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Bist du sicher, dass du auch richtig atmest?

Foto: Olivia Joanate
Dank unseres Gehirns und unserer Reflexe atmen wir automatisch und müssen nicht darüber nachdenken. Atmung ist eine relativ unauffällige, meist monotone, unwillkürliche Funktion, die im Gegensatz zu meinem bedürftigen Cavalier King Charles Spaniel unsere Aufmerksamkeit nicht braucht, um zu funktionieren – es sei denn, wir sind vom Trainieren oder Treppensteigen außer Puste. Wir atmen ein, wir atmen aus, wir wissen, wie es geht. Einfach, oder? Vielleicht doch nicht.
Vor Kurzem ist mir aufgefallen, dass ich mein ganzes Leben lang falsch geatmet habe. Und ich vermute, dass du das auch getan hast. Laut einer Studie, die im International Journal of Sports Physical Therapy veröffentlicht wurde, atmen die meisten von uns – etwa 60 bis 80 Prozent – tatsächlich viel kürzer und flacher, als es biologisch vorgesehen ist. Dr. Rohan Mankikar, Lungenfacharzt an der NYU Langone, stimmt zu, dass die meisten von uns schlecht atmen. „Wir setzen unsere Atemmuskeln nicht so gut ein, wie wir sollten“, sagt er.
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Ally Maz, leitende Atemtherapeutin und Yogalehrerin bei Open, einem Studio für Achtsamkeit, erzählt Refinery29, dass viele von uns in den oberen Brustkorb anstatt in den Bauch atmen, was wir eigentlich tun sollten. Diese kurzen, flachen Atemzüge aktivieren unser sympathisches Nervensystem, das automatische Körperfunktionen wie unsere Herzfrequenz und unseren Blutdruck reguliert. Es löst auch unsere Flucht-oder-Kampf-Reaktion aus. Das bedeutet, dass diese flache Atmung dazu beiträgt, uns in einem ständigen Stresszustand zu halten. Wie sich herausgestellt hat, schadet uns unsere normalerweise monotone Körperfunktion mehr, als sie uns nützt.
Als ich das erfuhr, geriet ich ein wenig in Panik. Mir wurde nämlich klar, dass ich nicht richtig atme. Maz beruhigte mich aber und sagte, dass das nicht allein meine Schuld sei. Tatsächlich hatte mein kurzer Panikanfall die Art und Weise, wie ich atme wahrscheinlich nur noch verschlimmert, da Stress an sich oft zu kurzer, flacher Atmung führt. Es gibt viele Gründe, warum viele von uns im Moment gestresst sind – Arbeit, Geld, Beziehungen und natürlich die Tatsache, dass wir eine Pandemie durchleben, sind nur einige davon, die zu unserer nicht ganz so guten Atemtechnik beitragen. Selbst während ich diesen Artikel schreibe, stelle ich fest, dass ich den ganzen Tag noch nicht richtig tief durchgeatmet habe. Aber wie lässt sich das ändern?
Zunächst sollten wir uns bemühen, den ganzen Tag über mit uns selbst und unserem Atem in Kontakt zu bleiben. „Die meisten von uns sitzen die meiste Zeit an ihren Schreibtischen mit ihren Laptops. Was wichtig ist, ist Momente zu finden, um dich mit dir und deiner Atmung wiederzuverbinden“, sagt Maz. Anstatt zum tausendsten Mal durch deine TikTok „For You“-Seite zu scrollen, solltest du dich fragen: „Wie atme ich jetzt gerade? Ist meine Atmung flach? Ist mein Mund offen, und das nicht, weil meine Kinnlade runterhängt, weil ich mir gerade die neuen Schwangerschaftsfotos von Rihanna anschaue?“
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Richtig zu atmen, so Maz, ist auch eine Frage des Timings: „Der perfekte Atemzug besteht aus einer Ein- und Ausatmung, die jeweils etwa 5,5 Sekunden dauern“, sagt sie und verweist auf eine Studie, die ergab, dass diese Zeitspanne die Variabilität der Herzfrequenz erhöht. „Wir sollten in den Bauch atmen, denn das trägt dazu bei, dass sich das Nervensystem auf eine ruhigere Reaktion umstellt. Wirklich flache Atemzüge in der oberen Brust sind etwas, das wir weitgehend vermeiden sollten, weil sie Nackenschmerzen und Spannungen in den Schultern verursachen und allgemein für ein Engegefühl sorgen.“
Dr. Mankikar sagt, dass Zwerchfellatmung hier eine entscheidende Rolle spielt: „Je härter das Zwerchfell arbeitet, desto stärker wird es – wie jeder andere Muskel auch“, sagt er.“ Wenn du also in dein Zwerchfell hineinatmest, sollte sich dein Bauch ausdehnen – ähnlich wie ein Ballon. Wenn du ausatmest, sollte sich dein Bauch sanft entspannen und wieder zusammenziehen.
Diese Atmung sollte durch die Nase erfolgen, denn laut Maz ist Mundatmung eine der größten Möglichkeiten, um unseren Atmungszyklus durcheinanderzubringen. Sie sagt, dass Nasenatmung ein Muss ist, da sie über 30 Funktionen hat, die uns vielleicht nicht einmal klar sind: „Sie befeuchtet die Luft, die in die Lunge gelangt, und wirkt temperaturregelnd“, sagt sie. Unsere Nasen produzieren auch Stickstoffmonoxid, ein Molekül, das die Durchblutung und damit unser Energie-Level erhöht und uns helfen kann, Krankheitserreger aus der Luft abzuwehren. Dr. Mankikar stimmt diesem Ratschlag zu und sagt, dass wir durch die Nase ein- und ausatmen sollten.
Das hört sich einerseits einfach, andererseits aber auch sehr schwierig an. Wie sollte ich meine lebenslangen Atemgewohnheiten ändern? Sollte also jede einzelne Ein- und Ausatmung jeweils 5,5 Sekunden lang dauern? Ist das nicht sehr langsam für den Alltag?
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Bei der alltäglichen Atmung brauchst du dich nicht allzu sehr auf das Timing zu versteifen (es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die beweisen, dass der 11-Sekunden-Zyklus der perfekte ist). Dr. Minkikar stimmt dem zu und meint, die Dauer hängt davon ab, womit du dich wohlfühlst. Solange du eine oder zwei Sekunden lang tief in die Nase ein- und ausatmest, ist das völlig in Ordnung. Er fügt aber hinzu, dass es sehr wohl von Vorteil ist, wenn es dir gelingt, deine Atmung zu verlangsamen. Unsere Lungen müssen sich beim langsameren Atmen nämlich stärker ausdehnen (was wiederum wie ein kleines Training für sie ist).
Also probierte ich es aus. Letzte Woche versuchte ich, bewusst in mich hineinzuhören und meine kurzen, flachen Atemzüge durch tiefere, bewusstere Einatmungen in mein Zwerchfell zu ersetzen. Das war schwieriger, als ich gedacht hatte. Anstatt mich beim Atmen auf meinen Instinkt zu verlassen, musste ich bewusst versuchen, auf eine neue, Art und Weise zu atmen. Dabei ließ ich mich zu Beginn leicht ablenken und verfiel deshalb oft wieder in meine „normale“ Atmung zurück..
Ich möchte aber auf jeden Fall damit weitermachen – vor allem, weil Dr. Minkikar meint, dass eine tiefere Atmung viele langfristige Vorteile mit sich bringt. Die Muskeln, die wir zum Einatmen verwenden, werden „inspiratorische“ Muskeln genannt, und sie sind sehr wichtig, um stark und gesund zu bleiben. „Wenn du dich bewusst darum bemühst, tief einzuatmen und diese Muskeln zu benutzen, und wenn du das über einen längeren Zeitraum tust und diese Muskulatur auf diese Weise stärkst, kann das tatsächlich helfen, den Blutdruck und die Herzfrequenz zu senken“, sagt er.
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Sobald wir die richtige Atemtechnik beherrschen und sowohl durch die Nase ein- als auch ausatmen, empfiehlt Maz verschiedene Atemtechniken, für unterschiedliche Ziele. Es gibt Methoden, die beruhigend wirken, die dir Energie verleihen und sogar solche, die dir dabei helfen sollen, dein Lungenvolumen zu erhöhen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 wiesen Teilnehmer:innen, die über einen Zeitraum von acht Wochen 20 Atemübungen absolvierten, deutlich niedrigere Cortisolwerte (auch bekannt als unser Stresshormon) auf als die Kontrollgruppe. Eine andere aktuelle Studie der University of Colorado Boulder besagt, dass bereits fünf Minuten Atemarbeit den Blutdruck genauso stark senken können wie ein Aerobic-Training. Sogar die American Lung Association meint Folgendes dazu: „Bei regelmäßiger Anwendung können Atemübungen dazu beitragen, die Lunge von angesammelter verbrauchter Luft zu befreien, den Sauerstoffgehalt zu erhöhen und das Zwerchfell dazu zu bringen, sich wieder seiner Aufgabe zu widmen, dir beim Atmen zu helfen.“
Um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie eine Session mit Atemübungen tatsächlich aussehen würde, setzte ich mich mit Davi Brown, dem Head of Content der App Breathwrk und zertifizierten Breathwork-Ausbilder (breathwork, zu Deutsch: Atemübungen und Techniken), zusammen. Wir machten ein paar schnelle Übungen aus der App über Zoom: eine zum Stressabbau, eine, um meine Stimmung zu verbessern und mir einen Energieschub zu geben, eine, um meine Lungenkapazität zu stärken, und eine, die helfen soll, eine verstopfte Nase zu befreien. Sie waren alle ziemlich unterschiedlich, wobei die Übung zur Stärkung der Lungenkapazität die schwierigste war. Obwohl ich mich ziemlich seltsam dabei fühlte, in meine Webcam zu schnaufen und zu keuchen, fühlte ich mich am Ende besser als sonst. Die Übungen verschafften mir auch etwas Zeit, um achtsam und präsent zu sein – zwei Dinge, dir mir während der Arbeitszeit oft nicht gelingen.
Was können wir also aus all dem lernen? Dass (richtiges) Atmen viel wichtiger ist, als wir vielleicht dachten. Dr. Minkikar sagt sogar, dass er „glaubt, dass unsere Atmung eine der wahrscheinlich wirkungsvollsten nicht-pharmakologischen Techniken ist, die uns zur Verfügung stehen.“ Es zeig sich also, dass die monotonsten Dinge manchmal diejenigen sind, denen wir die meiste Aufmerksamkeit schenken sollten – wie unserem Atmen.

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