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Warum ist es so schwer, mit Therapeut:innen „Schluss zu machen“?

Foto: Leia Morrison.
Trennungen, egal warum und mit wem, sind hart. Die Entscheidung, eine Therapie zu beenden, kann im besten Fall ein tolles Zeichen dafür sein, dass die gemeinsame Arbeit erfolgreich war und du bereit dazu bist, ohne regelmäßige Therapiesitzungen weiterzumachen. In anderen Fällen kann der Wunsch nach einem Therapieaus bedeuten, dass du nach wenigen Sitzungen festgestellt hast, dass du und dein:e Therapeut:in grundsätzlich inkompatibel sind. Vielleicht habt ihr nie zum gleichen Zeitpunkt Zeit oder deine:e Therapeut:in bevorzugt einen fortschrittsorientierten Ansatz, während du eher intuitiv und gefühlsbasiert vorgehen möchtest – oder umgekehrt. Manchmal kann aber auch ein Fehltritt vonseiten des:der Therapeut:in dazu beitragen, dass du eine Therapie beenden oder den:die Therapeut:in wechseln willst.
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Kenya R., zum Beispiel, hat bisher mit zwei Psychotherapeut:innen „Schluss gemacht“ – das erste Mal im Jahr 2017 und das zweite während der Pandemie. Kenya ist Schwarz und nicht-binär. Die beiden Therapeut:innen waren weiß und cis Frauen. Er:sie sagt, dass beide versuchten, zu helfen und dass eine:r von ihnen sogar ein Diversitätstraining absolviert hatte. Nichtsdestotrotz merkte er:sie schnell, dass er:sie sich jemanden mit einer ähnlichen Lebenserfahrung wünscht. Der:die erste Behandelnde „sagte oft zu mir: ‚Sie haben wirklich schon so viel durchgemacht‘, was letztendlich nicht bestätigend, sondern eher entfremdend war“, sagt er:sie. „Er:sie konnte mir nicht dabei helfen, mit dem Trauma in meinem Leben als Schwarze Person umzugehen, die in einkommensschwachen Gemeinden aufgewachsen ist, queer ist und ADHS hat, da er:sie einfach nicht aus erster Hand weiß, was Schwarzsein mit sich bringt.“ Eine ähnliche Entfremdung empfand er:sie bei dem:der zweiten Behandelnden.
Kenya erzählt, dass die erste „Therapietrennung“ einfacher gewesen sei als die zweite. Nachdem er:sie der zweiten behandelnden Person mitgeteilt hatte, dass er:sie die Therapie beenden, sie aber gerne als Psychiater:in behalten wolle, um weiterhin Medikamente verschrieben zu bekommen, rief er:sie Kenya an und fragte, warum er:sie sich auf diese Weise zurückziehe. „Diese Reaktion überraschte mich, denn bei unserer gemeinsamen Arbeit ging es oft um Grenzen“, sagt Kenia. „Am Ende musste ich ihm:ihr mitteilen, dass ich mich nicht wohl dabei fühlte, mit ihm:ihr zu sprechen. Sie versuchte, mich am Telefon zu behalten, bis ich letzten Endes keine andere Wahl hatte, als aufzulegen.“ Diese Erfahrung war erschütternd. Einige Monate später suchte sich Kenya eine:n Schwarze Behandelnde:n, der:die seine:ihre Identität besser verstehen konnte.
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In einer perfekten Welt sollte ein Gespräch über den Wunsch, eine Therapie zu beenden, immer professionell und respektvoll vonstattengehen – von beiden Seiten aus, vor allem aber vonseiten der Fachkraft. Leider ist das nicht immer der Fall.
Die Entscheidung, Therapeut:innen zu wechseln, kann auch ganz schön stressig sein und kompliziert werden. Schließlich kann eine Therapie Gefühle, Erinnerungen und Themen zur Sprache bringen, die so schon schwierig genug sind. Außerdem kann sich ein Schritt in die richtige Richtung zu Beginn manchmal unangenehm anfühlen, sagt Dr. Tamar Chansky, Psychologin und Autorin von Freeing Yourself From Anxiety. Deshalb fühlen sich manche Menschen unter Druck gesetzt, „durchhalten“ zu müssen, selbst wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Sitzungen unproduktiv geworden sind. Vielleicht geben sie sich selbst die Schuld, weil sie das Gefühl haben, nicht genug aus der Therapie herauszuholen, oder sie trauen ihren Instinkten nicht, wenn sie bemerken, dass sich ein:e Therapeut:in danebenbenimmt. Es kann schwierig sein, zu erkennen, was zum „normalen“ Unbehagen in einer Therapie gehört und was ein Anzeichen dafür ist, dass die Chemie nicht passt oder etwas am Verhalten der Therapeut:innen auszusetzen ist.
Deshalb kann es eine gute Idee sein, klare Ziele und Erwartungen für deine Therapiesitzungen festzulegen und alle paar Monate zu überprüfen, ob deine:e Therapeut:in deine Bedürfnisse erfüllt. Das würdest du schließlich auch bei jeder anderen Dienstleistung tun, für die du bezahlst – vom Arztbesuch bis zum Reifenwechsel. Wenn du das Gefühl hast, dass du dich nicht weiterentwickelst oder deine Ziele nicht erreichst, selbst wenn du deine Bedenken deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin gegenüber äußerst, ist es vielleicht an der Zeit, dir woanders Hilfe zu holen, sagt Dr. Chansky.
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Für ein Therapieaus sprechen auch noch weitere Anzeichen: Wenn dein:e Therapeut:in ständig zu spät kommt oder dir häufig in letzter Minute absagt, ist das ein Warnzeichen. „Wenn er:sie deine Zeit nicht respektiert, ist das etwas, worauf du achten solltest“, sagt Dr. JaNaè Taylor, Psychotherapeutin und Gründerin von Minding My Black Business.
Ein weiteres Warnsignal, das sich allerdings nicht so leicht erfassen lässt, ist, wenn du dich von deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin nicht gehört fühlst, sagt Dr. Taylor. „Das ist wahrscheinlich eines der größten Probleme, die ich von Leuten gehört habe, die am Ende woanders Hilfe suchten“, sagt sie. „Du fängst vielleicht an, über etwas zu sprechen, und bevor die ganze Geschichte zu Ende erzählt ist, stellt der Therapeut oder die Therapeutin bereits eine Vermutung darüber an, was du zu sagen versuchst, welche Bedürfnisse du hast oder was deine Geschichte ist.“
Das kann lästig, verletzend und geradezu schädlich sein. „Ich habe zum Beispiel von einem:einer anderen Behandelnden gehört, der:die bei einem Schwarzen männlichen Klienten einfach davon ausging, dass er nicht mit einem Vater im Haus aufgewachsen war“, sagt Dr. Taylor. Ein weiteres Szenario: Du wirst von einem Experten oder einer Expertin für psychische Gesundheit falsch diagnostiziert, was sich auf zukünftige medizinische Behandlungen auswirken kann, sagt Lilac Vylette Maldonado, welche die Pronomen sie/er:sie verwendet und Community-Organisatorin beim Fireweed Collective ist, das auf psychische Gesundheit und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist. Aufgrund solcher Vorfälle betonen sie und ihr Team, wie wichtig es ist, Therapeut:innen vor Beginn einer Therapie gründlich Fragen zu stellen.
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Andere Gründe dafür, dich von deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin zu „trennen“: wenn er:sie dich nicht respektiert, deine Grenzen überschreitet, sich eher wie ein:e Freund:in oder ein Elternteil verhält oder du dich in seiner:ihrer Anwesenheit ständig unwohl fühlst. Wenn es dir schwerfällt, herauszufinden, ob du einfach herausgefordert wirst oder ob sich die Fachkraft dir gegenüber unangemessen verhält, empfiehlt Dr. Chansky Folgendes: Frag dich, ob es die Person oder die Arbeit ist, die du im Rahmen einer Therapie leisten musst, die dir Unbehagen bereitet, und ob dieses Gefühl einem produktiven Zweck dient. Wenn dein Unwohlsein mit dem:der Behandelnden zu tun hat, ist das ein Zeichen dafür, dass sich dein:e Therapeut:in möglicherweise unangebracht benimmt oder dass die therapeutische Beziehung nicht förderlich für dein Wachstum ist.
Foto: Serena Brown.
Wenn sich eine Fachkraft besonders unprofessionell oder sogar missbräuchlich verhält, kannst du eine offizielle Beschwerde einreichen, sagt Dr. Taylor. Es gibt objektive Kriterien zur Bestimmung inakzeptablen Therapeut:innenverhaltens, die einen Verstoß gegen die Berufsordnungen von psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeut:innen bedeuten und damit gemeldet werden können. Dafür solltest du aber zunächst die zuständige Kammer ausfindig machen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob du diesen Schritt machen solltest, empfiehlt Dr. Taylor, eine:n andere:n, unbeteiligte:n Experten:Expertin um Rat zu fragen, wenn das möglich ist.
Als Brianna A. Baker, Doktorandin für Beratungspsychologie, im Oktober 2020 mit einer Therapie begann, wusste sie schnell, dass es mit ihrer Therapeutin nicht auf Dauer klappen würde. „Sie nannte mich ihre Lieblingsklientin, was mir anfänglich das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein, aber eigentlich nicht gut für mich war. Im Dezember merkte ich, dass ich keine Fortschritte in den Bereichen, in denen ich ich mich weiterentwickeln wollte, gemacht hatte wie z. B. mein Selbstbewusstsein zu stärken… Und ich fühlte mich unwohl dabei, ihr bestimmte Dinge zu sagen, was nicht zu meiner sonst so quirligen Persönlichkeit passte. Sie hatte mich so sehr dafür gelobt, dass ich positiv eingestellt und fröhlich war, dass ich das Gefühl hatte, sie würde über mich urteilen, wenn ich über tiefgreifende, belastende Ereignisse sprechen würde.“ Diese Therapeutin machte Baker gegenüber auch Witze über bipolare Störungen. Zu allem Überfluss kam sie auch noch häufig zu spät.
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Im Februar 2020 wusste Baker, dass es an der Zeit war, die Behandlung zu beenden. Sie fühlte sich jedoch so unwohl, dass sie sich direkt an das Unternehmen wandte, für das diese Therapeutin arbeitete, um die Sache zu beenden. Daraufhin schrieb diese Baker eine SMS, um sie mit ihrer Entscheidung zu konfrontieren. „Ich log und sagte ihr, dass ich mir eine Therapie einfach nicht mehr leisten konnte. Ich fühlte mich nicht wohl damit, ihr den wahren Grund zu verraten“, sagt sie. „Im Nachhinein hätte ich es vielleicht anders gemacht. Aber damals hatte ich das Gefühl, dass es ein Machtgefälle zwischen uns gab und ich fühlte mich unter Druck gesetzt und an den Pranger gestellt.“
Dr. Taylor sagt, es sei normal, ein solches Machtungleichgewicht zu spüren. „Es handelt sich um eine sehr intime Beziehung, und Fachkräfte im Bereich der geistigen Gesundheit haben eindeutig viel Macht. Wenn sie aber ihre Macht missbrauchen, solltest du die Therapie ohne Fragen beenden und dir woanders Hilfe suchen“, sagt Dr. Taylor. „In einer gesunden Beziehung solltest du dich nicht ohnmächtig fühlen müssen. Im Idealfall sollte sich das Verhältnis zwischen dir und dem:der Behandelnden wie eine gleichberechtigte Partnerschaft anfühlen“, sagt sie. „Wenn du aber das Gefühl hast, der Willkür deines Therapeuten oder deiner Therapeutin ausgeliefert zu sein, ist das ein [schlechtes] Zeichen.“
Aus diesem Grund gibt es laut Dr. Taylor letztlich keine „einzige, richtige“ Art und Weise, um mit Therapeut:innen Schluss zu machen“. Es ist dir überlassen, ob du ihnen mitteilen möchtest, warum du dich zu einem Therapieende entschieden hast oder nicht. Vielleicht möchtest du auch noch ein paar letzte Sitzungen vereinbaren, damit der „Trennungsprozess“ sanfter vonstattengeht oder die Behandlung sofort beenden. Du hast die Qual der Wahl. Tu das, was für dich am besten ist. Es kann auch sein, dass du der Therapie per E-Mail oder SMS oder über eine dritte Person ein Ende setzen musst, wenn du die Sache nicht persönlich beenden willst. Achte aber auf jeden Fall darauf, dass es klar ist, dass du nicht mehr kommen wirst, damit dein Nichterscheinen nicht in Rechnung gestellt wird.
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Wenn du dich wohl damit fühlst, „kann ein ehrliches Gespräch darüber, warum es nicht passt, aus verschiedenen Gründen hilfreich sein“, sagt Dr. Chansky. „Wenn du zum Beispiel feststellst, dass du dir eine andere Art von Therapie wünschst, kann dir dein:e Therapeut:in vielleicht jemanden empfehlen.“ Dein Feedback kann auch für den:die Behandelnde von Nutzen sein. Es ist aber natürlich nicht deine Aufgabe, ihm:ihr zu helfen, sich zu verbessern. Wenn der Hauptgrund für das Therapieaus finanzielle Gründe sind, kann es auch ratsam sein, offen über deine Entscheidung zu sprechen. Möglicherweise kann dein:e Therapeut:in dir einen Preisnachlass anbieten oder dich an eine andere Fachkraft verweisen, die günstiger ist. Wenn du also direkt mit deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin „Schluss machen“ willst, solltest du dir vorher gründlich überlegen, wie du die Nachricht überbringen möchtest, schlägt Woodland vor. Schreib jene Punkte auf, die du während des Gesprächs erwähnen willst. Das wird dir dabei helfen, deinen Beschluss deutlich zu machen, besonders, wenn du nervös sein solltest. Und wenn du dir alles von der Seele reden kannst, hilft dir das vielleicht auch dabei, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen.
Unabhängig davon, wie du „Schluss machst“, ist es laut Woodland eine gute Idee, deinen nächsten Schritt zu planen, bevor du eine Therapie beendest. Wenn du glaubst, dass du einfach eine:n neue:n Therapeuten:Therapeutin brauchst, solltest du dich früh genug nach einer neuen Fachkraft umsehen, damit du nicht ohne professionelle Hilfe auszukommen brauchst. „Im Allgemeinen würde ich nicht dazu raten, Therapeut:innen zu wechseln, ohne dass der nächste Schritt bereits feststeht“, sagt Woodland. Wenn du nicht gleich eine:n neuen Behandelnde:n finden kannst oder dir die Therapie einfach nicht mehr länger leisten kannst, schlägt Lilac vor, nach Selbsthilfegruppen in deiner Nähe zu suchen, die oft kostenlos sind.
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Schuldgefühle nach einer Trennung sind alles andere als eine Seltenheit, sagt Dr. Taylor. Immerhin machst du dir vielleicht Sorgen darüber, die Gefühle deines:deiner Therapeuten:Therapeutin verletzt zu haben. „Eine Therapie zu beenden, kann sich seltsam anfühlen, vor allem für diejenigen von uns, die anderen immer gerne gefallen wollen. Wenn du aber den Beschluss fasst, dich von einer schädlichen oder wenig hilfreichen Situation zu lösen, ist das eine gute Sache“, sagt sie. „Erinnere dich daran, dass du eine Entscheidung getroffen hast, die in deinem besten Interesse ist.“
Wenn dein:e Therapeut:in deine Entscheidung schlecht aufnimmt, solltest du daran denken, „dass es sich um bezahlte Fachleute handelt, die an tägliche Ablehnung gewöhnt sind… Nimm die Sache nicht so ernst und leb dein Leben weiter“, sagt Baker. „Wenn dein:e Therapeut:in seltsam auf deinen Beschluss reagiert, ist das eine Bestätigung dafür, dass er:sie nicht der:die richtige Therapeut:in für dich ist, da er:sie offensichtlich nicht auf deine wahren Bedürfnisse eingeht. Gute Therapeut:innen können zugeben, dass die Chemie nicht passt, und wünschen ihren Klient:innen alles Gute auf ihrem Weg zur Selbstverwirklichung.“
Was psychische Gesundheit angeht, so gibt es keine allgemeingültigen Lösungen. Deshalb kann es einige Versuche erfordern, bis du ein Programm oder eine:n Therapeuten:Therapeutin findest, das bzw. der:die zu dir passt. Das ist völlig in Ordnung und sogar üblich. Gib also nicht auf und denk daran, dass es sich lohnt, Schritte zu unternehmen, um deinem Wohlbefinden Priorität zu geben – egal, ob das nun bedeutet, Therapeut:innen zu finden oder sich von ihnen zu „trennen“.
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