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Warum sich der Feminismus dem kapitalistischen System ergeben hat

BettyBones
Feminismus erfährt seit einigen Jahren eine regelrechte Hochkonjunktur – fernab von zu Schau gestellter Körperbehaarung, demonstrativen Straßenzügen und heftigen Debatten, dafür mit viel öffentlichem Tamtam. Beyoncé ist wohl das schillerndste Beispiel des neuen Pop-Ablegers der einstig politischen Vision von Gleichstellung und damit nicht alleine. Miley Cyrus, Emma Watson, Jennifer Lawrence, Taylor Swift oder Lena Dunham sind nur einige ihrer berühmten Kolleginnen, die vor allem eines aufzeigen: Feministin zu sein, das ist längst nichts mehr, wofür man sich verstecken oder gar rechtfertigen müsse. Vielmehr gehört es einem It-Piece gleichend regelrecht zum guten Ton, es seinen Idolen gleich zu tun und selbst zum Anhänger zu avancieren.
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Doch nicht nur in Hollywood, sondern auch in Europa gibt es mittlerweile genügend prominente Stimmen der Bewegung. Damals trommelte Jennifer Rostock für das Video zu ihrer Single Hengstin Deutschlands Vorzeige-Powerfrauen zusammen und ließ im Dienste der Öffentlichkeit sogar selbst die Hüllen fallen. Slogans wie „The Future Is Female auf T-Shirts (so gesehen beim kalifornischen Label Otherwild) gehören auch hierzulande längst zum festen Bestandteil angesagtester Streetstyle-Looks. Doch der selbsternannte Postfeminismus, der vor allem auf Social Media Kanälen wie Instagram und Facebook ein gespenstisches, digitales Dasein fristet, hat einen Haken: Er entzieht sich selbst den Boden der Ernsthaftigkeit. Nicht nur, weil er unaufhörlich lauter, sondern dabei immer oberflächlicher wird. Eine massentaugliche Laune kapitalistischer Konsumkultur, die sich weniger mit den eigentlichen Problemen, als vielmehr seinem unter Umständen nur kurzlebigem Ruhm befasst. Daran kann auch Hollywoods „Celebrity-Feminismus“ nichts ändern.
Was als gesellschaftskritische und politische Nischenbewegung begann, ist mit Hashtags wie #empoweringwomen, #forourdaughters oder #thefutureisfemale mittlerweile zum absoluten Like-Garant geworden, leider ohne, dass alle dieser Beiträge der eigentlichen Idee des Feminismus wirklich förderlich wären.
Nicht nur weil Debatten auf Kanälen wie Facebook und Instagram zu leichtsinnig geführt, sondern auch weil sie dann im Alltag oft schmerzlich vermisst werden. Denn die geschlechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist noch immer eine große Illusion. Und anstatt dafür an Ort und Stelle zu kämpfen, hat sich der Feminismus in sich gut verkaufenden Parolen verloren, wenn auch immerhin mit der richtigen Absicht: auf noch immer bestehende Missstände aufmerksam zu machen.
Und mal ehrlich, im Schutze der digitalen Anonymität für etwas einzustehen, ist ja auch einfach viel bequemer: Sich engagieren, ohne wirklich den Kopf hinhalten zu müssen! Was aber ist aus unserer echten Stimme geworden? Was aus handfesten Aktionen? Den eigentlich Betroffenen fehlt es oft am Nötigsten, von freiem Zugang zum Internet mal ganz zu schweigen. Und selbst wenn nicht, hat ein Hashtag noch kein Mädchen aus der Sklaverei befreit. Von der virtuellen Stimme Gebrauch machen ist dabei allerdings keineswegs schlecht oder anzuprangern. Fatal wird es nur, wenn wir anfangen, uns darauf auszuruhen und dazu hinreissen lassen, uns schon als Feministen zu bezeichnen, nur weil wir einer Beyoncé zu ihrer Performance bei den VMAs im Jahr 2014, für die sie einen überdimensionalen Feminist-Schriftzug auf der Bühne installieren ließ, applaudieren.
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Dabei tun die meisten aber nun mal viel lieber genau das: Sie verstecken sich bequem hinter dem allgemeinläufigen Feminismus-Überdruss, weil wir im Jahr 2017 diese ganze Geschlechterdebatte ja auch gar nicht mehr nötig haben. Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „The Future is Female“ ist dann wirklich schon Aktionismus genug. Männer und Frauen sind doch in unserer liberalen Zeit ohnehin längst gleichgestellt, oder? Wohl eher nicht! Und dass wir uns diesbezüglich seit einigen Jahren im Kreis drehen, daran sind diese Art postfeministischer Unternehmungen auch ein bisschen mit Schuld.
Denn der Feminismus hat sich verkauft, dem kapitalistischen System ergeben und sich gewinnbringend vermarkten lassen. Vielleicht mit der wohlgemerkt positiven Intention, damit eine breite Masse erreichen und etwas verändern zu können. Aber er kratzt eben leider nur an der Oberfläche und vermittelt jungen Frauen ein falsches Bild darüber, wo wir stehen. Im Grunde nämlich ziemlich am Anfang.
Eine, die darüber ein Lied singen und das in Form ihres neuen Buches We Were Feminists Once auch ganz wunderbar – wenn auch unvertont – getan hat, ist die Popkultur-Journalistin Andi Zeisler, die damit dem „Marktplatz-Feminismus“ den Kampf ansagt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten beobachtet die Redakteurin und Mitbegründerin des US-amerikanischen Magazins Bitch feministische Bewegungen und ihre Verflechtungen mit Populärkultur. Wie schon der Untertitel nahelegt: „From Riot Grrrl to Cover Girl®, the Buying and Selling of a Political Movement“ thematisiert sie nun den vermeintlichen Ausverkauf einer einst radikalen Vision. Das Hauptproblem: Es ginge anstatt um die differenzierte Auseinandersetzung mit politischen Inhalten vielmehr um die Protagonisten dieses neuen Feminismus’. Sprich, Frauenmagazine küren lieber die „10 beliebtesten Promis, die keine Angst davor haben, sich als Feministin zu bezeichnen“ als wirklich in die Materie einzudringen. Längst wird der Begriff so inflationär verwendet, dass viele nicht einmal mehr wissen, wofür er eigentlich steht.
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Mit Humor und dennoch der nötigen Ernsthaftigkeit beleuchtet sie die letzten 30 Jahre der Bewegung: Von konsumverweigernden Feministinnen in Latzhosen zu Werbeindustrie tauglichen Frauen, „die wissen, was sie wollen“. Während in den 90er Jahren noch der Leitspruch „Sex Sells“ tonangebend war, verkauft sich heute der Glamour-Faktor weiblicher Selbstbestimmung sehr viel besser. Andi Zeisler bezeichnet das als „Wahlfeminismus“ und „neoliberales Geschlechterregime“. In einer vermeintlich gleichberechtigten westlichen Welt erfreuen sich junge Frauen an Unterhaltungsshows, die ihre Geschlechtsgenossinnen auf ihr Äußeres reduzieren und sie gegeneinander in den Kampf um die Gunst eines Jungen schicken.
Um das Gleichgewicht wiederherzustellen und den eigentlichen Anti-Feminismus einer ganzen Generation zu verschleiern, wird er uns als selbstverständlicher und omnipräsenter Wohlfühlfaktor verkauft, für den wir nichts mehr weiter tun müssen, als selbst zu wählen. Zu dieser neuen Oberflächlichkeit gesellt sich ein weiteres Problem: Die leichte Entflammbarkeit oft unsachlich geführter, feministischer Diskussionen im Netz und der einseitige Fokus der Bewegung auf heterosexuelle Lebenskonzepte der weißen Mittelschicht. Lesbische, queere und Transgender-Realitäten würden ebenso ausgeblendet wie Frauen mit Behinderung und Women of Color.
Andi Zeisler fordert deshalb dazu auf, nicht dem Irrglauben zu erliegen, wir hätten bereits alles erreicht und könnten uns jetzt dem Unterhaltungs-Feminismus hingeben. Im Gegenteil: „Feminism is not supposed to be fun. It’s complex and hard and it pisses people off.“ Eine absolute Pflichtlektüre, für alle, die es noch immer oder wieder ernst meinen mit dem Feminismus.

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