Das Bild vom 19. April 1967 ging um die Welt – als Zeugnis der männerdominierten Leichtathletik, als Fotografie für Veränderung: Es zeigt Kathrine Virginia Switzer beim 71. Boston-Marathon. Und es zeigt irritierte Männer, die mit Fortschritt nicht klar kommen. Das Marathon-Laufen war den Frauen damals strengstens untersagt. Weil sich Kathrine nur mit ihren Initialen anmeldete und wegen des verschneiten Wetters dick einpackte, fiel der Skandal erst mitten im Lauf auf. Der wutentbrannte Veranstalter versuchte, die Läuferin einzuholen, um ihr die Startnummer 261 abzureißen. Er schafft es aber nicht und Switzer geht als erste Frau, die offiziell einen Marathon gelaufen ist, in die Geschichte ein.
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Heute kaum vorstellbar, in einem Zeitalter und in einem Land, in dem Frauen ihre Träume leben dürfen. Doch vor 50 Jahren traute man den Frauen die körperliche Leistung zum einen nicht zu, zum anderen schickte es sich einfach nicht, mit den Männern wettzueifern. Es kursierten die unlogischsten Märchen und Ansichten, um sportliche Frauen einzuschüchtern: Demnach würden Läuferinnen vermännlichen, überall Haare wachsen, der Uterus könne herausrutschen, und sie bekämen sie weder Kinder, noch einen Mann ab.
Gestern, 50 Jahre später, lief Switzer den Boston Marathon erneut. Es ist ein symbolischer Lauf, der für den Weg steht, den sie ging, um andere Frauen zu ermutigen. „Ich wollte beweisen, dass Frauen durchaus einen Marathon laufen können“, sagt sie. Noch bis Anfang der Siebziger durften in den USA nur Männer Marathon laufen, doch dann änderte sich auch dank Switzer das Regelwerk. In Deutschland gab es übrigens schon beim Schwarzwald-Marathon seit der Gründung 1968 ein Frauenfeld.
Aktuelle Statistiken zeigen, dass sich der Frauenanteil im Sport insgesamt dem der Männer angleicht, im Marathon aber immer noch hinterhinkt. Es gibt immer mehr Initiativen, Kampagnen und Frauenlaufgruppen. Auch in Berlin findet jedes Jahr ein Frauenlauf im Tiergarten statt. Gegründet hat ihn übrigens auch Switzer zusammen mit Horst Milde, dem Erfinder des Berlin-Marathons. „Frauen haben oft nicht die Gelegenheit, sich körperlich stark zu fühlen. Wenn eine Frau zu laufen anfängt, erst einen, dann fünf, dann zehn Kilometer, dann sagt sie: Ich fühle mich stark“, sagt Switzer gegenüber Tagesspiegel.de. „Und wenn eine Frau einen Marathon läuft, sagt sie: Jetzt kann ich alles schaffen.“
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Es gibt viele Vorbilder in den Generationen nach Switzer: Prominente Marathonläufer wie Alicia Keys oder in Deutschland wie Joy Denalane oder Barbara Meier streuen ihre Freude am Laufen über Social Media – und wecken sie so auch bei anderen Frauen. Joggen ist hip, Marathon ist mega. „Der Leistungssport und die Weltrekorde werden von Männern dominiert. Aber Erfolge feiert eine Frau für sich - für ihre Stärken und ihre Disziplin", sagt NikeWomen-Trainerin Nada Ivanovic. Die Sportwissenschaftlerin ist sich zwar bewusst, dass nach wie vor mehr Männer an den Start gehen als Frauen und doch sieht sieht sie den Wandel positiv: „Frauen haben sich sowohl in der Wirtschaft als auch im Sozialen emanzipiert: Sport der lange Zeit nur Männern vorbehalten war, wurde irgendwann von Frauen ausgeübt, die jetzt ihre Passion im Laufen gefunden haben."
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