Vor genau fünf Jahren hat meine damalige Affäre mich körperlich und sexuell attackiert. Fünf Jahre, die einen College-Abschluss, acht Umzüge in zwei Städten, zwei Jobs, eine Beziehung, eine sechsmonatige Therapie und zwei unerwartete Zusammenstöße mit meinem Angreifer einschließen. Es ist Zeit vergangen, aber meine Erinnerung ist so frisch wie damals und wenn ich meine Augen schließe, sehe ich seine Augen.
Am Morgen nach dem Angriff wachte ich mit frühlingshaftem Sonnenschein im Gesicht auf. Goldenes Licht kroch vom Fußende meines Bettes herauf. Ich schlich mich hinaus und entkam, während er schlief, rannte mit offenen Schuhen auf die Straße, durch die Massen der St.-Patrick's-Day-Feiernden. Aber selbst in diesem Zustand, benebelt durch den Schock, wusste ich, dass es nichts bringen würde, zur Polizei zu gehen. Unser SMS-Verlauf wies darauf hin, dass ich ihn darum gebeten hatte, vorbei zu kommen. Es gab keine sonstigen Anzeichen oder Zeugen und somit gab es auch keinen Fall. Das letzte, was ich wollte, war ein nervenaufreibender Prozess, in dem Aussage gegen Aussage steht.
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Als ich am nächsten Morgen in mein Badezimmer ging und die Tür schloss, fühlte ich nichts. Ich schaute in den Spiegel, suchte nach Veränderung, irgendetwas hatte doch anders sein müssen. Aber nein, von außen war nichts zu sehen, was auf diese Nacht hinweisen könnte. Meine Augen waren immer noch meine Augen, mein Gesicht war mein Gesicht, alles war sanft.
Ich stieg unter die Dusche, seifte meinen Rücken und meine Beine ein, wusch mich hinter den Ohren. Und dann fiel ich wie ein luftleerer Ball in mich zusammen und schluchzte solange, bis mein Magen verkrampfte. Es fühlte sich an, als würde ich alle Emotionen auskotzen, all' diejenigen, die ich nicht fühlen wollte. Ich atmete tief ein, stand auf und drehte die Dusche aus. Ich ging zur Arbeit.
In der Highschool machten wir im Biounterricht mal eine Übung, in der wir ein Ei über Nacht in Essig einweichen lassen mussten, um anschließend die Ergebnisse aufzuschreiben. Ich weiß nicht mehr, was dieses Experiment uns sagen sollte, aber ich weiß noch, dass ich eine wahnsinnige Empathie für dieses Ei hatte, als ich es aus dem Essig nahm. Die Schale hatte sich gelöst und nur eine braune, ledrige Membran zurückgelassen, die das Ei in Form hielt. Ich wuchs mit gewalttätigen Eltern auf und dieses Ei war das perfekte Bildnis meiner durchgängigen emotionalen Verfassung.
Unmittelbar nach dem Angriff, schien es sogar so, als hätte sich die Membran auch noch gelöst. Ich war eigentlich nur noch Eiweiß und Dotter, durch Willensstärke und Wut zusammen gehalten, nicht in der Lage einzusehen, dass meine Schale weg und der Moment längst gekommen war, in dem ich auf dem Boden hätte zerplatzen müssen.
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Auf der Arbeit hielten wir unser Morgenmeeting draußen ab. Ich trug meine Sonnenbrille und freute mich über eine leicht aufkommende Brise. Meine Kollegen – seine Freunde – saßen um mich herum und sprachen über unsere Aufgaben für den Tag. Ich hörte nur halb zu, stattdessen spielten sich die Ereignisse der Nacht immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Ich versuchte langsame, tiefe Atemzüge zu nehmen und mich selbst zu beruhigen, mich an meinen Wert zu erinnern, mir klar zu machen, dass es nicht meine Schuld war.
An diesem Nachmittag traf ich mich mit ihm. Ich wollte, dass er verstand, was er getan hatte. Ich wollte ihm zeigen, dass ich stärker war als das Trauma, in das er mich versetzt hatte.
Wir saßen auf der Treppe in meinem Hinterhof. Ich sagte ihm, dass er krank sei und dringend Hilfe bräuchte, dass es vorbei sei mit uns. Ich sagte ihm auch, dass ich nicht zur Polizei gehen würde, wenn er zur Therapie geht. Er wusste nicht, dass ich keine Beweise hatte und falls doch, lenkte er trotzdem ein dorthin zu gehen – und dann flehte er mich an, niemandem zu erzählen, was passiert war.
„Nein“, sagte ich. „Das ist nichts, worum du mich bitten darfst.“
„Ich weiß“, sagte er. „Es tut mir leid.“
„Nein, weißt du nicht. Du hast kein Recht dazu, mich zu bitten zu schweigen. Du hast kein Recht dazu mich um irgendetwas zu bitten. Das ist meine Geschichte. Und deine Gefühle spielen keine Rolle.“
Nach unserem Gespräch ging er. Ich verkroch mich, blieb stundenlang in meinem Kleiderschrank sitzen und weinte in mein Kleid, bis ich nicht mehr atmen konnte. Aber ich wusste, was ich als nächstes tun musste: Ich musste genau das Gegenteil von dem machen, was er gesagt hatte. Ich musste darüber sprechen. Ich wollte jedem davon erzählen, nur seinen Namen wollte ich nicht erwähnen. Er hatte mich in seinem Zimmer eingesperrt, mich geschlagen, bis ich Sterne sah, mich penetriert und mich fast zerbrochen – in meiner Geschichte durfte er nicht mehr den Protagonisten spielen.
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Und so sprach ich anstatt zu schweigen. Ich erzählte es meinen Freunden und meiner Familie und sie waren die stärkste Stütze, die ich mir hätte wünschen können.
Vor zwei Jahren schrieb ich öffentlich über meine Erfahrungen erst auf Facebook, dann bei Twitter.
Meine Verwundbarkeit war angsteinflößend; der Ansturm an Nachrichten und Unterstützung, der mir entgegenkam, war unerwartet und überwältigend. Menschen, die ich kaum bis gar nicht kannte, teilten ihre Geschichten mit mir. Ihre Geschichten der Stille, ihre Wege zur Heilung. Ich kauerte vor meinem Laptop zusammen und versteckte die Tränen vor meinen Arbeitskollegen, während eine Nachricht nach der anderen eintrudelte, kleine Schnipsel voller Liebe und Unterstützung von Menschen, von denen ich nicht einmal dachte, dass sie von meiner Existenz wissen.
Angegriffen, vergewaltigt oder verletzt zu werden kann sich wie das Ende der Welt anfühlen, so als ob du nie wieder ganz genug werden würdest, um Liebe oder Freude verspüren zu können. Es ist nicht das Ende.
Jede Erfahrung und jede Reise ist unterschiedlich, und was für mich funktioniert hat, muss nicht für jeden funktionieren. Aber was ich meinen Leidensgenoss*innen sagen will, ist folgendes:
Als ich es ausgesprochen habe, habe ich meine Geschichte zurückgewonnen. Diese Nacht hat aufgehört etwas zu sein, was mir passiert ist und wurde zu einer Erfahrung, die ich gemacht habe – einem Teil meiner Geschichte und einem weiteren Hindernis, das ich überbrückt habe um an mein Ziel zu kommen.
Wenn wir Überlebenden öffentlich darüber sprechen, lehnen wir die Scham ab und das Stigma, das noch immer mit solchen Erfahrungen einhergeht. Dabei sind es die Menschen, die uns verletzt haben, die sich schämen sollten; wir sollten stolz sein, überlebt zu haben. Das beste daran, es auszusprechen, war andere Betroffene zu finden – eine Gemeinschaft aus Überlebenden, die mich unterstützt haben und die ich heute unterstützen kann. Ich bin nicht alleine, genauso wenig bist du es. Vielleicht fühlst du dich jetzt einsam, aber, glaub mir, du bist nicht allein.
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Indem ich es ausgesprochen habe, habe ich mir eine neue Realität geschaffen – eine, in der jeder Tag nach dem 17. März 2012 ein Abzeichen für meinen Mut ist. Ich habe diese eine beschissene Nacht überlebt, ja, aber wisst ihr, was Mut wirklich bedeutet? Dass ich jeden Tag danach überlebt habe. Mut ist, dass ich mir Hilfe gesucht habe, als ich sie am meisten gebraucht habe. Mut ist auch, dass ich es schaffen wollte – und geschafft habe – mich noch einmal verwundbar zu machen. Diesmal für einen Mann, der mich liebt und mich gut behandelt.
Es sind erst fünf Jahre vergangen seit dieser Nacht – ich lerne immer noch Wege, zu heilen. Ich mag mein Leben heute wieder. Ich habe einen Partner, der mich sogar in meinen schlimmsten Momenten versteht, Freunde, dich mich aufbauen. Und ich habe mich, die unerwartete Siegerin.
Es ist nicht der ideale Weg für jede*n, die*der sexuell angegriffen wurde, darüber zu sprechen. Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen. Aber vielleicht hilft sie jemandem, gibt dir den Mut, sich jemandem anzuvertrauen.
Das Leben wird irgendwann wieder besser, die Heilung wird ein bisschen einfacher und auch, wenn ich weiß, dass diese Erinnerungen niemals verschwinden werden, weiß ich, dass mich das Sprechen stärker gemacht hat. Stärker als alles, was er mir angetan hat.
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