Kein Alkohol, kein roher Fisch, keine Zigaretten, dafür gesunde Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Ruhepausen: Dass werdende Mütter während der Schwangerschaft auf ganz schön viele Dinge achten müssen, wissen selbst Menschen, die gar nichts mit Kindern am Hut haben. Ist der Nachwuchs erst mal auf der Welt, geht es direkt weiter mit den Dos and Don’ts – besonders, wenn du stillst.
Nimm keine Allergiemittel! Iss kein Sushi! Trink keinen Pfefferminztee! Aber gibt es wissenschaftliche Belege, die diese Regeln unterstützen? Was solltest du wirklich besser vermeiden, was kannst du in Maßen genießen und was ist einfach nur ein Märchen?
Bevor ich dir die Antworten darauf verrate, kann ich dich vorab schon mal beruhigen: Laut der Gynäkologin Sharman L. Reed musst du in der Stillzeit auf jeden Fall weniger beachten als während der Schwangerschaft. „Wenn du schwanger bist, teilst du dir die Blutversorgung mit deinem Baby. Muttermilch ist dagegen eher wie ein Smoothie, den du für dein Kind mixt – nicht alles, was du konsumierst, landet im Endeffekt auch im Körper deines Kindes.“
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Laut der Kinderärztin und nationalen Sprecherin der American Academy of Pediatrics Natasha Burgert gibt es hauptsächlich zwei Gründe, weshalb Ärzt*innen dennoch raten, bestimmte Nahrungsmittel, Medikamente oder Aktivitäten zu vermeiden: Diese Dinge erschweren entweder die Milchproduktion oder sie wirken sich auf die Qualität der Muttermilch aus.
Was die Qualität betrifft, denken viele Eltern, sie müssten die „Pump & Dump“-Technik anwenden, wenn sie mal etwas zu sich nehmen, das sie während der Stillzeit eigentlich vermeiden sollten. Oder anders gesagt, sie glauben, wenn sie ein Glas Wein trinken, müssen sie danach die „vergiftete“ Milch abpumpen, in der Toilette herunterspülen und dann einfach neue, frische Milch produzieren. Das ist laut Burgert jedoch ein weit verbreiteter Irrglaube. Du kannst Schadstoffe nicht einfach abpumpen und dann fröhlich weiterstillen. In diesem konkreten Fall dauert es etwa einfach eine Weile, bis dein Körper den Alkohol abgebaut hat – Abpumpen beschleunigt den Prozess nicht. Außerdem ist die Muttermilchproduktion ein sehr komplexer, von Hormonschwankungen beeinflusster Prozess.
Dennoch sind die Regeln in der Stillzeit nicht so strikt wie in der Schwangerschaft; sie beschreiben eher Grauzonen. Falls du jetzt komplett verwirrt bist, keine Sorge. Wir haben mit Expert*innen gesprochen und online recherchiert und so einen ultimativen Guide zusammengestellt, der die wichtigsten „Darf ich während der Stillzeit …“-Fragen beantworten dürfte.
Alkohol
Alkohol kannst du in Maßen genießen, aber sobald du merkst, dass du betrunken bist, enthält deine Muttermilch wahrscheinlich auch Alkohol. „Wenn du ein Glas Wein trinkst, geht dein Blutalkoholspiegel erst hoch und nach etwa einer Stunde wieder runter“, sagt Burgert. „Ähnlich ist es bei der Muttermilch.“ Die Zusammensetzung der Milch variiert: „Der Alkohol bleibt nicht so lange in der Milch, bis du diese abpumpst. Es ist ein dynamischer Prozess.“ Du darfst dir also ab und zu ein Gläschen gönnen, aber sobald du das Gefühl hast, betrunken zu sein, solltest du dein Kind besser erst Mal nicht stillen – bis du wieder nüchtern bist. Am besten stillst du es also bevor du etwas trinkst. Pumpe am besten auch vorher schon etwas ab, auf das du im Zweifelsfall zurückgreifen kannst.
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Antibabypille
Wusstest du schon, dass das Hormon Prolaktin, das für die Milchbildung verantwortlich ist, Eisprung und Menstruation hemmt? Einen ausreichenden Schutz vor einer Schwangerschaft bietet es jedoch nicht. Du solltest also zusätzlich zu anderen Verhütungsmitteln greifen, wenn du nicht allzu bald wieder schwanger werden willst. Wenn du keine Kondome oder eine Spirale verwenden willst, kannst oder dir zusätzlichen Schutz wünscht, kannst du auch während der Stillzeit die Anti-Baby-Pille nehmen. Allerdings sollte es eine sein, die ausschließlich Gestagen enthält (Minipille). Kombinationspräparate mit Östrogenen sind keine gute Idee, weil diese die Quantität und Qualität der Milch negativ beeinflussen können.
Antihistaminika
Burgert meint, viele Mütter haben Probleme mit Allergietabletten. „Was deine Nase austrocknet, trocknet auch deine Brüste aus“, sagt die Kinderärztin. Deswegen würde sie eher zu Nasensprays, statt zu Tabletten raten. Bei der Recherche im Netz habe ich jedoch auch andere Meinungen gefunden. So besagt etwa die Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ), es komme auf die Inhaltsstoffe an und einige Antihistaminika, mit Wirkstoffen wie Loratadin oder Cetirizin, können bedenkenlos eingenommen werden. Frag also am besten deine Ärztin, deinen Arzt oder deine*n Apotheker*in, wenn du auf Nummer sicher gehen willst.
Botox
Da es keine Studien zu dem Thema gibt, solltest du wenn möglich in der Stillzeit auf Botox verzichten. „Zwar sind die Mengen, die gespritzt werden, meist sehr gering, aber Botox ist etwa drei bis vier Monate im Gewebe und kann auch in die Muttermilch gelangen“, erklärt Reed. Sie würde demzufolge empfehlen, während der Stillzeit topische Alternativen (wie Cremes) zu verwenden und Botoxbehandlungen erst nach dem Abstillen wieder aufzunehmen.
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Fisch und Sushi
Hier ist es ähnlich wie bei Alkohol: Vermeide Fisch, wenn möglich und wenn du doch mal welchen essen möchtest, stille dein Baby entweder davor oder pumpe vorher Milch ab, die du später geben kannst. Fisch ist zwar an sich sehr gesund, allerdings kann er (nicht zuletzt durch die menschengemachte Verunreinigung der Gewässer) schädliches Quecksilber enthalten. Während der Schwangerschaft kann dieses dann über die Plazenta zum Baby gelangen und in der Stillzeit durch die Muttermilch, wobei letztere allerdings geringere Mengen enthält. Dennoch kann Quecksilber einen negativen Einfluss auch die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem des heranwachsenden Babys haben. Laut Reed sind manche Fische safe, andere wiederum (vor allem die, die sich selbst von anderen Fische ernähren) nicht.
Und wie sieht es mit Sushi, Rohmilchkäse und Räucherlachs aus? Das darfst du nach der Schwangerschaft wieder essen, denn Toxoplasmose oder Listeriose stellen in der Stillzeit keine Gefahr mehr für dein Baby dar.
Haare färben
Laut des Bundesinstituts für Risikobewertung liegen derzeit (Stand 2014) „keine Hinweise auf gesundheitliche Risiken durch Haarfärbemittel, die während der Schwangerschaft und Stillzeit verwendet werden“, vor. Dennoch raten Ärzt*innen, sich vorher genau über die Inhaltsstoffe der Farbe zu informieren und am besten natürliche, geprüfte Produkte zu verwenden. Tönungen gelten beispielsweise als weniger aggressiv, Blondierungen hingegen könnten potentiell gefährlicher sein als dunkle Farben. Untersuchungen, die dies beweisen, gibt es bisher keine. Generell unterliegen die Farben in Deutschland strengen Kontrollen – die Menge an schädlichen Substanzen muss also so gering gehalten werden, dass für die Gesundheit im Allgemeinen keine Gefährdung besteht, so Dr-Grumpert.de.
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Isotretinoin (13-cis-Retinsäure)
Wie du vielleicht weißt, solltest du Mittel gegen Akne nur verwenden, wenn du effektive Verhütungsmittel verwendest, da eine Schwangerschaft bei Einnahme des Medikaments laut Reed keine gute Idee ist. Was die Stillzeit angeht, gibt es bisher noch nicht ausreichend Untersuchungen – im Zweifel wäre es also besser, darauf zu verzichten. Reed meint jedoch, dass topische (örtliche, äußerliche) Behandlungen möglich seien.
Knoblauch
Auch wenn manche behaupten, Knoblauch würde den Geschmack der Muttermilch verschlechtern, kannst du ihn bedenkenlos essen, denn er ist nicht schädlich für dein Kind. „Wenn du schon mal Muttermilchersatz probiert hast, weißt du, das Zeug schmeckt übler als es deine Muttermilch jemals könnte – egal wie viel Knoblauch du isst“, so Reed.
Koffein
Keine Angst, du musst nicht komplett auf deinen geliebten Kaffee verzichten! Wenn du täglich allerdings mehr als 300 mg zu dir nimmst (entspricht ca. 2-3 Tassen), wäre es nicht schlecht, wenn du deinen Konsum ein bisschen einschränkst. Warum? Weil Koffein in der Muttermilch landet und damit auch im Babybauch. Dein Kind braucht mindestens drei Tage (!), um das Koffein abzubauen und es kann zu Unruhe, Bauchschmerzen, Blähungen und Schlafstörungen kommen.
Marathon-Training, Hot Yoga und andere intensive Work-outs
Bei den meisten von Reeds Patientinnen spielt Sport eine sehr große Rolle im Leben, deswegen hat sie in diesem Bereich viel Erfahrung. Ihrer Meinung nach darfst du trainieren, solltest aber unbedingt darauf achten, viel zu trinken und dich gesund zu ernähren – um die Nährstoffe und Energie, die du beim Sport verbrennst, wieder reinzuholen. Abgesehen davon ist es enorm wichtig, auf den eigenen Körper zu hören. Wenn du zum Beispiel Probleme mit der Milchproduktion hast, solltest du deine sportlichen Aktivitäten eventuell einschränken.
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Marihuana
Das ist eine der wenigen Dinge, von denen dir Reed tatsächlich abraten würde. Grund ist die Art und Weise, wie Marihuana in deinem Körper verarbeitet wird: Es dauert sehr lange, bis es wieder abgebaut ist und ist demzufolge auch lange in der Muttermilch enthalten. Zwar wurden bisher nur wenige Untersuchungen dazu gemacht, aber die Studien, die es gibt, weisen darauf hin, dass Marihuana über die Muttermilch an das Baby weitergegeben wird und so zu Entwicklungs- und Lernschwierigkeiten führen könnte. Zudem kann Cannabis die Milchproduktion verringern und das Risiko für einen plötzlichen Kindstod steigern. Also geh lieber auf Nummer sicher und lass während der Stillzeit die Finger davon.
Milchprodukte
Genieß deinen Jogurt! Laut Burgert ist er nicht nur vollkommen unbedenklich, es kann sogar gut für das Baby sein, wenn es allergenen Lebensmitteln ausgesetzt wird. „Je abwechslungsreicher sich die Mama ernährt, desto einfacher wird die Umstellung auf Nahrung für das Kind. In der Muttermilch sind Lebensmittelpartikel enthalten, durch die sich das Baby schon mal vorsichtig an das jeweilige Lebensmittel gewöhnen kann.“ Wenn du also Erdnüsse, Soja- und Milchprodukte verträgst, iss sie ruhig in der Stillzeit, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dein Kind sie später auch gut verträgt.
Plazenta essen
Bestimmt hast du schon von Celebritys gehört, die ihre Plazenta gegessen haben – wie Chrissy Teigen und Kim Kardashian. Dass irgendwelche berühmten Leute so etwas tun, heißt noch lange nicht, dass es eine gute Idee ist. Tatsächlich kann das nämlich die Milchproduktion verlangsamen, weil Plazenta Progesteron und andere Hormone enthält, erklärt Reed. Außerdem sammelt sich in der Plazenta alles, was nicht zum Embryo gelangen soll, weil es der Entwicklung des Ungeborenen schaden könnte – wie Schwermetalle und toxische Schadstoffe aus Feinstaub, warnt der Biochemiker und Plazentaforscher Dr. Christian Wadsack. Diese ungesunden Stoffe landen dann nicht nur im Körper der stillenden Person, sondern über die Milch auch in dem des Babys. Zudem könnten Keime, mit denen sich eine schwangere Person infiziert hat, auf das Kind übergehen und zwar auch, wenn die Plazenta getrocknet wurde, wie eine Untersuchung zeigt.
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Retinol
In Form von freiverkäuflichen Hautcremes kannst du laut Reed und Burgert Retinol verwenden, da es nicht ins Gewebe eindringt. Was du allerdings nicht beziehungsweise nur nach Rücksprache mit deiner Ärztin oder deinem Arzt nehmen solltest, sind rezeptpflichtige Retinoide – also synthetische Vitamin-A-Säuren (Tretinoin bzw. Isotretinoin).
Scharf gewürztes Essen
„Es gibt ein paar Mythen über scharf gewürztes Essen“, sagt Reed. „In Wahrheit gibt es allerdings so viele Orte auf der Welt, an denen man prinzipiell mehr oder schärfere Gewürze verwendet und die Menschen, die dort wohnen, stillen ihre Babys auch.“ Solange du dich also it dem Schärfelevel wohlfühlst, ist alles in Ordnung.
Schmerzmittel
Bei Kopf- oder anderen Schmerzen empfehlen Reed und andere Ärzt*innen Ibuprofen oder Paracetamol zu nehmen. ASS (Acetylsalicylsäure) ist dagegen nicht so gut geeignet, so die Apothekerkammer Niedersachsen. Außerdem solltest du auch auf Kombinationspräparate besser verzichten. Bevor du irgendein Medikament nimmst, solltest du jedoch abklären, wodurch die Symptome, die du behandeln willst, entstehen. Beispielsweise können Kopfschmerzen auch durch einen Magnesiummangel, zu wenig Schlaf oder nicht ausreichende Flüssigkeitsaufnahme entstehen. Solltest du häufiger Schmerzen haben, konsultiere bitte einen Arzt oder eine Ärztin.
Soja & Gluten
Sowohl glutenhaltige Nahrungsmittel als auch Soja darfst du essen – solange du nicht allergisch darauf bist oder eine Unverträglichkeit hast. Laut der Mayo Clinic ist Soja sogar eine gute pflanzliche Proteinquelle.
Sonnenstrahlen
Das Wichtigste ist in der Stillzeit eigentlich, ausreichend zu trinken, sagt Reed. Wenn du zu lange in der Sonne bist, dehydrierst du schnell, also achte darauf, deine Speicher anschließend wieder aufzufüllen. Abgesehen davon solltest du dich sowieso eher im Schatten aufhalten und immer geeigneten Sonnenschutz verwenden – das gilt für stillende Eltern und Baby gleichermaßen.
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Tee
Vielleicht hast du in der Drogerie schon spezielle Stilltees entdeckt und fragst dich jetzt, ob sie ihr Geld wert sind. Die Antwort lautet: Jain. Sie enthalten zwar Kräuter, die dein Körper jetzt gut gebrauchen kann, du kannst sie aber auch einfach selbst mischen oder aber ganz normalen Tee kaufen. Milchbildende und entspannend wirkende Kräuter sind zum Beispiel Anis, Kümmel, Fenchel und Bockshornkleesamen. Wobei milchbildend nicht wörtlich zu verstehen ist. Die Kräuter wirken einfach nur beruhigend auf Muskeln und Gefäße aus. Die Folge: Die Stresshormone werden reduziert, du bist entspannter und die stressempfindlichen Milchbildungshormone können ihren Job machen.
Nicht trinken solltest du dagegen Pfefferminz- und Salbeitee – es sei denn, du willst abstillen oder produzierst zu viel Milch. Warum? Weil diese Kräuter die Hormonausschüttung beeinflussen und die Milchbildung bremsen.
Zigaretten
„Manche Mütter erzählen mir, dass sie nicht stillen, weil sie Zigaretten rauchen“, erzählt Reed. Doch sie würde sie dennoch zum Stillen ermutigen, weil Muttermilch sehr viele wichtige Inhaltsstoffe enthält, die das Kind sonst nicht erhalten würde. Jedoch wird dringend dazu geraten, zu versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören oder es wenigstens stark einzuschränken. Und dafür gibt es ziemlich viele Gründe: Babys, die von Raucherinnen gestillt werden, schreien oft häufiger, sind unruhiger und haben ein höheres Risiko für Koliken, Atemprobleme, Wachstumsstörungen, Erbrechen und sogar einen plötzlichen Kindstod. Abgesehen von der Muttermilch ist auch der Rauch, dem Kinder ausgesetzt werden, gefährlich: Das Passivrauchen kann zu Lungenerkrankungen, Bronchitis, Ohrenschmerzen und einem größeren Asthmarisiko führen. Warum also nicht zum Anlass nehmen, komplett mit dem Rauchen aufzuhören? Das geht in der Stillzeit meist sogar einfacher als sonst, denn der Hormoncocktail in deinem Körper reduziert laut der Australian Breastfeeding Association die Abstinenzsymptome.
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