Was du tun kannst, wenn du dich in eine:n Freund:in verliebst

Als Ethan* am 1. Januar 2018 Jenna* kennenlernte, schien sie noch im Halbschlaf zu sein – kein Wunder, an Neujahr! Für ihn war das Treffen aber „einer dieser Momente, in dem die Engel anfangen zu singen“, erinnert er sich. Anfangs trafen sie sich immer in der Gruppe mit anderen, nach einiger Zeit aber auch zu zweit. Manchmal, wenn sie sich zusammen einen Film anschauten, legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. Und dann, nachdem sie gerade einen 11-km-Lauf hinter sich hatten, fragte er sie, ob sie mal mit ihm ausgehen würde.

„Du meinst… ein Date?“, antwortete sie – daran erinnert er sich bis heute. Zuerst sagte sie Ja, doch später schrieb sie ihm, sie wolle nicht, dass ihre Freundschaft darunter leide. Also zog sie ihre Zusage wieder zurück. „Wir erwähnten das Ganze nie wieder“, erzählt Ethan. An seinen Gefühlen änderte das jedoch nichts, und im Laufe der nächsten anderthalb Jahre kamen sie sich immer näher. „Manchmal habe ich das Gefühl, es könnte einfach aus mir rausplatzen, dass ich sie mag“, sagt er. „Ich glaube, alle wissen es – außer sie. Ist ja nicht so, als würde ich es total geheim halten.“ Wenn er sich aber vorstellt, es ihr zu sagen, bekommt er Angst. Er will sie nicht verlieren.

Ethans unerwiderte Liebe für seine beste Freundin ist perfektes Rom-Com-Material – aber auch im wahren Leben ist es gar nicht ungewöhnlich, dass sich Freund:innen ineinander verlieben, erklärt die Verhaltensexpertin und Autorin Dr. Wendy L. Patrick. Ihr zufolge gibt es Studien, die belegen, dass Vertrautheit eben auch zu Hingezogenheit führen kann; es ergibt demnach Sinn, dass wir uns in Menschen verlieben, die wir schon kennen. Das kann aber schwierig sein.

Tatsächlich kann ein Liebesgeständnis gegenüber einer Freundin oder eines Freundes nämlich zwei Reaktionen nach sich ziehen: 1) Alles läuft super, und ihr teilt euch danach „Susi und Strolch“-mäßig erstmal einen Teller Spaghetti, oder: 2) Du verlierst eine Freundschaft und schluchzt allein in deine Rigatoni. Aber wie findest du denn am besten heraus, ob dein:e Freund:in womöglich auch an dir interessiert sein könnte? Das hängt prinzipiell erstmal von eurer individuellen Beziehung ab – aber es gibt durchaus einige Guidelines.

Wie Matt Bellassai in seinem Buch Everything Is Awful und dem Essay darüber, sich in seinen heterosexuellen besten Freund zu verlieben, schreibt: „Das menschliche Gehirn macht idiotische Sachen, wenn es verliebt ist – und das selbst, wenn es sich weigert zuzugeben, dass es Liebe ist.“

Du bist vielleicht versucht, die Gefühle für deine:n beste:n Freund:in einfach zu leugnen. Dabei ist es aber besser, sie dir gründlich durch den Kopf gehen zu lassen und herauszufinden, was genau du empfindest. Sprich auch ruhig mit jemandem darüber, dem oder der du vertraust, oder bring deine Gefühle zu Papier.

Vielleicht hältst du es für eine tolle Idee, einen Liebesbrief zu schreiben oder deine Gefühle auf dramatische Art zu gestehen. Dr. Patrick zufolge ist das aber nicht die beste Idee. „In Freundschaften passiert es oft, dass eine Person vor der anderen Gefühle entwickelt“, sagt sie. Dann gilt es, vorsichtig und strategisch vorzugehen.

„Manche Freundschaften sind für das Gespräch über solche Gefühle einfach noch nicht bereit“, meint sie. „Oft ist es besser, Taten statt Worte sprechen zu lassen. Am besten lässt du es ganz langsam angehen, indem du mit strategischen Einladungen die Stimmung testest. Lade deine:n Freund:in doch zum Beispiel als Begleitung zu einem lockeren Event ein, oder nimm ihn oder sie zum Treffen mit deinen Eltern mit, wenn die dich gerade besuchen. Dadurch findest du heraus, wie wohl sich diese Person mit solchen Einladungen fühlt, und kannst beobachten, ob er oder sie sich vielleicht geschmeichelt fühlt.“ Wenn die Person eher abgeneigt ist, kannst du einfach so tun, als sei es bloß eine Bitte um einen Gefallen unter Freund:innen gewesen.

Wenn du beschlossen hast, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, empfiehlt Dr. Patrick, dir zu überlegen, was du über deine:n Freund:in bereits weißt: Was mag diese Person? Wie behandelt sie Leute, an denen sie interessiert ist? Spricht sie über dich wie über (Ex-)Partner:innen? Fühlt sie sich überhaupt zu Menschen deiner sexuellen Orientierung hingezogen?

Dr. Patrick betont außerdem, wie wichtig es ist, dabei die Persönlichkeit deines Freundes bzw. deiner Freundin zu berücksichtigen. Wenn er oder sie nur ungern über die eigenen Gefühle spricht, ist ein langes Gespräch über deine Gefühle vielleicht nicht die beste Idee. Du kennst diese Person besser als die meisten anderen – du solltest also womöglich am besten wissen, wie du idealerweise vorgehst.

Dank des alten Spielplatzklischees „Jungs ziehen den Mädchen nur an den Haaren, weil sie sie gern haben“ bewegt dich dein Unterbewusstsein vielleicht dazu, dich gegenüber der Person, für die du Gefühle hast, unfair zu verhalten. Dabei solltest du Freund:innen (oder generell andere Leute) natürlich nie so behandeln. „Es ist besser, deine Gefühle selbst in den Griff zu bekommen, anstatt sie an Unschuldigen auszulassen“, meint Dr. Patrick dazu. „Sprich mit Freund:innen, Verwandten oder Therapeut:innen über deine Gefühle, anstatt irgendwas zu tun, was du im Nachhinein vielleicht bereust.“

Ethan sagt, er habe Angst davor, Jenna seine Gefühle zu gestehen – unter anderem, weil er sie nicht verlieren möchte. Dr. Patrick zufolge kann sich eine Freundschaft aber sehr wohl davon erholen, wenn es zu einem solchen Liebesgeständnis kommt, die Gefühle aber nicht erwidert werden. Es dauert bloß seine Zeit. „Zeit heilt wirklich alle Wunden“, sagt sie. „Am besten lässt du dann erstmal ein bisschen Gras drüber wachsen und verhältst dich weiterhin ganz normal, als hättet ihr nie darüber gesprochen. Anstatt zu versuchen, den Schaden irgendwie zu begrenzen, führst du dein Leben am besten einfach weiter.“ Wenn es die Freundschaft wert ist, wird sie das auch überleben – und du genauso.