Warum alle gerade von der „Schwangerschafts-Nase“ reden

TikTok liefert uns immer wieder absurde Schönheitsideale – und es ist mal wieder soweit: Gerade kursieren zahlreiche Vorher-Nachher-Videos dazu, wie sehr eine Schwangerschaft die Form und Größe der Nase einer schwangeren Person verändern kann, und viele Kommentare darunter klingen schockiert und überrascht.

Die meisten Videos beginnen mit Text à la: „Ich kann es gar nicht abwarten, schwanger zu werden – ich werde so süß aussehen!“, meist kombiniert mit Selfies vor der Schwangerschaft. Darauf folgen dann jedoch Fotos von direkt vor der Geburt, oft mit grimmigem, müdem Gesichtsausdruck… und einer größeren Nase.

Tyreece Gilligan ging letztens mit ihren eigenen Throwback-Fotos viral, mit denen sie zeigte, wie sehr sich ihre Nase im Laufe der Schwangerschaft mit ihrem Sohn Noah verändert hatte. Das Video mit dem schlichten Titel „RIP“ bekam innerhalb einer Woche Millionen von Likes und Views.

„Anfangs fiel mir gar nicht auf, wie sehr sich meine Nase veränderte. Erst in der Mitte meines zweiten Trimesters bemerkte ich, dass ich schwerer atmen konnte“, erzählt sie gegenüber Refinery29. Sie hatte zwar festgestellt, dass ihre Nase ein bisschen angeschwollen war, glaubte aber, sie sei einfach krank; schließlich war es Winter und die Schwangerschaft beeinflusste ihr Immunsystem. „Die Nase wurde aber immer größer. Mein ganzes Gesicht schwoll an“, sagt sie und vermutet, das habe an dem ganzen zusätzlichen Blut gelegen, das ihr Körper damals produzierte, und an den zahlreichen Blutgefäßen in ihrer Nase.

„Ich konnte nicht wirklich was dagegen tun. Meine Ärztin konnte mir auch nicht groß weiterhelfen. Erst als ich mir nach der Geburt alte Fotos anguckte, wurde mir klar, wie groß der Unterschied war“, sagt sie. Mit der Zeit kehrte ihre Nase aber zu ihrer alten Größe zurück.

Unter einem ähnlichen Video von @heyosato, das inzwischen über 24 Millionen Mal gesehen wurde, finden sich viele Kommentare zu ihrer Schwangerschaftsnase wie „Oh Gott, hab mich voll erschreckt!“ und „Neue Angst entdeckt“. Einige schreiben, sie seien froh, das während ihrer eigenen Schwangerschaft nicht erlebt zu haben; viele erzählen aber, das Phänomen zu kennen. 

Der Trend hat inzwischen sogar eigene Reaktionsvideos hervorgerufen, inklusive eines Videos namens „POV: Du hast gerade von der Schwangerschaftsnase erfahren“, in dem eine Frau ihre eigene Nase panisch zur Vorbeugung mit einem Gua-Sha-Stein massiert. Andere filmen ihre Nasen während der Schwangerschaft und betiteln die Videos mit: „Es geht los“. 

Aber ist was dran an dem Phänomen? Ja: Es gibt die Schwangerschaftsnase tatsächlich. Sie ist aber kein Grund zum Fürchten. Die Allgemeinmedizinerin Dr. Michela Soren erklärt uns, dass sich eine Schwangerschaft durch die veränderten Hormone und den verstärkten Blutfluss auf den ganzen Körper auswirken kann. 

„Bei der Nase kann der stärkere Blutfluss dazu führen, dass die Nase leicht angeschwollen aussieht. Gleichzeitig können sich die Innenwände der Nase entzünden. Dadurch entsteht eine Verstopfung, die sich so ähnlich anfühlen kann wie Heuschnupfen oder eine Erkältung“, sagt sie. Diese Nasenveränderungen sind ihr zufolge recht weit verbreitet und betreffen rund 20 Prozent aller Schwangeren.

„Wie stark diese Veränderungen ausfallen, variiert enorm. Manche haben morgens nur leichten Schnupfen, andere hingegen deutliche Schwellungen und verstopfte Nasen, die nach außen hin erkennbar sind“, fährt Dr. Soren fort. „Glücklicherweise sind diese Veränderungen kein Symptom für etwas Schlimmes, sondern eher einfach nur nervig. Die größte Sorge dabei ist die Verstopfung der Nase, die Infektionen wie eine Nasennebenhöhlenentzündung begünstigen kann. Dazu kommt es aber nur selten.“

Dr. Soren betont, dass all diese Nasenveränderungen nur vorübergehend sind und sich nach der Geburt schnell wieder zurückbilden – in manchen Fällen nach ein paar Tagen, in anderen nach ein paar Wochen. Wer sich aber wegen der veränderten Nase während der Schwangerschaft Gedanken macht, sollte darüber unbedingt mit einem Gynäkologen bzw. einer Gynäkologin (oder dem Hausarzt/der Hausärztin) sprechen.

„Alle Schwangeren sollten sich bewusst sein, dass diese Veränderungen auch wieder vergehen und meist nicht sehr stark ausfallen. Oft bemerken andere sie nicht mal“, sagt Dr. Soren. „Wer sich dennoch Sorgen macht, sollte sich damit einem:einer Mediziner:in anvertrauen, der:die individuelle Ratschläge geben kann.“

Wir alle wissen, dass eine Schwangerschaft enorme Auswirkungen auf den Körper haben kann – auch bis lange nach der Geburt –, von geschwollenen Beinen und Pos bis hin zu schlaffen Brüsten. Trotzdem sorgt der Schock rund um die #pregnancynose für eine weitere Unsicherheit, über die sich Schwangere den Kopf zerbrechen können, obwohl sie ja ohnehin schon körperlich und mental stark ausgelastet sind. Es ist eine Sache, eine Veränderung durchzumachen, die du nicht kontrollieren kannst – aber eine ganz andere, wenn Millionen von Menschen rund um den Globus dazu ihren Ekel äußern. Vor allem, weil Schwangeren schon (zu Unrecht!) eingeredet wird, ihre Gewichtsschwankungen seien Grund zur Sorge.

Ein großer Teil von Beauty-Content dreht sich um eurozentrische Schönheitsideale und verteufelt nicht-westliche Gesichtszüge – und das gilt auch für diesen Trend. In der Diskussion rund um die Schwangerschaftsnase wird deutlich, dass kleinere Nasen als begehrenswert gelten, breitere Nasen (die oft in ethnischen Minderheiten vertreten sind) hingegen als weniger schön. Wie auch die TikTok-Userin @lxssnxssie in einem Video mit fast einer Million Views ausdrückt, scheinen sich viele #pregnancynose-Betroffene um eine Nase zu sorgen, die den breiteren Nasen Schwarzer Menschen oder anderer people of color ähnelt. „Die ‚Schwangerschaftsnase‘ sieht einfach wie eine Schwarze Nase aus. Ich hasse diese App“, heißt das Video. „Meine natürliche Nase sorgt auf TikTok für Schock? Bye.“