Ich bin 31 und die #DirtyThirty Kolumne ist somit Vergangenheit. Ein neues Lebensjahr will neue Ziele haben, deswegen habe ich mir überlegt: Ich probiere etwas aus. Und mit etwas ist in dem Fall nicht eine Sache gemeint, sondern mehrere, verschiedene Dinge. Dinge, die man vielleicht sonst nicht einfach so ausprobiert, die einen aber doch irgendwie interessieren. Die neugierig machen, aber vielleicht klischeebesetzt sind oder ein bisschen Mut erfordern. Von denen man gehört hat, es aber selbst noch nicht getan hat. Das will ich ändern – und euch davon erzählen. Fangen wir mit Experiment eins an: Ich war bei der Yoni-Massage!
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Yoni? Bitte was? Wollte sie Yoga schreiben? Nein! Die ein oder andere hat vielleicht im Zuge des Durchblätterns hiesiger Frauenzeitschriften schon mal davon gehört: Yoni, das ist der tantrische Begriff für die weiblichen Genitalien (Vulva, Vagina und Uterus). Und die werden im Zuge eben so genannter Massage ... nun ja, massiert. Berührt. Gestreichelt und so weiter.
Dafür habe ich mich in die Hände von Julia von MyTemple begeben. Aber alles der Reihe nach:
Das Haus in dem Julias Massagestudio beheimatet ist, sieht von außen ein wenig dubios aus: Viel Graffiti, bunt, ein bisschen chaotisch und heruntergekommen, was meiner steigenden Anspannung nicht unbedingt zu Gute kommt. Drinnen sieht es ganz anders aus: Julia ist eine attraktive Blondine, die mich mit einem sanften, aber bestimmten Händedruck begrüßt. Das Zimmer in dem wir uns unterhalten und ich später auch die Massage bekomme, ist hell und gemütlich, es gibt einen Kamin, eine Couch und auf dem Boden große Matten, der ganze Raum wirkt heimelig und warm. Julia spricht mit einer ruhigen, aber bestimmten Stimme, was einem die Nervosität schnell nimmt.
Als Protagonist oder Gast bestimmt man selbst, wo die eigenen Grenzen legen, aber auch Julia kann entscheiden, was passend ist. Bei Tantramassagen geht es nicht immer auch um die Massage der Yoni oder des Lingam, was den Penis des Mannes bezeichnet. Vielmehr geht es um die ganzheitliche Ebene, um die Gesamtheit des Körpers, aber auch den Geist und das Empfinden der Person. Darum, sich selbst zu spüren und bei sich selbst aufzuräumen, das kann sowohl körperlicher als auch geistiger Natur sein. Eine Lomi Lomi-Massage zum Beispiel kommt ganz ohne Sexualenergie aus. Die gehört zwar nicht zum Tantra, sondern ist eine Methodik aus Hawaii, teilt mit dem tantrischen Ansatz aber den gemeinsamen Nenner Liebe und ganzheitliches Behandeln. Die tantrische Yoni-Massage wird dem roten Tantra (arbeiten mit Sexualenergie zugeordnet) und steht im Gegensatz zu weißem Tantra, dem "Kundalini Yoga", wo es ohne Anfassen um das energetische Verweben und Verbinden geht.
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Julia selbst hat ihre Ausbildung an mehreren anerkannten Ausbildungsinstituten gemacht, viele Seminare belegt und auch heute noch bildet sie sich weiter. „Die Arbeit ist im ständigen Wandel und verändert sich immerzu. Viel hängt auch vom eigene Zustand ab: Massiere und erlebe ich energetisch oder sanft? Wonach ist mir gerade?“, erklärt sie mir im Gespräch. Ihre Kunden sind tendenziell mehr Männer, aber auch Frauen finden ihren Weg in Julias Studio – so wie ich jetzt für den Artikel. „Man geht auf eine tiefe innere Entdeckungsreise – oft haben beispielsweise physische Probleme ganz klar tiefere Gründe und beim Tantra geht es eben nicht nur darum, den Körper zu spüren, zu entspannen, zu erregen, sondern in einen Einklang mit dem Geist zu bringen.“
Seit den 80er Jahren wird das so genannte Neo-Tantra immer bekannter und gerade in den letzten Jahren, in denen die Themen female empowerment und damit verbunden auch sexual empowerment immer präsenter geworden sind, existiert plötzlich auch das Thema Yoni-Massage in den Köpfen des Mainstreams. „Es gibt immer ein Vorgespräch bei einer Tantramassage, denn das ganze Prozedere ist sehr intim. Ich möchte wissen, mit welcher Intention der Gast gekommen ist. Welche Erwartungshaltung er mitbringt – denn die könnte zu einem Problem werden“, erklärt Julia. „Man erwartet am besten erstmal nichts. Lässt sich darauf ein, erlebt, lässt sich treiben.“ Oftmals erklären Gäste ihre Grenzen oder Wünsche, Julia merkt aber bei der Massage selbst, dass der Körper eben etwas ganz anderes will. Und berücksichtigt diese nonverbalen Wünsche ebenso.
Dass ich gezielt wegen einer Yoni-Massage komme, ist also nicht ganz ideal. Eigentlich würde Julia mich gern erstmal so massieren und bei einem zweiten Termin dazu übergehen. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier.
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Ich bekomme eine Art Sarong und habe Zeit, mich in Ruhe umzuziehen. Was mich am meisten überrascht, ist, dass Julia bei der Massage ebenfalls nackt ist. Das gibt mir im ersten Moment ein seltsames Gefühl, als sie es erklärt, wird verständlich wieso: „Hier begegnen wir uns auf Augenhöhe und es soll nicht einer überlegen sein. Wir sind gleich verletzlich und gleich nackt.“ Das macht irgendwie Sinn, weil sich dann nicht einer schämen muss, vor dem anderen nackt zu sein. Mir persönlich wäre eine bekleidete Masseurin glaube ich dennoch lieber gewesen – obwohl ich generell eher wenig Probleme mit Nacktheit habe. Zuerst geht es darum sich zu erden, wir sitzen uns im Schneidersitz gegenüber, atmen tief ein und aus, kommen zur Ruhe. Danach lege ich mich auf die gemütliche Matte und versuche mich zu entspannen. Meinen Körper auf Kommando entspannen und mir befehlen einfach locker zu lassen, kann ich gut. Mit meinem Geist sieht es anders aus. Ich denke immerzu nach: Was kommt jetzt? Wie viel Zeit ist vergangen? Wieso passiert jetzt das? Wieso atmet sie so laut? Manchmal muss ich lachen, weil die Situation eben doch ein wenig befremdlich ist: Splitterfasernackt vor einer fremden Frau zu liegen und angefasst zu werden. Und eben nicht auch anfassen und interagieren, wie es beim Sex der Fall wäre – und da begegnet man ja durchaus auch mal nackt fast völlig fremden Personen. Die Massage an sich ist angenehm. Julia benutzt ein wohlriechendes Massageöl, achtet darauf, dass ich nicht friere, massiert Arme, Beine, Oberkörper, Brüste, Kopf. Sexuell kommt mir daran wenig vor. Die Massage dauert gut zwei Stunden – und das ist nur die kurze Version. Um sich komplett zu entspannen und fallen zu lassen, sind auch mal vier Stunden nötig. Weil es eben mein Ziel ist, auch wenn ich keins haben soll, die Yoni-Massage auszuprobieren, damit ich euch davon berichten kann, kommen wir auch dazu. Ich muss zugeben, irgendwie ist es seltsam, dass da jemand völlig fremdes in meinem Intimbereich herumwerkelt. Eigentlich ja nicht anders als ein anonymer ONS mag man denken, aber eben doch: Die eigenen Sinne sind klar, man selbst berührt den anderen nicht und es ist eben doch eine Massage der Vulva und Vagina. Im Nachhinein erfahre ich, dass Julia, als sie eine kurze Welle der Erregung oder Energie gespürt hat, absichtlich in den Modus „entspannende Yoni-Massage“ gewechselt hat. Vielleicht war das auch mein „Problem“. Ich konnte mir durchaus vorstellen, mich fallen zu lassen und eventuell sogar einen Höhepunkt zu erleben, und so ganz ohne sexuelle Aspekte war es eben doch eine Massage, die ein wenig befremdlich war – für mich persönlich zumindest.
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Ich gebe zu, ich habe mit Spiritualität ein bisschen ein Problem. Vielleicht ist das auch das falsche Wort: Nennen wir es eine Grundskepsis, die mich sicherlich auch blockiert, mich auf Dinge einzulassen. Aber ja, sicher ist es seltsam, wenn jemand dich quasi penetriert und dann fragt, ob der Druck okay ist. Vielleicht auch, weil all meine Sinne hellwach waren – ich wollte ja bloß nichts verpassen, weil ich euch alles im Detail wiedergeben möchte.
Das haben wir beide gemerkt – Julia ebenso wie ich. Dass es schwierig ist, vom Interviewmodus und einem angezogenen Gespräch auf nackt, Massage und „fallen lassen“ zu schalten. Noch mehr habe ich gemerkt, dass es nahezu unmöglich ist, da als reiner Profi aus beruflicher Sicht ran zu gehen. Man gibt immer auch viel Persönliches preis, ist auch Privatmensch mit seinen ganz eigenen Gedanken, Problemen, Blockaden. Das sagt auch Julia: „Was ich für den Mensch Maren als richtig empfinde und was ich ihm geben würde, ist sicherlich etwas völlig anderes als wenn ich die Persona Maren, die Journalistin, vor mir habe. Das zu trennen ist nicht möglich und daher war die Massage ein bisschen unzufriedenstellend – für beide Seiten.“ Und auch diese Aussagen zeigen mir, dass ich mit Julia einen echten Profi vor mir habe. Hier geht es nicht um das Geschäft oder um eine einfach Dienstleistung, sondern um das Gefühl. Und zwar irgendwie auch auf beiden Seiten. Das ist nicht immer so: Seit der kleine Hype um die Yoni-Massage gestartet ist, springen viele auf den Zug auf. Im Internet habe ich etliche eher unseriöse Studios gefunden, Privatpersonen; ja, sogar professionelle Saunaclubs, die daneben auch noch ganz andere Leistungen im horizontalen Gewerbe anbieten. Bei Julia im Studio arbeiten ausschließlich Frauen. Alle mit einer guten Ausbildung in dem Bereich und bestimmten Fachgebieten. Wer also ausprobieren will, was es mit Tantra so auf sich hat, der ist hier genau richtig, denn bei MyTemple wird sensitiv und professionell auf das Thema eingegangen.
Als ich das Studio verlasse, fühle ich mich ein bisschen seltsam. So richtig beschreiben, wieso, kann ich nicht. Natürlich will jetzt jeder, der davon wusste, hören wie es war und sich angefühlt hat und sowieso, war es seltsam? Ich nehme mir Julias Rat zu Herzen und schalte für eine halbe Stunde mein Handy aus, laufe ein paar Blocks zu Fuß und atme durch. Das mit dem Aufschreiben wird gar nicht so einfach, vermutlich muss man es einfach selbst ausprobieren. Fakt ist: Das hier war anders. Und ganz und gar weg zu denken aus irgendeiner schmuddeligen Ecke. Spiritualität und ich. Wir müssen uns vermutlich noch ein wenig beschnuppern.
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