Social Freezing beschreibt das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen ohne medizinischen Grund, damit Frauen eine größere Chance haben, sich auch im höheren Alter einen Kinderwunsch zu erfüllen. Ich habe mir mit 26 Jahren 15 Eizellen entnehmen lassen, damit ich vorbereitet bin, falls das mit dem Kinderkriegen noch ein Weilchen dauert. Weil es in Deutschland kaum eine Webseite gibt, die Frauen mit den notwendigen Informationen, Erfahrungsberichten und Fragen rund um Social Freezing versorgt, habe ich am Weltfrauentag www.social-freezing.de online gehen lassen. Es ist ein Ort im Internet, an dem Frauen sich informieren und die Erfahrungsberichte anderer Frauen lesen können, um sich selbst eine Meinung für oder gegen Social Freezing zu bilden.
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Als ich anfing, mich über Social Freezing zu informieren, war das Angebot überschaubar. Ein paar Berichte aus den USA, Foren zu künstlicher Befruchtungen und ein paar medizinische Anbieter. Ich habe mir alles durchgelesen und war überrascht, als ich mehr und mehr über die Fruchtbarkeit der Frau erfuhr.
Mit 25 erreicht die Fruchtbarkeit der Frau ihren Höhepunkt, danach lässt sie stetig nach. Im Alter von 25 Jahren können noch neun von zehn Frauen darauf hoffen, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden. Anfang 40 sind es dann nur noch vier.
Das liegt vor allem daran, dass die Anzahl unserer Eizellen im Alter abnimmt. Bei der Geburt enthalten die Eierstöcke noch eine Million Eizellen, bei der Pubertät sind es nur noch etwa 300.000 bis dann – ab etwa einem Alter von 50 Jahren – der Vorrat fast gänzlich erschöpft ist.
Meine Frauenärztin hat mich nie über diese Zahlen aufgeklärt. Das mag auch der Grund sein, weshalb das Durchschnittsalter von Frauen, die sich über Social Freezing in Deutschland informieren möchten, bei 38 Jahren liegt. Das ist in vielen Fällen schon zu spät und für viele Frauen bricht eine Welt zusammen. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis mit gleichaltrigen Frauen unterhalte, wiederholt sich das Bild. Die meisten denken, dass es ab 35 eher schwierig wird, Kinder zu kriegen, aber bis 45 noch grundsätzlich möglich ist. Das führt dazu, dass Frauen das Thema aufschieben und in manchen Fällen trotz Kinderwunsch keine bekommen.
Nun fragt man sich vielleicht, was eine junge Frau im Alter von 26 Jahren dazu bewegt, sich Eizellen entnehmen zu lassen, die dann in einem Kryolager in Rostock bei Minus 186° lagern. Nun, ich finde junge Mütter bewundernswert und ich sehe klare Vorteile darin, schon in seinen Zwanzigern Nachwuchs zu bekommen. Was ist aber, wenn man noch keinen Kinderwunsch hat und sich aber trotzdem kein Leben ohne Kinder vorstellen kann? Ich habe nach dem Studium mit 23 Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet, das ich leidenschaftlich führe. Einen Partner habe ich nicht. Auch wenn es in der Zukunft einen gäbe, dann würde ich diesen gern ein paar Jahre für mich haben, unabhängig reisen und Dinge tun, die sich mit Kind eher kompliziert gestalten ließen. Wenn ich mich ausgelebt habe, dann wäre ich bereit, ein Produkt der Liebe zu kreieren und mich voll und ganz drauf einzulassen. Was wäre nun, wenn der Arzt mir dann sagt, dass es zu spät sei? Ich glaube, dass dieses Gefühl nur Frauen nachvollziehen können, die sich in solch einer Lage befinden. Genau dagegen wollte ich eine Art „Versicherung“ abschließen. Wobei man betonen muss, dass es beim Social Freezing keinerlei Garantie gibt, dass es mit dem Kinderwunsch auch wirklich klappt. Es erhöht lediglich die Chancen.
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Frauen, die Social Freezing in Anspruch nehmen, werden schnell als karrieresüchtig und egoistisch abgestempelt. Sie würden ihre Selbstbestimmung vor die Familiengründung stellen und seien richtige Karrieremonster. Neue Studien und Befragungen zeigen jedoch, dass der Karrierewunsch eher zweitrangig mit der Entscheidung für Social Freezing zusammenhängt. So auch bei mir. Wenn ich einen Kinderwunsch hätte, dann wäre mein Unternehmen für mich kein Hindernis, diesen in die Tat umzusetzen. Meist sind es Umstände wie der fehlende Partner, die Frauen tatsächlich zum Social Freezing bewegen.
Kritiker beanstanden die zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen, wenn Frauen immer älter Mütter werden und skizzieren Zukunftsszenarien, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Frauen, mit denen ich zum Thema spreche - mich einbezogen - haben sich alle eine Altersgrenze gesetzt, bis zu der sie Mutter werden wollen. Alle sind sich einig: Wenn es bis dahin nicht geklappt hat, dann soll es eben nicht sein. Bei den meisten liegt diese bei etwa 40 Jahren. Zusätzlich muss man auch positive Entwicklungen berücksichtigen, wie beispielsweise die steigende Geburtenrate, wenn Frauen auch im höheren Alter eine größere Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft hätten. Insgesamt wären sicher viele Paare glücklicher.
Momentan muss jede Frau Social Freezing privat aus eigener Tasche bezahlen. Die Firma Seracell, bei der ich auch meine Eizellen habe einlagern lassen, ist deutschlandweit das einzige Unternehmen, das ein Komplettpaket für Social Freezing anbietet. Dieses kostet 2.500 Euro, hinzu kommen Medikamente für die Stimulation, die von Frau zu Frau unterschiedlich ausfallen. Hier kann man nochmals zwischen 1.000 und 2.000 Euro rechnen.
Wenn das Gesundheitssystem versagt, werden andere Wege gegangen. So beispielsweise in den USA, wo der Aufschrei groß war, als Apple und Facebook bekannt gaben, ihren Mitarbeiterinnen das Einlagern ihrer Eizellen zu bezahlen. Dass dies ein Teil eines größeren Benefitkatalogs ist, zu dem auch die Betreuung von Kindern oder die Bezahlung einer künstlichen Befruchtung bei bestehendem Kinderwunsch ist, wurde allerdings verschwiegen. Während in den USA Start-Ups reine Social Freezing Kliniken eröffnen, die Boutique Hotels ähneln, teilen sich in Deutschland Freezing Patientinnen mit anderen Paaren in Kinderwunschkliniken das Wartezimmer. Alles läuft hier eben ein wenig langsamer.
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Worüber unbedingt mehr gesprochen werden muss: Krebspatientinnen, die sich einer Chemo- oder Bestrahlungstherapie unterziehen müssen und eventuell danach keinen Eizellbestand mehr haben, müssen Freezing aus eigener Tasche bezahlen. Ich frage mich oft, wie sich das anfühlen muss, vom Gesundheitssystem so im Stich gelassen zu werden. Mit www.social-freezing.de möchte ich mich auch dafür einsetzen, dass diese Tatsache zur Öffentlichkeit durchdringt und sich etwas ändert, damit Frauen auch nach der Diagnose Krebs ihren Anspruch Kinderwunsch umsetzen können.
Wir dürfen gesellschaftliche Entwicklungen wie das steigende Alter von Müttern nicht leugnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine passende Lösung entwickelt wurde. Das heißt nicht, dass alle Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen sollten – ein Glück gibt es nach wie vor auch viele junge Mütter. Es bedeutet einfach nur, dass Frauen die Entscheidung für oder gegen Kinder frei treffen sollten, ohne sich dabei biologischen oder gesellschaftlichen Zwängen aussetzen zu müssen.