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Es ist absolut in Ordnung, dass ich mich nicht sexy finde

„Ich bin einfach nicht sexy.“ Jedes Mal, wenn ich diesen Satz sage, sind die Reaktionen gleich: „So ein Quatsch!“, „Hör auf das zu sagen!“, „Du musst das nur mal an dich ranlassen!“. Man könnte meinen, ich hätte gerade gesagt, dass ich mich potthässlich finde und deshalb einsam sterben würde – so entsetzt und bemitleidend sind die Reaktionen bei diesem Satz. Dabei tut diese Tatsache meinem persönlichen Glück überhaupt keinen Abbruch. Was soll also die Aufregung?
Es ist nicht so, als hätte ich es nicht versucht. Kurz vor meinem Abiball habe ich mir das einzige hohe paar Schuhe meines Lebens gekauft – und lief dann damit durch einen Metal-Club, mit einem Ramones-Shirt. Wobei von „Laufen“ nicht wirklich die Rede sein kann: Ich stampfte wie ein Storch zur nächsten Sitzgelegenheit, stand den Rest des Abends nicht mehr auf und fühlte mich unglaublich unwohl. Und so trug ich zum Abiball dann nicht die hohen Schuhe zu meinem potthässlichen Blumenkleid – auch ein Versuch, mich femininer zu machen, als ich war – sondern ein paar Ballerinas. Als einzige. Und fühlte mich dabei irgendwie sehr stark und selbstbewusst.
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Sexy sein passt nicht zu mir.

Ungefähr so lief jeder der endlosen Versuche in meinem Leben ab, sexy und betont feminin zu sein. Aber egal, ob es sich um süße Kleider, aufreizende Posen auf Fotos, tiefe Ausschnitte oder Dancemoves aus Beyoncé-Videos handelte: Es fühlte sich immer falsch an. Trotzdem hat es über 20 Jahre gedauert, bis ich es akzeptiert habe: Sexyness – zumindest die, die wir von kleinauf serviert bekommen haben – passt nicht zu mir. Ich fühle mich durch andere Dinge begehrenswert und stark. Ich trage am Liebsten weite Klamotten, mache Fotos lieber in Russenhocke und meine Dancemoves sind eher Napoleon Dynamite als Lil’ Kim. Begehrenswert fühle ich mich nicht in knappen Outfits und Reizwäsche, sondern eher hinter dem Steuer meines Campers. Oder wenn ich für meine Überzeugungen eintrete. Oder wenn ich einen guten Witz reiße. Und das ist auch okay. Denn es bedeutet weder, dass ich eine ungesunde Beziehung zu meinem Körper oder meiner Weiblichkeit habe, noch dass ich Sex nicht mag. Das zu kapieren hat Jahre gedauert.
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Ein Beitrag geteilt von Jowa (@johv) am

Sich nicht betont sexy geben und sich trotzdem begehrenswert finden: Wieso ist das scheinbar so ein Widerspruch? „Sexyness“ ist ein diffuses Konzept. Tatsächlich gibt es diesen Begriff noch gar nicht so lange: Denn er wurde erst mit der sexuellen Revolution relevant, als Körperlichkeit und Emotionen als zwei getrennte Bereiche betrachtet wurden und Sexualität zum Codewort für jede Form von Begehren wurde: Vor allem in Massenmedien, die von Anfang an mitbestimmten, was als sexy gilt und was nicht. Die Bilder, die wir jetzt im Kopf haben, wenn wir das Wort „sexy“ hören, sind ein direktes Produkt von den medialen Darstellungen, die wir unser Leben lang serviert bekommen haben – meist waren es Bilder von halbnackten, schlanken, lasziven, gephotoshoppten, weißen und gesunden Frauenkörpern. Und weil Sexyness heute ein Platzhalter für Begehren im Allgemeinen darstellt, wird Menschen, die sich nicht als sexy sehen, gern mal Begehren und Begehrtwerden abgesprochen. Wenn man dann also sagt, dass man sich nicht sexy fühlt, dann hören die Leute „ich finde mich nicht begehrenswert“. Aber das ist nicht das selbe.
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Sexyness braucht dringend ein Makeover.

Frauen wurden in den Massenmedien der letzten Dekaden nicht besonders divers dargestellt. Streng genommen gibt es vor allem zwei Typen Frau, die einem da auf Bildschirmen und in Magazinen begegnet sind: Die Heilige und die Schlampe. Das Mauerblümchen und die Femme Fatale. Das „good girl“ und das „bad girl“. Dazwischen: Wenig. Auch wenn sich das in den letzten Jahren langsam ändert: Das Mindset hat sich eingebrannt. Und es ist dieses Mindset, das Menschen bedauernd reagieren lässt, wenn ich sage, dass sexy sein einfach nicht mein Ding ist – denn was sie dann hören, ist, dass ich mich selbst als das ewige Mauerblümchen sehe. Und es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich das wirklich tat – aufgrund dieses binären Denkens.
Es ist jetzt 2018 und wir können das besser. Das Konzept „Sexyness“ braucht dringend ein Makeover, denn die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, genauso wenig wie Frauen nur die zwei Optionen „Sexbombe“ oder „Jungfrau Maria“ haben. Versteht mich nicht falsch: Fühlt man sich mit der gängigen Definiton von Sexyness wohl und selbstbewusst, dann ist das wunderbar. You go girl (or boy)! Aber es muss dringend mehr Optionen geben. Ich wünsche mir für jüngere Generationen von Frauen, dass sie keine 20 Jahre brauchen, um zu verstehen, dass es nichts mit Push-Up-BH’s, Twerking-Skills und Miniröcken zu tun hat, ob man sexy ist oder nicht. Und dass niemand ihnen ihre Sexualität absprechen darf, nur weil sie diese anders definieren. Selbstvertrauen ist sexy. Sich in seinem Körper wohlfühlen ist sexy. Sich nicht verbiegen lassen ist sexy. Lasst uns den Begriff neu kodieren.
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