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Stigma Monatsblutung ist die wichtigste Doku des Jahres

Foto: Netflix.
Nachdem eine Gruppe von Schülerinnen an der Oakwood Highschool in Los Angeles erfuhr, dass in vielen Entwicklungsländern immer noch ein riesiges Tabu rund ums Thema Menstruation besteht, beschlossen sie zu handeln. Durch die Organisation Girls Learn International entwickelte sich ein Kontakt zu einer Partnerorganisation in Indien, durch deren Schilderung ihnen erst das ganze Ausmaß des Missstandes bewusst wurde: Manchen Frauen, Mädchen und Menstruierenden verbaut der simple Fakt, dass sie ihre Periode bekommen, den Weg zu einer Ausbildung und Arbeit. Weder wird das Thema offen besprochen, noch stehen ausreichend viele Hygieneprodukte zur Verfügung. Aus Scham gehen viele Schüler*innen während ihrer Menstruation nicht in die Schule und verpassen so wichtigen Unterrichtsstoff.
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Zusammen mit ihrer Lehrerin Melissa Berton sammelten die US-Teenager Spenden, um eine Maschine anzuschaffen, mit der Hygienebinden per Hand hergestellt werden können. Diese schickten sie in das kleine Dorf Hapur in der Nähe der indischen Stadt Delhi. Nicht nur, dass die Menschen dort mit Hilfe der Maschine endlich Binden herstellen konnten, die sie selbst nutzten, durch die Maschine konnte auch ein kleines Unternehmen aufgebaut werden.
Um auf das Thema aufmerksam zu machen, setzten sich die Schüler*innen außerdem mit der Regisseurin Rayka Zehtabchi in Verbindung. Diese entschloss sich, eine Dokumentation über das Projekt zu drehen, die nun mit einen Oscar für die Beste Kurzdokumentation ausgezeichnet worden ist. Period. End of Sentence. (deutscher Titel: Stigma Monatsblutung) heißt der 26 Minuten lange Film, der auch in Deutschland auf Netflix zum Streamen bereitsteht.
Viele Inder*innen, die für den Film vor Ort interviewt wurden, konnten zwar nicht erklären, was genau die Periode ist, glaubten jedoch zu wissen, dass die Monatsblutung schlecht sei und sie unrein mache. Andere hatten noch nie zuvor von Binden gehört oder fanden es viel zu peinlich, welche zu kaufen. „Wenn keine*r über die Menstruation spricht und es kaum Informationen darüber gibt, was bei diesem natürlichen Phänomen eigentlich passiert, baut sich die Angst ganz von alleine auf“, erklärt Zehtabchi.
Wir sprachen mit der Regisseurin Rayka Zehtabchi und Melissa Berton, die nicht nur die Lehrerin der US-Schüler*innen ist, sondern auch als Produzentin am Film mitwirkte. Das Interview wurde redaktionell aufbereitet und gekürzt.
Refinery29: Es ist toll, dass Highschool-Schüler*innen die Idee zu diesem Projekt hatten. Hat es euch überrascht, dass sie so viel Eigeninitiative an den Tag legten?
Melissa Berton: Tatsächlich geht es an der Oakwood School generell ein bisschen hippiemäßig zu. An erster Stelle steht bei uns gesellschaftliches Engagement. Wir erlauben den Schüler*innen eine Menge Freiheiten und das zahlt sich aus. Als ich unseren Schulleiter vor sieben Jahren auf die Idee ansprach, war das Thema Menstruation auch bei uns noch nicht so stark im öffentlichen Bewusstsein wie heute. Seine Reaktion darauf fand ich allerdings toll: Er fragte sofort, wie er helfen könnte.
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Die Schüler*innen waren dann einfach mutig und haben das Zepter in die Hand genommen. Klar hatten sie auch mit Widerstand zu kämpfen und mit Scham. Und es gab auch viele Diskussionen darüber, wie man dieses Thema richtig angeht. Während des Projekts sind viele entmutigende Dinge passiert, aber wir haben weitergemacht, auch wenn wir bestimmt an manchen Punkten ans Aufgeben gedacht haben.

Es gibt jede Menge Mythen darüber, was die Periode ist. Besonders unter Männern herrscht der Irrglaube, dabei handele es sich um eine Krankheit oder etwas Unreines.

Rayka Zehtabchi, Regisseurin
Woher genau kommt das Tabu und zu welchem Grad beeinflusst es das Leben der Menschen in Indien?
Rayka Zehtabchi: Als wir für die Dreharbeiten nach Indien flogen, hatten wir die tolle Möglichkeit, Hunderte von Menschen zu befragen, die menstruieren, und zu verstehen, was es mit dem Periodentabu auf sich hat. Einer der Gründe, die wir oft zu hören bekamen, war, dass wenn eine Person in die Pubertät kommt und erwachsen wird, sie automatisch auch zur Zielscheibe sexueller Gewalt und Belästigung wird. Deswegen versuchen viele Eltern, das Einsetzen der Periode bei ihren Kindern so lange wie möglich geheim zu halten. Dann versuchen sie, vor allem ihre Töchter schnell zu verheiraten, weil ihnen das als die sicherste Option scheint.
Ein anderer Grund ist, dass es insbesondere in ländlichen Gegenden wie der, in der wir waren, kaum Zugang zu Hygieneprodukten gibt. In den Dörfern gibt es vielleicht einen Shop und da gibt es dann mit Glück ein paar Binden zu kaufen. Wo Menstruation und Intimhygiene so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, wird auch nicht darüber gesprochen. Es gibt jede Menge Mythen darüber, was die Periode ist. Besonders unter denjenigen, die keine Periode haben, herrscht der Irrglaube, dabei handele es sich um eine Krankheit oder etwas Unreines. In der hinduistischen Religion ist es menstruierenden Frauen verboten, den Tempel zu besuchen, denn sie gelten als schmutzig.
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Das ist also ein komplexes Thema, in das diverse andere große Themen reinspielen: Kultur, Religion und die Sicherheit junger Frauen, insbesondere in ländlichen Gegenden.
Welche Reaktionen folgten auf die Doku? Habt ihr noch Kontakt zu den portraitierten Personen?
RZ: Wir haben durchweg positive Reaktionen erhalten, besonders von den Betroffenen, die in dem Film zu Wort kommen. Nachdem wir den Film veröffentlicht hatten, konnten wir in den Nachbardörfern noch zwei weitere Maschinen aufstellen. Wir haben einfach gesehen, dass der Bedarf danach sehr groß ist. Wir haben viel mit den Menschen vor Ort gesprochen und auch mit Action India, einer NGO, die bei diesem Projekt wirklich eine maßgebliche Rolle gespielt hat.
MB: Eine Frau aus dem Film, Rheka, hat das Geld, das sie mit Hilfe der Bindenmaschine verdient hat, in ihre Aufnahmeprüfung für die Polizei gesteckt. Auch andere Frauen konnten ihren selbst verdienten Lohn in ihre Karrierepläne investieren. Eine würde gerne im medizinischen Sektor arbeiten, eine andere möchte Geschäftsfrau werden. Beide sind dank des Projektes auf dem Weg dorthin, ihre Ziele zu erreichen.
RZ: Als ich 2017 das erste Mal in Indien war und Rekha traf, wollte sie nicht mit mir über die Periode sprechen. Sie hat komplett dichtgemacht. Die anderen standen sehr kurz vor der Hochzeit und hätten dann angefangen, Familien zu gründen. Es war einfach keine andere Option für sie in Sicht. Es berührt mich sehr zu hören, dass eine von ihnen jetzt Medizin studieren möchte, weil es zeigt, was für eine große Entwicklung sie durchlebt haben.
Weitere Informationen darüber, wie du dich beteiligen kannst, gibt es auf der Seite der Initiative Pad Project.
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