DirtyThirty: Maren Aline Merken ist 30 Jahre alt, Wahlberlinerin mit Herz für die Hauptstadt und dennoch ständig unterwegs. Ob auf Recherchereise im kunterbunten Indien, auf der Suche nach den neusten Foodtrends im lebhaften Johannesburg oder beim leicht chaotischen Familien-Kaffeeklatsch in ihrer Geburtsstadt Düsseldorf – sie ist neugierig, begeisterungsfähig, wortverliebt und gar nicht mal so spießig, wie sie sich Ü30-Frauen als Teenager vorgestellt hat. Immer hungrig auf Neues feiert sie das Leben mit der 3 vorne – und versteht bis heute nicht, wie man Angst vor dem 30. haben kann.
In meinen vergangenen Beziehungen war tendenziell ich diejenige, die deutlich mehr Geld verdient hat als mein Partner. Das lag nicht immer daran, dass meine Partner weniger lukrative Jobs hatten, sondern eher daran, dass sie im Kreativbereich tätig waren, dass sie noch studierten, während ich schon arbeitete, gerade mitten in ihren Abschlussarbeiten steckten oder vielleicht nur Teilzeit gearbeitet haben. Mir hat das immer wenig ausgemacht: Seit ich mich erinnern kann, war Arbeit immer Teil meines Lebens. Ich habe neben der Schule gejobbt und auch später im Studium. Als ich mit 23 als Freelancerin anfing, hat Arbeit natürlich einen noch größeren Platz in meinem Leben eingenommen, auch weil mein Job eben nicht nur ein Job, sondern Berufung für mich ist. Und mit viel Arbeit kommt ab einem gewissen Punkt auch ein gewisser Verdienst. Bei der Partnerwahl waren mir finanzielle Aspekte seit jeher egal. Ich habe Bekannte, die haben irgendwann gesagt, auf einen Studenten als Freund hätten sie keine Lust mehr, immer pleite, nicht mit beiden Beinen im Leben, aus dem Alter seien sie raus. Meiner Ansicht nach sagt das Alter wenig über die Lebenstüchtigkeit aus, und wenn ich jemanden mag, dann ist es mir in erster Instanz egal, ob er noch studiert oder nicht. Und vor allem: Ob er mehr, gleich viel oder weniger Geld als ich verdient. Dummerweise hatte der ein oder andere männliche Vertreter irgendwie ein Problem damit. Spätestens dann, wenn es darum ging, dass ich als Mehrverdienerin auch mehr zahlen wollte: ein bisschen mehr Miete, Urlaube, Wochenendtrips, öfter man die Restaurantrechnung. Für mich ist das normal, ich gehöre nicht zu der Sorte Frauen, die meint, Männer müssten mehr zahlen. Ich finde wir können auch jeder für uns selbst zahlen, aber wenn ich in einer festen Beziehung bin oder sogar mit einem Mann, den ich liebe, zusammenlebe, dann ist es für mich Usus, dass ich mehr bezahle, wenn ich eben deutlich mehr verdiene. Das hat auch damit zu tun, dass ein Restaurantbesuch, ein Glas Wein in meiner Lieblingsbar oder auch ein Kurztrip nach Madrid oder Riga für mich zur Lebensqualität gehört. Und die teile ich nun mal gern mit meinem Partner; habe aber ebenso Verständnis dafür, dass das als Student vielleicht nicht regelmäßig drin ist.
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Klar, bin ich damit auch schon auf die Schnauze gefallen. Ich hab nie erwartet, dass jemand ständig Danke sagt oder mir aufgrund von Geschenken oder Einladungen zu etwas verpflichtet ist, aber wenn man dann irgendwann merkt, man hat quasi jeden Urlaub allein gezahlt und andauernd eingeladen und der andere hat das ab einem gewissen Punkt einfach für selbstverständlich genommen und sich nie revanchiert (das geht nämlich auch auf andere Arten als mit teuren Geschenken oder viel Geld), dann ist das ärgerlich, aber auch ein bestehendes Risiko.
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Es scheint als würde ein niedriger Verdienst als Mann vor allem in einer Hinsicht ein Problem darstellen: Eine Art Gesichtsverlust, weil man die Klischeerolle des Ernährers nicht erfüllen kann.
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Am meisten geärgert hat mich aber, dass es wohl auch im 21. Jahrhundert nicht normal zu sein scheint, dass es die Frau ist, die mehr verdient. Auch die Familien einiger Partner fanden das befremdlich. Da wurde dann regelmäßig ausdiskutiert, dass das doch blöd sei, wenn die Freundin Dinge finanziell mittrage. Und bei den meisten dieser Familien bin ich mir zu 100 Prozent sicher, dass es anders gewesen wäre, wäre ich ein Mann und mit ihrer Tochter zusammen gewesen. Und das ist doch ausgemachter Blödsinn! Wie rückständig muss man sein, um da einen Unterschied zu machen? Schlimm genug, dass Frauen tendenziell ihr ganzes Leben lang weniger Geld verdienen als Männer in der gleichen Position, da sollte man sich doch freuen, wenn die eigene Partnerin in dem erfolgreich ist, was sie tut.
Es scheint, als würde ein niedriger Verdienst als Mann vor allem in einer Hinsicht ein Problem darstellen: eine Art Gesichtsverlust, weil man die Klischeerolle des Ernährers nicht erfüllen kann. Ein Klischee, welches im 21. Jahrhundert in unseren Breitengraden aber längst keine Relevanz mehr hat. Die aktuellsten Zahlen besagen, dass etwa jede vierte Frau in Deutschland heute in ihrer Familie die Hauptverdienerin ist – Tendenz steigend. Scheinbar sind wir aber lange noch nicht so weit, dass es normal ist, dass die Frau diejenige ist, die mehr verdient. Und das liegt vor allem an starren Rollenbildern und gesellschaftlichen Vorstellungen. Auch wenn dieser Zustand in der Beziehung selbst kein Problem darstellt, kommt es doch vor, dass im Umfeld – sei es wie erwähnt in der Familie oder auch unter Freunden oder Geschäftspartnern – die Augenbrauchen hochgezogen werden, wenn es um den Verdienstunterschied oder den Fakt geht, dass es (aktuell) eben die Frau ist, die mehr Geld nach Hause bringt.
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Es ist für einen Mann nicht unangenehmer oder angenehmer als für eine Frau, wenn es in der Beziehung ein finanzielles Gefälle gibt.
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Wenn früher im Freundeskreis Themen wie Elternzeit diskutiert wurden, dann gab es kaum einen männlichen Freund, der gesagt hätte, er bliebe zuhause mit den Kindern. Das ändert sich langsam. Ich kenne mittlerweile Männer, für die ganz klar ist, dass sie zuhause bleiben, weil die Frau an ihrer Seite schlichtweg deutlich mehr verdient. Und das ist gut so.
Aber auch wir Frauen sind an den vorherrschenden Rollenbildern nicht unbeteiligt. Es gibt genügend Frauen, die heute noch der Meinung sind, es sei wichtig, dass der Mann der Ernährer ist. Es gibt ebenso genügend weibliche Vertreter für die zum Portfolio Traummann neben einem attraktiven Äußeren, Humor und Charakter eben auch ein guter Job und ein volles Bankkonto gehören. Die eingeladen werden wollen und bei denen es zum Guten Ton gehört, dass der Mann deutlich mehr zahlt als die Frau. Bei solchen Exemplaren fasse ich mir als emanzipierte Frau an den Kopf: Wir wollen gleichberechtigt sein, ernst genommen werden, nutzen Hashtags wie #girlboss und #independentwoman und erwarten gleichzeitig, dass ein Mann die Restaurantrechnung und den nächsten Trip nach London zahlt? Come on, ladies! Ich hoffe ihr zählt nicht dazu. Denn: Es ist okay, wenn die Frau mehr verdient! Und das sollten langsam auch die Männer verstehen. #femaleempowerment
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