Ich erinnere mich noch sehr gut an einen bestimmten Dienstagnachmittag in meiner Jugend. Der Hypothekenmakler saß mir gegenüber auf unserer Fake-Ledercouch, vor ihm sein Aktenkoffer voller Papiere. Ich war 16 Jahre alt und hier überhaupt anwesend, um seine Worte für meine Eltern zu übersetzen. Beide von ihnen waren aus Indien nach Vancouver, Kanada, gezogen – und hatten jetzt Probleme, die Rechnungen und Hypotheken zu bezahlen. „Sie haben nicht genug Geld“, sagte der Makler zu mir.
Damals war mir noch nicht klar, wie sehr sich diese Worte auf meine eigene Beziehung zu Geld auswirken würden. Während meine Eltern danach erstmal schwer schlucken mussten, verstand ich diese Aussage so: „Nicht genug Geld“ bedeutete keine Macht, keine Kontrolle, keine Lebensfreude. Und obwohl wir es danach doch irgendwie schafften, unser Haus zu behalten, indem wir eine längere Hypothekenzahlung aushandelten, schwor ich mir, finanziell unabhängig zu werden, um niemals in derselben Situation wie meine Eltern zu landen. Und das zog ich durch: Als ich 26 war, hatte ich mir bereits ein sechsstelliges Vermögen angespart. Jetzt helfe ich anderen Frauen of color dabei, es mir gleichzutun.
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So oft haben unsere Geldprobleme dabei aber gar nichts mit einem fehlenden Finanzwissen zu tun. Stattdessen sollten wir unsere persönliche Erziehung und kulturellen Erwartungen hinterfragen, um zu verstehen, wieso es uns so schwer fällt, uns die finanziellen Gewohnheiten anzutrainieren, die uns sicher gut tun würden. Und ganz egal, wie deine jetzige Situation aussieht: Auch du kannst dir ein kleines Vermögen aufbauen. Ich habe es geschafft – und hier habe ich für dich aufgeschrieben, was ich währenddessen gelernt habe.
Verstehe und verarbeite dein persönliches finanzielles Trauma
Meinen Eltern dabei zuzusehen, wie sie je zwei Jobs hatten und dennoch immer am Rande des Ruins standen, brachte mir bei, Geld mit Sicherheit zu assoziieren. Also basierte ich alle finanziellen Entscheidungen – zum Sparen und Ausgeben – auf diesem finanziellen Trauma: Ich war dauernd überarbeitet und zwanghaft sparsam, nur um dann irgendwann immer die Schnauze voll zu haben und mir auf einen Schlag lauter Kram zu kaufen, den ich nicht brauchte. Geschichten wie diese hat jede:r in irgendeiner Form: Vielleicht warst du dabei, als die Kreditkarte deiner Eltern im Supermarkt abgelehnt wurde – und jetzt gibst du selbst zu viel Geld für Lebensmittel aus, weil du dich quasi dafür entschädigen möchtest, dass du in deiner Kindheit eben nicht denselben Luxus hattest. Oder vielleicht haben sich deine Eltern immer wegen nicht bezahlter Rechnungen gestritten, und jetzt vermeidest du alle Gespräche über Geld mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin – weil du nie gelernt hast, wie ein gesundes Gespräch über Finanzen aussehen sollte. Genau diese Traumata musst du aber analysieren, um eine gesündere Einstellung zu deinem Geld zu entwickeln und dir langfristig ein eigenes Vermögen anzusparen.
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Eines sollte dir aber vorher bewusst sein: Dieser Prozess kann sehr lange dauern. Anfangen kannst du damit, indem du deine schmerzhafteste, verwirrendste Erinnerung im Zusammenhang mit Geld aufschreibst. Was ist da passiert? Wie fühltest du dich dabei? Und inwiefern beeinflusst dieses Erlebnis deine finanzielle Einstellung noch heute? Als Nächstes schreibst du etwas auf, was du sonst genau aus diesem Grund mit Geld niemals tun würdest; dir impulsiv etwas Teures zu kaufen, zum Beispiel, oder dich aktiv mit deinem Kontoauszug auseinanderzusetzen. Das kostet Zeit und Mühe – vor allem, weil dein Geist darauf konditioniert ist, auf eine bestimmte Art zu reagieren, um dich zu schützen –, aber diese Geld-Geschichten aufzuschreiben, wird dir langfristig dabei helfen, deinen Umgang mit deinen Finanzen zu ändern.
Hinterfrage, was uns als Frauen zum Thema Geld vermittelt wird
Vor ein paar Jahren fragte mich eine entfernte Verwandte bei einer traditionellen pakistanischen Hochzeit, was ich denn eigentlich beruflich mache. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, war diese Fragen aber gewohnt und erzählte es ihr. Sie antwortete: „Du solltest dich nicht so sehr um deine Karriere kümmern, dafür ist dann ja später dein Mann da. Wie sollst du schließlich gleichzeitig den Haushalt und einen Job managen? Deine Verantwortung ist es, eine gute Hausfrau zu werden.“
Vielen Frauen in traditionellen südasiatischen Kulturen wird vermittelt, ihr Selbstwert sei von ihrer Fähigkeit abhängig, zu heiraten und einen Haushalt zu führen. Wir werden nicht dazu ermutigt, uns über finanzielle Unabhängigkeit Gedanken zu machen, sondern uns stattdessen von einem zukünftigen Partner abhängig zu machen. Dabei bemerken wir gerade in Zeiten wie diesen, wie uns beispielsweise eine Pandemie finanziell komplett aus der Bahn werfen kann.
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Und genau deswegen ist es für jede:n von uns wichtig, im Falle eines Jobverlusts oder anderen unerwarteten Einschnitten leicht zugängliches Erspartes zu haben, auf das wir uns im Notfall verlassen können. Ich empfehle meinen Klient:innen daher immer, zuerst einen Drei-Monats-Notfalls-Fonds anzusparen, der drei Monate lang Miete, Nebenkosten, Essen und Transport finanzieren könnte, bevor sie sich dem Schuldenabbau oder Investitionen widmen.
Ein fixes Budget ist nicht immer sinnvoll
So oft bekommen wir überall zu hören, dass ein strenges Budget der erste Schritt zur finanziellen Unabhängigkeit sei. Wenn du dich aber nicht vorher ausführlich damit beschäftigt hast, wofür du dein Geld so ausgibst, führt das nur zu einem unrealistischen Plan, den du früher oder später frustriert abbrichst. (Glaub mir.) Deswegen empfehle ich dir, deine Finanzen ordentlich aufzubereiten: Schreib dir dein monatliches Einkommen, fixe monatliche Kosten und typische andere Ausgaben auf – also zum Beispiel, wenn du dir Essen bestellst oder in der Drogerie shoppen gehst.
Als Nächstes überlege dir dein finanzielles Traumziel: ein Notfall-Sparschwein? Eine Anzahlung für ein Haus? Setze dir ein festes Datum, bis wann du dieses Ziel erreichen willst, und dann arbeite dich von dort aus rückwärts durch deine Finanzen, indem du dieses Ziel in die Anzahl der monatlichen Einkünfte aufteilst, die dich davon trennen. Wenn du also zum Beispiel 2.000 Euro Schulden hast, die du in sechs Monaten abbauen möchtest, sind das etwa 334 Euro pro Monat. Mein persönliches Ziel war es, mir 100.000 Euro in vier Jahren anzusparen, die ich in kleinere Mikro-Ziele à 2.000 Euro pro Monat aufteilte. (Ich hatte allerdings auch das Privileg, während dieser Zeit bei meinen Eltern zu wohnen, trage aber meinen Teil bei, wenn er gebraucht wird.)
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Eine realistischere Herangehensweise wie diese sorgt dafür, dass du dich nicht überwältigt fühlst oder am Ende des Monats völlig pleite bist. Noch dazu hilft sie dir dabei, langfristig motiviert und optimistisch zu bleiben – selbst, wenn das Ganze etwas länger dauern sollte.
Wenn du trotzdem noch Probleme dabei hast, konsequent zu sparen, fang klein an und baue darauf auf. Sparen ist schließlich Sparen, egal, wie viel du tatsächlich zurücklegst! Deine persönlichen Fristen und Sparbeträge kannst du schließlich immer noch nachträglich anpassen. Ich rate dir auch dazu, dir ein (idealerweise kostenfreies, hochverzinstes) Konto einzurichten, das du explizit für deine Ersparnisse nutzt, um dir selbst die Versuchung zu nehmen, etwas davon auszugeben.
Es ist okay, Geld auszugeben!
Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Nervosität im Umgang mit Geld: Erst verwehrte ich mir selbst alles Neue, dann gab ich mit einem Schlag viel Geld aus und fühlte mich danach schuldig. Das geht tatsächlich vielen meiner Klient:innen so. Dabei gilt „Geld macht nicht glücklich“ vor allem dann, wenn du es dich auch gar nicht glücklich machen lässt. Es immer nur anzusparen, machte mich jedenfalls unglücklich, obwohl mein Vermögen wuchs. Ja, wir müssen unsere Rechnungen bezahlen, unsere Schulden begleichen und uns etwas zurücklegen. Aber wir sollten auch Spaß an unserem Geld haben. Es geht darum, die richtige Balance zu finden – nicht darum, uns selbst alles zu verbieten. Wenn du dir ein teures Brunch mit Freund:innen gönnst, ist das völlig okay, solange du deine finanziellen Ziele nicht aus den Augen verlierst.
Es ist auch total in Ordnung, dass du deine eigenen Finanzen nicht zu 100 Prozent durchplanst. Das Wichtigste ist, dass du dich immer wieder selbst erinnerst: Deine finanzielle Situation wird sich ewig weiterentwickeln. Selbst die kleinsten Veränderungen zugunsten gesünderer Angewohnheiten werden dir langfristig das selbstbewusste Gefühl verleihen, dass du dein eigenes Erspartes besser im Griff hast.
Parween Mander arbeitet als Finanzberaterin in Vancouver, hilft bei der Bewältigung finanzieller Traumata und ist die Gründerin von The Wealthy Wolfe, einer digitalen Finanzcoaching-Plattform für Frauen of color, speziell mit immigriertem Hintergrund.
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