Dieser Artikel erschien zuerst bei Rosa Mag
Ich hatte immer das Gefühl, ich müsste perfekt sein. Besser als die anderen. Schlauer, als die anderen. Netter, als die anderen. Vorzeigbar. Ich dachte, es wäre mein eigenes Problem. Den Druck, den ich mir selbst auflade, da ich die erste in meiner Familie war, die studierte. Vielleicht bin ich auch einfach ambitionierter, als meine Freunde*innen, Kommilitonen*innen und Kollege*innen? Doch als ich begann mit vielen unterschiedlichen von Rassismus betroffenen Menschen zu sprechen, realisierte ich: Das geht nicht nur mir so. Das Gefühl, perfekt sein zu müssen, ist: Weil ich schwarz bin. Und eine Frau. Ich wollte die Vorzeige-Schwarze sein.
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Was Murats, Kevins und ich gemeinsam haben
Wenn du das einzige schwarze Mädchen in der Klasse bist, fällst du auf. Wenn du gut bist, wenn du Mist baust. Du polarisierst, immer. Ich stand unter dem stetigen Prüfstand, ob ich nicht das Klischee einer schwarzen Frau bestätige. Bin ich laut, bin ich faul, bin ich musikalisch? Als meine Mathematiklehrerin mich verwundert ansah, als sie hörte, dass ich studieren möchte, wurde in mir ein Feuer entfacht. Das Streben nach Perfektion. Nach Black Excellence.
Ich wusste: ich beweise ihr das Gegenteil. Doch nicht nur ich werde, aufgrund meines Aussehens oder meines Namens unterschätzt. Schüler und Schülerinnen mit einem Migrationshintergrund, werden systematisch in deutschen Schulen schlechter bewertet. So erhälst du bereits eine negative Note, wenn deine Eltern auf die Idee kamen dich Kevin oder Murat zu nennen.
Meine Emanzipation vom Schwarzsein
Ich weiß noch, wie ich mich gegen den Satz “Weil ich Schwarz bin” sträubte. Dieser Satz ging niemals über meine Lippen, weil ich das Gefühl hatte, diese Aussage würde mich reduzieren. Es wäre meine allumfassende Welt und ich wäre nur noch: die Schwarze. Also gab ich mir das Mantra, was Rihanna perfekt auf den Punkt bringt: Work, work, work. Freiwillige Praktikas in der studienfreien Zeit bei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, bei der Welt Online, oh und CNN quetschte ich zwischen meinen zwei Jobs und dem Studium auch noch dazwischen. Ich war mir sicher: Je härter ich arbeite, desto eher schaffe ich es. Ich war high von dem Ziel, all den “weil ich Schwarz bin” zu beweisen, dass ich mir mit genug Mühe und harter Arbeit einen soliden Job erarbeiten kann.
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Doch wenn ich mir die Statistiken anschaue, Gespräche und Interviews mit unterschiedlichen afrodeutschen Frauen führe, dann erkenne ich meine Geschichte immer wieder und realisiere: Das sind die Nebenwirkungen vom Druck die Vorzeige-Schwarze zu sein. Es erdrückt dich. Manche mehr und weniger. Doch ich hatte immer wieder neue Auseinandersetzungen, die mich daran erinnerten weiter zu machen. Als ich meinem Professor gegenüber erwähnte, dass ich mich für den Fernsehjournalismus interessierte, schaute er mich verwundert an und als ich meine Leidenschaft für die Tagesschau äußerte. Seine Antwort: Ich passe doch viel besser zu MTV oder VIVA.
Work, work, work – bis nix mehr ging
Jung und naiv, wie ich zur damaligen Zeit war, dachte ich, es liegt an mir. Nicht, dass mein liebster Prof eventuell von den gesellschaftlichen Stereotypisierungen durchtränkt sei. Nein, ich arbeitete härter, weil ich, nun ja, es allen beweisen wollte. Was viele meiner Freunde*innen als ambitioniert oder tough bezeichneten, war für mich die zweite dickere Haut, die ich mir übergezogen habe, um überhaupt die Möglichkeit zu erhalten, nur ansatzweise das erreichen zu können, was für meine Kommilitonen greifbarer war. So ging es für mich nach London, nachdem ich ein Jahr durchgearbeitet hatte, um meine Studiengebühren zu decken. Dann musste ich eine weitere Rechnung begleichen. Andere Student*innen sind nach dem Abschluss auf Reisen gegangen, ich musste erst einmal in einer Klinik wegen Burnout und Essstörung einchecken.
Laut des Department of Health and Human Services Office of Minority Health leiden afroamerikanische Frauen 10 Prozent mehr unter schwerer psychischer Belastung als weiße. Die Spuren der Gesellschaft haben auch bei mir eine Narbe hinterlassen. Mehr als ich es all die Jahre zugeben wollte. Dabei rede ich nicht über den direkten Rassismus, der mir immer mal wieder auf dem Weg nach Hause in Form von ein paar Parolen von Betrunkenen, die beherzt das N-Wort grölen begegnet. Ich rede davon, dass ich mich stets und ständig verausgabe, weil ich immer noch das Gefühl habe, ich müsste meine Daseinsberechtigung untermauern. Den elitären journalistischen Betrieb, den Menschen in den Universitäten oder dem Busfahrer, der mich geringschätzig anschaut und lobt, dass ich doch so gut Deutsch spreche.
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Psychische Erkrankungen sind unter afroamerikanischen Frauen höher
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Der lange Weg zu einer gerechten Gesellschaft
Erst viel später wurde mir klar, dass der Wettkampf in unserer Gesellschaft nicht echt ist. Die Sage vom “Tellerwäscher zum Millionären” ist ein Märchen. Ich erkannte, dass wir alle nicht mit denselben Privilegien bepackt in das Leben starten. Nein. Ich habe unterschätzt, wie stark unser Background, unser Geschlecht, unsere Hautfarbe uns auf unserem Weg begleiten, der einfach härter oder etwas komfortabler ausfällt. Versteht mich nicht falsch. Ich habe auch schon einige Vorteile erhalten, aufgrund meines sogenannten Exotenbonus bei vereinzelten Menschen, die mich bewusst bevorzugten, weil sie einen Mutter-Theresa-Komplex hatten.
Die Kandidat*innen, die das große Bedürfnis hatten, mir klarzumachen, dass sie Rassismus sehen. Die zur Überkompensation extra nett, extra aufmerksam und mir dann am Ende Extrapunkte für meine pure Existenz gaben. Doch Gleichberechtigung bedeutet: Gleichheit für alle. Gleichheit wäre, dass auch ich, als schwarze Frau, Mittelmaß geben darf und die gleichen Erfolge verzeichnen kann, wie andere Menschen in der Gesellschaft. Wenn es keine Vorzeige-Schwarze mehr gibt. Wenn ich einfach nur, ich sein kann.
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