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Warum ich Weihnachten nicht mit meinem Freund verbringe

Foto: Anna Jay.
„Was machst du zu Weihnachten?“ Sobald sich das Jahr dem Ende neigt, ersetzt diese Frage oft Gesprächsaufhänger wie „Wo machst du dieses Jahr Urlaub?“ oder „Wie war dein Wochenende?“. Während die einen einfach nur die unangenehme Stille füllen wollen, interessiert es die anderen tatsächlich. Dementsprechend krass fällt auch ihre Reaktion auf meine Antwort aus: „Ich verbringe Weihnachten nicht zusammen mit meinem Freund, und zwar zum 11. Mal in Folge“ – und plötzlich werden Augen und Münder aufgerissen, Entsetzen macht sich im Gesicht meines Gegenübers breit.
Weihnachten gemeinsam zu verbringen, ist einer dieser Beziehungsmeilensteine, den viele versuchen, Anfang der 20er zu erreichen. Der erste gemeinsame Urlaub und die erste gemeinsame Wohnung fallen übrigens in die gleiche Kategorie. „Paul hat mich gefragt, ob ich Weihnachten dieses Jahr mit seiner Familie verbringen möchte“, erzählte mir eine Freundin letztens super aufgeregt – so als ob die beiden gerade den Coup des Jahrhunderts gelandet hätten. Dabei geht es hier um eine Einladung zu einem dreitägigen Familientreffen inklusive endlos scheinendem, peinlichem Smalltalk. Ich nicke, lächle freundlich und bin innerlich unglaublich für meinen Weihnachtsurlaub dankbar, bei dem ich ganz genau weiß, was mich erwartet. Ich muss mich mit meinen Klogängen nämlich nicht nach Pauls Oma richten und kann den ganzen Tag lang im Schlafanzug verbringen, ohne dafür verurteilt zu werden.
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Jede Familie hat ihre eigenen Weihnachtstraditionen und die meisten nehmen sie extrem ernst. Mein Bruder regt sich zum Beispiel furchtbar darüber auf, dass er mit 30 keinen Adventskalender mehr bekommt. Die Stimmung an Heiligabend kann innerhalb weniger Minuten kippen, wenn es um die Zubereitung von Rosenkohl geht (dämpfen, kochen oder anbraten?). Und Opa fallen die Mundwinkel herunter, wenn wir statt der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten lieber Frozen schauen wollen. Die Weihnachtstage werden schon immer auf eine bestimmte Art und Weise zelebriert. Ändert sich daran plötzlich etwas, drehen alle durch – egal wie klein und unwichtig die Veränderungen scheinen mögen (oder sind). Und ich glaube, ich weiß auch, woran das liegt.
Je älter wir werden, desto mehr haben wir das Gefühl, die Kontrolle über gewisse Dinge zu verlieren. Die Tageszeitung gleicht einem apokalyptischen Roman; dank der Digitalisierung haben wir nicht mehr um 17 Uhr Feierabend, sondern checken um 23:30 Uhr im Bett „noch mal schnell“ Emails. Dazu kommen quälende Gedanken wie „Eigentlich wollte ich jetzt schon eine Familie gegründet und ein Haus gekauft haben“. Mit dem Alter wird einfach alles komplizierter – Geldangelegenheiten, Familie, Beziehung,… Und genau deshalb ist vielen so wichtig, wenigstens einen Tag im Jahr zu haben, der immer gleich abläuft. Eine Konstante. Ein Anker.
Ja, ich gehe auf die 30 zu und wohne schon seit 14 Jahren nicht mehr bei meinen Eltern. Aber am 21. Dezember steige ich in den Zug und fahre nach Hause zu meinen Eltern, um Weihnachten exakt so zu feiern, wie ich es schon immer mache. Meine Weihnachtstraditionen klaut mir niemand. Und da mache ich auch für meinen Freund, den ich wirklich liebe, keine Ausnahme (Randnotiz: Ihm macht es auch nichts aus).
Abgesehen davon, dass ich mich wie ein kleines Kind gegen jegliche Veränderung sträube, gibt es noch einen anderen Grund, warum ich Weihnachten nicht mit meinem Partner verbringen möchte. Meine Eltern und seine Mutter sind viel zu lieb, als dass sie jemals etwas sagen würden, sollten wir uns irgendwann mal dazu entscheiden, die Feiertage zu zweit zu verbringen. Aber es hätte einen großen Einfluss auf ihr Weihnachten und ihre Traditionen. Es würde etwas vom Zauber der Feiertage nehmen und das fände ich sehr traurig. Schließlich geben sie sich, seit die Kinder aus dem Haus sind, extra viel Mühe, die gemeinsame Zeit zu etwas ganz Besonderem zu machen.
Mir ist bewusst, dass ich mich wirklich glücklich schätzen kann, Eltern zu haben, zu denen ich an Weihnachten fahren will und kann. Viele Menschen haben gar kein Zuhause oder ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie. Viele sind unglücklich oder single oder beides und wünschen sich nichts mehr als eine*n Partner*in, mit der*dem sie Weihnachten verbringen können. Ich habe das alles und dafür bin ich sehr dankbar. Und deswegen werden sich meine Weihnachtstraditionen so schnell auch nicht ändern, sondern erst, wenn wir Kinder haben. Ich bin mir sicher, die Mutter meines Freundes würde mir den Kopf abreißen, wenn wir ihr die Enkelkinder vorenthalten und am 24. in der Kleinfamilie Monopoly spielen, statt sie zu besuchen. Aber bis diese Kinder auf der Welt sind, halte ich dickköpfig an dem einen Tag im Jahr fest, der mir Geborgenheit gibt und mich den ganzen Alltagsmist vergessen lässt.
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