Ich bin zwar im Chemieunterricht nicht dauernd eingeschlafen, aber eine Musterschülerin war ich auch nicht gerade. Anstatt aufzupassen, kritzelte ich lieber auf meinem Block rum. Vielleicht hätte ich ja besser zugehört, hätte meine Lehrerin etwas über den vaginalen pH-Wert erzählt. Schließlich wird mich dieses Thema mein ganzes Leben lang begleiten – im Gegensatz zum Periodensystem.
Auf jeden Fall wusste ich bis vor Kurzem nur sehr wenig über das Thema pH-Wert und was es mit meiner Vagina zu tun hat. Sollte es dir ähnlich gehen, keine Sorge: Ich gebe dir gern eine kleine Nachhilfestunde. Und ich rate dir, nicht nebenbei mit deiner Nachbarin zu quatschen, sondern aufmerksam zu sein, denn dieser Messwert ist gar nicht mal so unwichtig für deine Gesundheit! Tatsächlich kann er dabei helfen, einzuschätzen, was gerade in deinem Körper vor sich geht, sagt die Gynäkologin Dr. Sharman L. Reed.
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Was ist der vaginale pH-Wert?
Der pH-Wert gibt anhand einer Skala von 0 bis 14 an, wie basisch oder sauer etwas ist. Die 7,0 gilt hierbei als Median. Sie entspricht dem Wert von reinem Wasser. Alles darunter ist sauer, alles darüber basisch bzw. alkalisch. Der pH-Wert deiner Vagina wird durch die Bakterien aus deinem Darm, Periodenblut und äußere Reizmitteln, wie Tampons, Gleitgel oder Sperma, beeinflusst, so Reed.
Was gilt als normaler pH-Wert der Vagina?
Laut der Gynäkologin Dr. Heather Bartos geht es der Vagina am besten, wenn ihr pH-Wert unter dem des restlichen Körpers liegt – sprich, wenn sie etwas saurer ist. Generell liegt ihr normaler pH-Wert zwischen 3,8 und 4,5. Er kann allerdings auch steigen, sobald du die Menopause erreichst. „Zum Vergleich: Batteriesäure hat einen Wert von 1, Zitronensaft liegt bei 3“, sagt Dr. Bartos. Prinzipiell gilt: Deine Vagina ist am liebsten sauer.
Was passiert, wenn das vaginale pH-Gleichgewicht gestört ist?
Sofern du dir nicht gerade absichtlich eine saure Flüssigkeit wie unverdünnten Apfelessig einführst, ist es unwahrscheinlich, dass der vaginale pH-Wert übermäßig ins Saure kippt, sagt Reed. Ja, es gibt Menschen, die das tun. Und ja, das ist definitiv eine schlechte Idee. „Weil der Stoff so sauer ist, kannst du dir damit sogar die Haut verätzen“, warnt sie. „Saure Produkte verwendet man zum Beispiel für chemische Peelings.“
Aber auch ein neutraler pH-Wert kann schnell zum Problem werden. Er lässt zu, dass sich schädliche Bakterien ungehindert vermehren können. Dadurch steigt das Risiko einer Infektion wie der bakteriellen Vaginose, einer Scheidenentzündung. Dazu kann es beispielsweise kommen, indem alkalische Stoffe wie Blut oder Sperma den pH-Wert vorübergehend steigen lassen. Auch Antibiotika können ihm schaden, indem sie sowohl schlechte als aber auch gute Bakterien abtöten, die den pH-Wert eigentlich gesund und sauer halten, erklärt Reed. Dasselbe gilt für Produkte zur Intimpflege und –reinigung, insbesondere, wenn sie parfümiert sind. „Intimduschen kannst du dir sparen“, sagt Reed. „Eine saubere Vagina soll nicht nach Regenwäldern und Obstkörben riechen, sondern nach gar nichts.“
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Stimmt mit deinem Scheidenmilieu etwas nicht, erkennst du das beispielsweise an einem fischigen Geruch, Juckreiz, auffälligem Ausfluss oder eventuell sogar einem Brennen beim Urinieren, sagt Dr. Bartos. Solche Symptome können aber nicht nur mit Schwankungen des pH-Werts zusammenhängen. Also wende dich bitte an deine Frauenärztin oder deinen Frauenarzt, wenn dir etwas Derartiges wiederholt auffällt.
Wie messe ich meinen vaginalen pH-Wert?
Es gibt Tests, die du zu Hause machen kannst, aber bitte bedenke: Nicht immer deuten abweichende Werte darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Wie Reed betont, können auch Faktoren wie die Periode deinen pH-Wert schwanken lassen. Solche Veränderungen sind aber meistens temporär und die Vagina schafft es für gewöhnlich ganz allein, zum sauren Normalwert zurückzufinden. Wenn du also direkt nach ungeschütztem Sex zu Hause deinen pH-Wert misst, gerate nicht in Panik – das Ergebnis könnte so aussehen, als würde etwas nicht stimmen.
Ein Selbsttest hilft dir außerdem nicht dabei, das grundlegende Problem hinter einer langfristigen pH-Abweichung zu diagnostizieren. Am besten überlässt du den Test also deiner Gynäkologin oder deinem Gynäkologen – und vertraust deinen Intimbereich jemandem an, der oder die deutlich mehr zuverlässige Informationen parat hat.
Kann ich meinen vaginalen pH-Wert auch selbst ausgleichen?
Die gute Nachricht vorweg: Deine Vagina ist prinzipiell selbstreinigend und übernimmt den Großteil der pH-Arbeit selbst, sagt Reed. Du kannst aber auch auf Probiotika zurückgreifen, die deine Darmflora mit neuen Bakterien besiedeln. Diese Milchsäurebakterien gibt es sowohl als Nahrungsergänzungsmittel (zum Beispiel von natural elements) als auch in Lebensmitteln wie Joghurt, Sauerkraut oder Kombucha. Übrigens: Wer sich vegan oder laktosefrei ernährt, muss um Probiotika übrigens keinen weiten Bogen machen. Mit Milch bzw. Laktose haben Milchsäurebakterien nur den Namen gemein. Sie wandeln Milchzucker in Milchsäure um, wodurch Milch gerinnt und zum Beispiel zu Joghurt und Buttermilch verarbeitet werden kann.
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Hast du langfristig Probleme mit deiner Scheidenflora, schlägt Dr. Bartos vor, mit rezeptfreien Medikamenten nachzuhelfen – zum Beispiel mit Milchsäure-Vaginalzäpfchen von Vagisan.
Und wenn ich keine Medikamente nehmen möchte?
Wie gesagt: Du kannst Joghurt essen, der natürliche Milchsäurebakterien enthält. Die Betonung liegt hier allerdings auf essen. Dr. Bartos erzählt, sie habe schon von Patient*innen gehört, die sich Joghurt in die Vagina eingeführt habenen. Dadurch kann sich jedoch alles verschlimmern, denn viele Joghurt-Sorten enthalten Zucker, über den sich schädliche Hefebakterien gern hermachen.
Auf die besten natürlichen Hacks kommst du mit deinem gesunden Menschenverstand aber auch allein: Benutze Kondome und geh nach dem Sex Pinkeln. Wechsle aller vier bis acht Stunden deinen Tampon oder entleere deine Menstruationstasse. Verzichte auf parfümierte Intimprodukte. Zieh nach dem Baden den nassen Bikini aus.
Trotz zahlreicher, noch so kreativer Heilmethoden gibt es kein Allzweck-Wundermittel. Reed rät zu den Klassikern: Mit einer gesunden Ernährung und einem vernünftigen Lifestyle bist du und deine Vagina am besten beraten. Denn letztlich ist deine Vagina ein komplizierter, wissenschaftlicher, wunderschöner Mikrokosmos an Bakterien, der es verdient, sanft und rücksichtsvoll behandelt zu werden.
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