gefällt. Trotz ihrer unterschiedlichen Erfahrungen sind sich Lizzie, Michelle und Jasmine in einem Punkt nämlich einig: Ihr Sexleben ist jetzt genauso gut wie früher – wenn nicht sogar besser. „Klar unterbricht dich mal das Baby oder du bist einfach zu müde. Aber wenn wir dann Sex haben, denken wir immer: ‚Oh, das sollten wir echt öfter machen!‘“, sagt Lizzie. „Ich genieße diese neue Phase in unserem Sexleben“, sagt Jasmine. „Ich weiß jetzt genau, was ich mir sexuell wünsche und was mir wichtig ist. Ich will weitermachen und so viele Orgasmen haben, wie ich kann.“
Namen wurden von der Redaktion geändert