Sozialpsycholog*innen verbringen einen Großteil ihres Berufslebens damit, Menschen unbemerkt in Testsituationen zu beobachten, um herauszufinden, wie sie ticken. Den Eindruck habe ich zumindest, nachdem ich das Buch Vor dem Denken: Wie das Unbewusste uns steuert des Yale-Professors John Bargh gelesen habe. Mit Hilfe von Sozialexperimenten findet der Forscher heraus, welche kleinen menschlichen Eigenheiten unser Zusammenleben bestimmen und wie unser Gehirn das Unterbewusstsein und Emotionen steuert. Wir haben einige der schrägsten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Prof. Dr. Barghs Buch für dich zusammengefasst.
1. Du solltest Menschen immer nur dann kennenlernen, wenn sie ein Heißgetränk in der Hand halten
Das Experiment lief folgendermaßen ab: Teilnehmer*innen treffen auf ihrem Weg zum Labor der Yale University einen Mann in einem Aufzug. Was sie nicht wissen, ist, dass der Mann ein Wissenschaftler ist und das Experiment jetzt schon beginnt. Der Mann hält bei dieser Versuchsanordnung entweder einen heißen Kaffee in einem Pappbecher oder einen Iced Coffee in einem Plastikbecher in der Hand und bittet die oder den Studienteilnehmer*in, den Becher für zehn Sekunden zu halten, während er etwas in seinem Koffer sucht.
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Nachdem sie dann im Labor angekommen sind, werden die Teilnehmenden aufgefordert, die Beschreibung einer ihnen unbekannten Person durchzulesen und danach zu sagen, was sie über sie denken. Diejenigen, die den heißen Kaffee gehalten haben, bewerteten die Person wesentlich positiver als die, denen der Eiskaffee in die Hand gedrückt wurde.
Dieses Ergebnis unterstützt Barghs These, dass es eine Verbindung zwischen tatsächlicher, körperlich empfundener Wärme und sozialer Wärme gibt. Es ist wahrscheinlicher, dass du jemanden magst, wenn dir beim Kennenlernen warm ist. Bei Bewerbungsgesprächen oder ersten Dates solltest du deswegen am besten einen warmen Kaffee dabei haben, um ihn deine*r zukünftigen Chef*in oder Partner*in direkt mal am Anfang in die Hand zu drücken – sicher ist sicher.
2. Trage niemals einen Bikini in einer Matheklausur
Dieses Experiment ging so: Zunächst wurden die Teilnehmer*innen in eine Männer- und eine Frauengruppe aufgeteilt. Die jeweiligen Gruppen wurden dann noch einmal in der Mitte geteilt. Die eine Hälfte bekam Schwimmbekleidung, die sie anziehen sollte, die andere einen Pullover, den sie über ihre Kleidung ziehen sollte. Anschließend wurden die Teilnehmenden gebeten, sich in einem Ganzkörperspiegel zu betrachten und sollten dann in einem Fragebogen angeben, was sie von ihrem Körper halten. Danach mussten sie einen Mathetest schreiben. Die Frauen, die die Schwimmbekleidung trugen, schnitten in diesem Test wesentlich schlechter ab (durchschnittliche 2,5 richtige Antworten) als ihre Counterparts in den Pullovern (durchschnittliche 4 richtige Antworten). Die Ergebnisse der Männer blieben von deren Kleidung unbeeinflusst, hier konnte zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied festgestellt werden.
Die Forscher*innen sehen hierin den Beweis, dass Frauen, wenn sie auf ihre eigene Körperidentität aufmerksam gemacht werden, z.B. am Strand, zu der sozialen Konditionierung zurückkehren, die ihnen beigebracht hat, dass sie ihren eigenen Wert anhand ihrer physischen Attraktivität und nicht anhand ihrer Intelligenz beurteilen sollen.
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3. Es ist normal, wenn du irgendwann aussiehst wie dein*e Lebenspartner*in
Wenn wir jemanden mögen oder viel Zeit mit der Person verbringen, beginnen wir, deren Gesichtsausdruck, Körpersprache und Sprachmuster nachzuahmen. Wenn wir uns also ein Paar vorstellen, das seit 30, vielleicht 40 Jahren verheiratet ist, wird’s interessant. Die Partner*innen ahmen seit Jahrzehnten täglich die Gesichtsausdrücke des anderen nach und verwenden dabei die gleichen Gesichtsmuskeln. Dadurch entwickeln sie ähnliche Faltenmuster auf ihren Gesichtern, was sie wahrscheinlich noch ähnlicher aussehen lässt als zu Beginn ihrer Beziehung. In einem Experiment wurden Proband*innen Bilder von Verheirateten an ihrem Hochzeitstag und 25 Jahre später zum Vergleich gezeigt. Sie waren alle der Meinung, dass sich die Paare nach ihrer Silberhochzeit viel ähnlicher sahen. Die Proband*innen waren außerdem in der Lage, aus einer zufällig ausgewählten Gruppe fremder Personen die zwei zu erkennen, die miteinander verheiratet waren.
4. Die Kriminalitätsrate steigt, wenn du ein Baby bekommst
Wenigstens glaubst du das… Als Elternteil bist du darauf konditioniert, dein Kind zu beschützen. Dieser Instinkt erhöht außerdem dein Gefahrenbewusstsein. Es ist also gut möglich, dass du gewöhnliche Haushaltsgegenstände wie die Zugschnur der Jalousie oder Steckdosen auf einmal als potenzielle Todesfallen für dein Baby siehst. Da du in dieser Phase eh schon superwachsam bist, wird dir der Welt logischerweise als ein wesentlich gefährlicher Ort als vor der Geburt vorkommen. In einer Umfrage unter 1.800 US-Amerikaner*innen wurde ermittelt, ob sie glauben, dass die Kriminalitätsrate sich in den vergangenen acht Jahren verändert habe. Diejenigen, die in dieser Zeit kein Kind bekommen hatten, sagten, sie sei zurückgegangen. Dies entsprach tatsächlich der Wahrheit. Waren sie jedoch Eltern geworden, waren sie der Überzeugung, die Kriminalitätsrate sei gestiegen.
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5. Wenn du traurig bist, gibst du mehr Geld aus
Starke Emotionen wie Ekel und Trauer haben einen Effekt auf unsere Bereitschaft, Geld auszugeben. In einem Experiment wurde Proband*innen eine vierminütige Szene aus dem Film Trainspotting gezeigt. In dieser geht die Hauptfigur in ein sehr dreckiges, ekelerregendes Badezimmer. Dann wurden die Teilnehmenden gebeten, aufzuschreiben, wie sie sich gefühlt hätten, wären sie an Stelle des Protagonisten in dem Bad gewesen. Die Idee dahinter ist, dass sie angeekelt sein sollten.
Anschließend wurden sie aufgefordert, anderen Proband*innen einen Textmarker zu verkaufen. Weil das Gefühl des Ekels, das vom Sehen der Toilettenszene übrig geblieben war, sie unterbewusst dazu verleitete, ihre Habseligkeiten schnell loswerden zu wollen, waren die Verkaufenden bereit, den Marker zu einem relativ geringen Preis anzubieten. Auch die Käufer*innen wollten nach der Ekel-Erfahrung nicht viel Geld ausgeben, weil sie den Textmarker unterbewusst noch mit dem Gesehenen verbanden.
Dasselbe Experiment wurde nochmals durchgeführt, diesmal aber mit einer traurigen Szene aus dem Film The Champ, in der der Mentor des Hauptdarstellers stirbt. Nachdem die Proband*innen auch hier aufgeschrieben hatten, wie sich diese Szene anfühlt, sollten sie wieder einen Textmarker zum Kauf anbieten. Das Ergebnis: Die Teilnehmenden hätten den Textmarker weiterhin billig verkauft, waren aber auf der anderen Seite interessanterweise gewillt, mehr zu bezahlen, um den Textmarker zu erstehen. Die Erklärung dahinter ist, dass sie die Traurigkeit, die sie nach Sehen der Szene empfanden, versuchten, mit Hilfe des Kaufs abzumildern. Wenn du das nächste Mal shoppen gehst, solltest du also gute Laune haben, um nicht in die Fehlkauf-Falle zu tappen.