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Ich habe 100 Vulven fotografiert – das habe ich gelernt (NSFW)

Laura Dodsworth hat ein ganzes Jahr damit verbracht, Vulven zu fotografieren. Zugegeben: Das klingt nicht gerade nach einem „ganz normalen“ Job, von dem man Oma und Opa mal eben beim Kaffeetrinken erzählt. Doch die Fotografin und Autorin der drei Bild- und Interviewbände Womanhood, Manhood und Bare Reality: 100 Women, Their Breasts, Their Stories hatte sich eben ein ganz besonderes Projekt vorgenommen.
Die Vulven waren davon nur ein Teil: Für ihre Fotoserie The Bare Reality lichtete sie außerdem 100 Penisse und 2oo Brüste ab, um ihren Motiven zu ermöglichen, die Geschichte ihrer Körper selbst zu erzählen. Insbesondere Womanhood, die Vulva-Bilderreihe, ist mutig, unverfroren, ehrlich und zutiefst bewegend. Wie fühlte es sich an, dabei hinter der Kamera zu stehen? Im Gespräch mit R29 erzählt Laura, wieso sie das Projekt als die ultimative „Subjektifizierung von Frauen“ betrachtet.
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Keine der 100 Vulven hat dabei dieselbe Vergangenheit wie eine andere. Manche von ihnen haben Krebs, sexuelle Traumata, Verstümmelungen, Abtreibungen und Geschlechtsangleichungen hinter sich. Es sind aber genau diese gemischten Gefühle von Freude und Schmerz, die die Menschen vor der Linse vereint. „[Das Projekt] ist ebenso vielseitig wie wir. Oft werden wir [Frauen] in eine Schublade gesteckt; dabei sind wir multidimensional. Wir haben Licht und Schatten, Höhen und Tiefen“, erzählt Laura.
Foto: bereitgestellt von Channel 4
Womanhood war kein Projekt, das Laura von langerhand geplant hatte – vielleicht auch, weil sie sich noch nicht dafür bereit gefühlt hatte, sich ihrer eigenen Geschichte zu stellen. Doch dann lass sie einige Artikel, die sie nicht mehr losließen. Sie las beispielsweise von weiblicher Genitalverstümmelung und von neunjährigen Mädchen, die sich schon Schamlippenverkleinerungen wünschten. In Deutschland legen sich dafür inzwischen übrigens mehr als 2000 Frauen pro Jahr unters Messer. Und plötzlich war es, als würde eine Stimme zu ihr sprechen. Laura wusste: „Ich muss das einfach machen“.
Außerdem faszinierte sie vor allem eins: Wer Vulva und Vagina hat, wird sich damit zwangsläufig das ganze Leben lang beschäftigen. Die erste Periode, sexuellen Erfahrungen, Liebe, Schmerzen, die Geburt eines Kindes, Menopause… „Der Lebenszyklus einer Frau lässt sich anhand ihrer Vulva beschreiben“, meint Laura. „Damit lassen sich so viele wichtige Gespräche beginnen.“
Laura ist selbst eine der 100 in ihrem Buch. Diese Erfahrung hat ihr eigenes Körperbild stark verändert: „Ich dachte immer, die Narbe von meinem Dammschnitt sei riesig. Dass man sie sofort sehen und fühlen würde. Doch sie ist kaum sichtbar. Ich hatte mich bloß an die Erinnerung geklammert, nicht an die körperliche Realität. Jetzt weiß ich, wie schön meine Vulva ist, und das ist ein starkes Gefühl.“
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Foto: Laura Dodsworth
Viele der Menschen vor Lauras Linse konnten ihre Vulva vorher gar nicht mit Worten beschreiben – sie hatten sie sich selbst nie genau angesehen. „Das ist ein Körperteil, der uns so viel Freude und fundamentale Lebenserfahrungen beschert. Trotzdem wurde mir klar: Vielen von uns fehlt es dort an Wissen und Verständnis. Stattdessen wird diese Körperstelle gemieden.“ Während des Projekts begriff Laura, wie entscheidend es sein kann, seinen Körper kennen und verstehen zu lernen. „Als ich herausfand, wie groß die Klitoris ist und wo sie im Inneren verläuft, ergab alles Sinn! Plötzlich verstand ich den Pfad der Lust in meinem Körper viel besser – und ich konnte mich viel besser darauf besinnen.“
Natürlich wusste sie es schon vorher, doch nachdem sie 100 verschiedene Geschichten gehört hatte, wurde Laura eines noch bewusster: Die Geburt eines Kindes und das Muttersein waren „prägende Erlebnisse“ im Leben all derjenigen gewesen, die es erfahren hatten. Außerdem erzählte ihr fast jede*r davon, schon durchschnittlichen Sex erduldet und Orgasmen vorgetäuscht zu haben. Doch bekam Laura auch Geschichten zu hören, die ihr bestätigten: Ein*e gute*r Sexualpartner*in, der oder die sich die Zeit nimmt, den Körper des oder der anderen kennenzulernen, kann die Gefühle eines Menschen zur Vulva völlig auf den Kopf stellen.
In einem Punkt waren sich alle Beteiligten des Projekts einig: Die Erfahrung, die eigene Vulva fotografieren zu lassen, war kathartisch. Laura nennt es ein karmisches Vorspulen: „Scham kann dich unterdrücken. Wenn du dir aber große Dinge wie Wut und Sexualität zu Nutzen machst, schüttelst du diese Scham ab. Wir fühlten uns am Ende einfach alle stark.“
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Foto: bereitgestellt von Channel 4
Das Projekt war nicht nur für die Menschen vor der Kamera, sondern auch dahinter ein enorm emotionales Erlebnis. „In diesen Interviews steckte so viel Vertrauen, Verwundbarkeit und Wissen“, sagt Laura. „Ich war nicht die Einzige, die weinte. Jede einzelne Frau am Set weinte, als uns eine Teilnehmerin von ihrer Genitalverstümmelung erzählte. Das war unglaublich bewegend.“ Und vor allem eine Geschichte traf Laura zutiefst, da sie ihrer eigenen Fehlgeburt Ähnliches durchlebt hatte: „Ich weiß noch, wie ich aufs Klo ging und meine Welt plötzlich aus mir herausfiel. Ich erinnere mich daran, dass ich ins Klo guckte. Es sah aus wie gehackte Leber. Ich dachte mir: Mein Baby liegt in der Toilette. Ich muss es jetzt runterspülen. Das war eine fundamentale Erfahrung.“
„Die Geschichte der Teilnehmerin traf mich echt hart“, erzählt sie Laura.
„Wenn ich mir diese Interviews mit 16 hätte ansehen können, wäre mein ganzes Leben vielleicht ein bisschen anders abgelaufen. Ich bin überzeugt, dass es einen großen Einfluss gehabt hätte; den hatte es jetzt nämlich auch. Und weil ich weiß, wie sehr mir diese Geschichten geholfen haben, wünsche ich mir, ich kann andere damit schon früher erreichen.“
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Laura Dodsworths Bild- und Interviewbände Womanhood, Manhood und Bare Reality: 100 Women, Their Breasts, Their Stories sind unter anderem auf Amazon erhältlich.
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