So oft verbringen wir unsere Leben damit, uns Gedanken über die Form und Veränderung unserer körperlichen Erscheinung zu machen. Dann, eines Tages, passiert etwas, das uns dazu zwingt, unsere Körper, unser Essen und unsere Körperlichkeit in einem ganz neuen Licht zu sehen. Marie Holmes' Reise, die ich hier sehr gerne teilen möchte, ist ein schönes Beispiel dafür. — Kelsey Miller
Ich glaube, das erste Mal, dass ich eine Frau über ihr Gewicht jammern hörte, war, als ich in der Gebärmutter war — meine Mutter klagte über ihr Schwangerschaftsgewicht und mich, die der Grund dafür war.
Ich erinnere mich daran, wie sie mir als Kind gesagt hat: „Ich habe heute gut durchgehalten. Alles, was ich gegessen habe, waren ein Joghurt und ein Salat."
„Ich bin fett.“ „Ich sollte das nicht essen.“ „Nimm mir das weg, bevor ich noch mehr esse.“ Während ich aufwuchs, hörte ich diese Dinge jeden Tag — nicht nur von meiner Mutter, sondern von scheinbar jedem. Ich dachte, dass es einfach das war, was es bedeutete, den Körper einer Frau zu haben: der ständige Kampf, seine Begierden zu unterdrücken.
Bis ich 13 war, war es meine tägliche Routine, alle Kalorien zu zählen, die ich meinem Körper zugeführt hatte und um 5:30 Uhr aufzuwachen, um einige davon vor der Schule wieder abzulaufen. Mit dem Älterwerden wurde mir bewusst, dass die Ideale von Schlankheit willkürlich und erdrückend sind — und dennoch konnte ich sie nicht loslassen. Das Zählen und Tadeln spielte sich wie eine Dauerschleife in meinem Kopf ab, nicht einmal nur als Hintergrundgeräusch, sondern ganz vorne, als dominierender Hauptgedanke.
Als Erwachsene begriff ich, dass sich nicht jeder dem Essen auf diese Art näherte, aber inzwischen war es eine unverwüstliche Gewohnheit. Zu versuchen, über die Kalorienanzahl jeder Speise hinweg zu schauen, klang für mich ebenso wahrscheinlich wie das Kauen zu vergessen. Ich fühlte mich, als würde man von mir verlangen, Linkshänderin zu werden oder zu lernen, auf allen Vieren zu laufen.
Dann geschah etwas, das mich zum Lernen zwang.
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Ein Baby wollte ich mindestens so sehr, wie ich dünn sein wollte. Als meine Partnerin Sarah und ich begannen, die Möglichkeit zu erkunden, dass ich unser Kind austrug, schien das ganze Projekt maßgeschneidert für mein zwanghaftes Bedürfnis nach Körperkontrolle zu sein.
Ich begann, meine Basaltemperatur zu verfolgen und meinen Körper auf andere Zeichen des Eisprungs zu prüfen. Es stellte sich heraus, dass es keine anderen als meine monatliche Blutung gab. Etwas stimmte nicht. Wir vereinbarten einen Termin mit einem Fruchtbarkeitsspezialisten, der mir sofort sagte, dass ich aufhören sollte zu laufen.
„Aber ich bin nicht untergewichtig“, protestierte ich. „Ich bin nicht einmal nahe dran!“
„Das spielt nicht unbedingt eine Rolle.“ Der Arzt zuckte die Schultern. „Jeder ist anders.“
Ich wusste, dass Sportler und Menschen mit Magersucht oft keinen Eisprung mehr haben. Aber ich war eine Joggerin, keine Athletin, und eine Kalorienzählerin, nicht magersüchtig. Ich aß alles (und zählte im Kopf mit, während ich es tat). Ich wollte nicht glauben, dass mein Körper mehr Fett brauchte, um das Östrogen zu entwickeln, das für den Eisprung nötig ist. Um Gottes Willen, die rohrartige Nicole Richie hatte gerade eine Schwangerschaft bekanntgegeben! Der Arzt hatte geraten und lag wahrscheinlich falsch, sagte ich mir und meiner Partnerin. Und ich rannte weiter. Ich musste. „Wenn ich meine wachsame Routine aufgebe, verliere ich dann nicht die Kontrolle über alles?“
Wir suchten eine andere Expertin auf, eine lesbische Hebamme in San Francisco, die Kompetenz bei der Spender-Empfängnis beanspruchte. Als auch sie mir sagte, dass ich aufhören sollte zu laufen, begann ich endlich, den Gedanken ernst zu nehmen.
Ich trat meine Laufschuhe auf die Rückseite des Schranks. Ich war eine Weile rastlos und mürrisch, aber ich kanalisierte all diese aufgestaute Energie in die bevorstehende Insemination und lernte, mich für denselben Trost, den mir das Laufen geboten hatte, auf Yoga-Kurse zu stützen. Ich versprach mir selbst, dass ich nach der Schwangerschaft (oder wenn ich niemals schwanger werden würde, wie ich befürchtete) wieder dazu zurückkehren könnte, so lange und hart, wie ich wollte. Meine größte Angst war jedoch, dass ich ohne das Laufen nicht leben könnte. Dass ich, wenn ich einmal aufgehört hatte, möglicherweise niemals in der Lage sein würde, wieder damit anzufangen. Was würde dann aus mir (und meinem Körper) werden?
Auf Wunsch der Hebamme zwang ich mich, die Kalorienangabe auf Nährwertkennzeichnungen zu umgehen und stattdessen darauf zu achten, wie viel Protein und Ballaststoffe verschiedene Nahrungsmittel enthielten. Ich fütterte mich mit zuvor verbotenen Dickmachern wie Nüssen und Eigelb und rotem Fleisch. Wenn ich etwas Sättigendes aß, merkte ich, dass ich mich nicht um den Kampf gegen das Verlangen bald danach sorgen musste — denn wenn ich eher aß, was gut klang, und nicht das, was kalorienarm klang, hörte ich auf, die ganze Zeit so hungrig zu sein.
Trotzdem schlugen die erste und zweite und dritte Insemination fehl. Obwohl ich niemals rannte und aß, wann immer ich wollte, war ich nicht schwanger. Seltsamerweise hatte ich auch keinerlei Gewicht zugenommen. Ich sah genauso aus wie immer. All diese Jahre, dachte ich, all das Rennen, Zählen, Händeringen und der Hunger — es machte keinen Unterschied. Es gab so viele wertvolle Dinge, die ich mit meinem Körper und Geist hätte tun können, wenn ich nicht im Kreislauf aus Gewicht, zählen, essen, strafen und wiederholen gefangen gewesen wäre.
Zu der Zeit war ich jedoch zu sehr damit beschäftigt, schwanger zu werden, um diese Offenbarung zu registrieren. Viele Monate mit Fruchtbarkeitsbehandlungen folgten; ich schwankte zwischen Hoffnung und Verzweiflung und fühlte mich mit jedem einzelnen Zyklus, als ob ich mich verlieben und dann sitzen gelassen würde. Ich weinte oft und ohne Vorwarnung. Eine hochschwangere Frau saß eines Tages im Yoga-Kurs neben mir und ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht zu schreien: „Es gibt einen Geburtsvorbereitungskurs! Geh in den Geburtsvorbereitungskurs und halte dich fern von mir!“
Nach einem Jahr der Fehlschläge hätte ich gegessen oder nicht gegessen oder wäre gerannt oder hätte vollkommen stillgelegen, wenn ich dachte, dass es eine Chance gab, mich schwanger zu machen. Während der Tage, die zur Eierrückgewinnung auf unserer zweiten Runde IVF führten, machte ich nur sanftes, stärkendes Yoga. Ich weiß nicht mal mehr, was ich gegessen habe.
Zwei Wochen später lächelte mich die Krankenschwester an und sagte: „Sie sind schwanger.“ Ich fiel sprachlos nach hinten, auf den Untersuchungstisch. Alles, was ich sagen konnte, war „Ohmeingottohmeingott!!!“ In diesem Moment hätte man mir auch sagen können, dass ich durch die Schwangerschaft noch 50kg zunehmen würde, es hätte mich nicht interessiert.
Ich habe keine 50 Kilo zugenommen. Es waren durchschnittliche 15, und ich habe mir jeden Bissen gegönnt, auf den ich Lust hatte, und währenddessen zufrieden auf meinen wachsenden Bauch gestarrt. Alle meine Sorgen, das notorische Zählen und Reflektieren, waren wie weggeblasen, und ich machte weiterhin regelmäßig leichten Sport. Oft bin ich auch einfach nur mit dem Hund rausgegangen.
Die ersten Monate nach der Geburt unseres Sohnes verbrachte ich im Schlafanzug. Ich war zu involviert, zu verliebt in diesen kleinen Menschen, zu beschäftigt. Aber kurz, bevor ich wieder anfing zu arbeiten, dämmerte mir, dass ich neue Kleidung brauchen würde.
„Da haben wir’s“, dachte ich. „Das Baby ist da, und der Hass auf den eigenen Körper noch einmal einsetzt, dann im grellen Licht einer Umkleidekabine.“
Ich sah mich zum ersten Mal nach langer Zeit in einem Ganzkörperspiegel. Ich erkannte mich zwar wieder, hatte mich aber verändert. Ich war schwerer, meine Hüften schienen breiter. Ich hatte noch einen Mini-Babybauch. Alles in Allem sah ich etwas runder aus, weniger streng, und definitiv sehr mütterlich. Ich brauchte nun etwas größere Kleidung, aber ich fand eine Hose, die gemütlich saß und nach genauerem Hinsehen auch noch gut an mir aussah. Ich sah nicht mehr zu dünn aus, und auch nicht aufgepumpt. Ich sah aus wie eine Mutter, wie ein Mensch, ganz normal. War es nicht das, was ich all die Zeit wollte?
Jetzt, da mein Körper mir ein Kind geschenkt hatte, hatte er nicht doch ein wenig Güte verdient? Konnte ich nicht endlich Frieden mit ihm schließen?
Es gab Momente, in denen ich befürchtete, dass mich die vermeintliche Unfruchtbarkeit ruinieren, mich depressiv, frustriert und böse machen würde. Ich hatte Angst, dass sie meine Beziehung zerstören würde. Aber so schmerzvoll der gesamte Ablauf auch war, diese Unfruchtbarkeit – nicht die Schwangerschaft oder das Muttersein – hat es geschafft, mich aus dem permanenten Kampf mit meinem Körper zu befreien.
Mein momentaner Geisteszustand ist weit davon entfernt, vollkommen geheilt oder gar beispielhaft genannt werden zu können. Dafür gibt es noch zu viele Dinge, von denen ich besessen bin, die zu viele meiner Gedanken und Sorgen einnehmen. Aber dass ich dieses Monster besiegte, das ich Tag ein, Tag aus im Spiegel zu sehen glaubte, fasziniert mich noch immer. Und obwohl ich durch die Hölle gehen musste, um diese neue Art der Betrachtung zu lernen, kann ich mir keinen anderen Weg vorstellen, der mich das gelehrt und mir beim Überwinden meiner Körperbesessenheit geholfen hätte.
Unser Sohn ist jetzt sieben Jahre alt, und wir haben eine zweijährige Tochter. Als eine Mutter, die oft mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt ist und sich zeitweise überwältigt fühlt, kommt es nun doch dazu, dass ich manchmal Dinge tue, denen ich eigentlich nie verfallen wollte: Ich besteche meinen Sohn mit Süßigkeiten, lasse meine Tochter mit dem iPad spielen. Doch in anderen Bereichen bin ich felsenfest von mir überzeugt und sicher, dass ich meinen Kindern zumindest immer eine Sache garantieren kann: Dass sie eine Mutter haben, die isst, wenn sie hungrig ist.