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Die Gefahr dabei, wenn Arbeit und „Wellness“ verschmelzen

Foto: Ali Haider/EPA-EFE/Shutterstock.
Die meisten von Kiara McKinneys Kolleg:innen schienen nicht zweimal über das Bootcamp-ähnliche Training nachzudenken, das ihr Chef ihnen vorschlug, um den Zusammenhalt im Team zu fördern. Oder über die Entscheidung, danach Pizza essen zu gehen, weil sie es sich „verdient“ hätten.
Aber für McKinney, die sich von ihrer Essstörung Anorexia nervosa erholte, waren diese Freizeitaktivitäten – und die generelle Einstellung, sich Essen zu „verdienen“ – triggernd und gefährlich. „Ich wollte ihnen so oft sagen, dass ich damit zu kämpfen habe und mich abmelden, aber ich hatte das Gefühl, dass es gegen mich verwendet wird, wenn ich nicht hingehe“, sagt sie. Bis sie Monate später kündigte, gab es nur ein einziges Lauftraining, an dem sie nicht teilnahm, und selbst da „hatte ich das Gefühl, dass sie bewerteten, wie sehr ich mich um mich und meinen Körper kümmerte, und das mit meinem Engagement für das Team in Verbindung brachten – mit meiner Wertigkeit“, erinnert sie sich. „Das war zu einer Zeit, in der ich mich schon schrecklich fühlte, weil ich während meiner Genesung zugenommen hatte, und das machte es für mich doppelt schwer.“
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Bei der Arbeit fühlte sie sich immer häufiger ausgegrenzt. „Ich war auch die einzige Schwarze im Team und einfach anders gebaut“, fügt sie hinzu. „Ich fühlte mich völlig anders als alle anderen.“
Während dieser Zeit stützte sich die heute 28-jährige McKinney auf ihren Therapeuten und ihren Ehemann und machte sich schließlich selbstständig, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Aber ihre Erfahrung zeigt die Schattenseite des andauernden Trends, dass Arbeitgeber versuchen, die Welten von Freizeit und Arbeit zu verbinden.
Seit den 1980er Jahren werfen viele Arbeitgeber „beiläufig das Wort ‚Wellness‘ in den Raum, ohne dass sie viel damit anfangen können“, heißt es im Trendbericht 2023 des The Global Wellness Summit's (GWS). So wenig, dass laut einer Studie von Asana 70 % der „Wissensarbeiter“ auf der ganzen Welt im letzten Jahr ein Burnout erlebten. (Der Begriff „Wissensarbeiter“ – der in der Studie verwendet wird, um Leute zu beschreiben, die „für ihren Lebensunterhalt denken“ – sollte genauer betrachtet werden und wird zu Recht als klassistisch kritisiert. In Wirklichkeit erfordert jeder Job Wissen, unabhängig vom Schulabschluss oder davon, ob du hauptsächlich deinen Kopf, deine Hände oder etwas anderes benutzt). In einer kürzlich vom The Workforce Institute durchgeführten weltweiten Umfrage unter 2.200 Beschäftigten, 600 Führungskräften und 600 Personalverantwortlichen stimmten 38 % der Arbeitnehmenden zu, dass sie „ihren Job nicht ihrem schlimmsten Feind wünschen würden.“
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Denn „Arbeit und Wohlbefinden gingen noch nie wirklich Hand in Hand“, heißt es im GWS-Bericht weiter (dieser Teil des Berichts wurde von Cecelia Girr und Skyler Hubler, Kulturstrateg:innen bei der Werbeagentur TBWAWorldwide, verfasst). „Die Hustle-Kultur lobte uns, wenn wir an unsere Grenzen gingen, und bestrafte uns, wenn wir uns nach nur acht Stunden abmeldeten. Unfaire Bezahlung, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz haben schon lange gezeigt, wie kaputt unser System ist. Und vergessen wir nicht die Entlassungen.“
Die Wahrheit ist, dass ein „gesünderer“ Arbeitsplatz in der Regel für Arbeitgeber und für Arbeitnehmende, die gut behandelt und fair bezahlt werden wollen, etwas Unterschiedliches bedeutet. Vermutlich haben beide ihre eigene Definition von „Gesundheit“. „Lange Zeit haben Arbeitgeber das Thema Wellness mit Dingen wie Schlafsäcken im Büro oder erzwungenen Ausflügen abgedeckt“, fügt Hubler hinzu. „Aber in Wirklichkeit verwischen diese ‚Maßnahmen‘ die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben nur noch mehr.“ Natürlich kann diese Vermischung Arbeitgebern, die sicherstellen wollen, dass ihre Mitarbeitenden engagiert sind, letztlich helfen.
Dennoch prognostiziert der GWS-Bericht, dass sich Wellness am Arbeitsplatz im Jahr 2023 endlich „von einem falschen Versprechen zu einem sinnvollen Maßnahmenplan“ entwickeln könnte. Das fängt mit der aufkeimenden Vier-Tage-Woche an, hört aber damit noch nicht auf. Immer mehr Arbeitgeber bieten nicht nur mehr Urlaubszeit, sondern auch Zugang zu psychologischer Betreuung, Fruchtbarkeitsbehandlungen, Pflegeleistungen für ältere Angehörige und vieles mehr, sagt Beth McGroarty, Vizepräsidentin für Forschung bei GWS.
Die Autoren des GWS-Berichts sind der Meinung, dass nach einer Pandemie, der „Great Resignation“ und Wellen des „Lying flat“ und „Quiet quitting“ die Arbeitgeber einen Anreiz haben, ihren Beschäftigten mehr Zugang zu Wellness-Leistungen zu geben, die ihnen tatsächlich zugute kommen. Aber selbst wenn dieser Bericht richtig ist und mehr Unternehmen ihre Beschäftigten und deren Gesundheit wirklich positiv unterstützen, gibt es immer noch viele Arbeitgeber, die etwas falsch machen. Das zeigt sich sowohl bei einigen „Wellness-Programmen“ für Mitarbeiter als auch bei den Aktivitäten, die Chefs mit ihren Teams beim Networking durchführen.
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Das kann man an Geschichten wie der von McKinney und an anderen aktuellen Beispielen sehen. In der New York Times erschien kürzlich ein Artikel mit dem Titel „The Hottest Place to Network Is an Ice Bath“, in dem der Geschäftsführer von Daring Foods, Ross Mackay, über die hohe Fluktuation in seinem Unternehmen für pflanzliche Lebensmittel berichtet. Mackay sagt in dem Artikel, dass er „nur eine Lösung“ für dieses Problem sah. Nein, sie bestand nicht darin, den Leuten mehr zu zahlen oder die Arbeitszeit zu verkürzen, sondern… die Leute dazu zu bringen, gemeinsam in ein Eisbad zu springen. Nach sechs Minuten in einem eiskalten Bad sagte Mackay der Times: „Unsere Endorphine schossen durch die Decke und wir fühlten uns alle großartig.“ Das habe ihnen geholfen, die Herausforderungen in ihrem Unternehmen zu meistern.
Ich zum Beispiel habe schon mal ein Eisbad genommen und konnte es kaum zwei Minuten in der quälenden Wanne aushalten, geschweige denn sechs vor den Augen meiner Kolleg:innen. Auch wenn es noch so gut gemeint ist, können solche Teamaktivitäten bei manchen Menschen ein ungutes Gefühl hervorrufen. Die Anfrage, sich zu den Einzelheiten dieser Geschichte zu äußern, lehnte Mackay über einen Sprecher ab.
JaNaè Taylor, PhD, Psychotherapeutin und Gründerin von Minding My Black Business, nennt Aktivitäten wie diese „gut gemeint, aber daneben.“ „Ich erschaudere sofort, wenn ich an ein Spa-Erlebnis denke und daran, dass du dich in diesem verletzlichen und heiligen Raum mit deinen Kolleg:innen befindest, wo du nicht deine normale Kleidung trägst und vielleicht sogar einen Badeanzug tragen musst“, sagt sie. Du bist vielleicht nicht in der Lage, dich voll und ganz zu entspannen, und du bist dir übermäßig bewusst, dass du in dieser Situation mit deinen Kollegi:nnen bist, anstatt dich auf das zu konzentrieren, was sie sagen. Wahrscheinlich holst du weder aus der Arbeit noch aus der Entspannung das Beste heraus, und das Ganze wird zur Show.
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Selbst für diejenigen, die normalerweise Eistauchen oder Bootcamp-Workouts genießen würden, kann die Verknüpfung zur Arbeit den Spaß an dem, was einmal ein geschützter Raum war, in dem sie sich selbst geheilt und gepflegt haben, zunichte machen.
Dr. Taylor schlägt vor: Wenn du willst, dass deine Mitarbeitenden sich entspannen und wohlfühlen, dann zahle ihnen mehr Geld und gib ihnen angemessene Arbeitszeiten, damit sie in ihrer Freizeit den Wellness- oder Gesundheitsaktivitäten nachgehen können, die ihnen gut tun. Und wenn du einen Weg zur Teambindung finden willst, dann lass deinen Mitarbeitenden die Wahl, damit sie sich nicht gezwungen fühlen, das zu tun, was die ranghöchste Person tun will. Wenn du deinen Mitarbeitenden Wahlmöglichkeiten gibst, kannst du als Arbeitgeber unzählige „wellnessXwork“-Fallen vermeiden. „Es könnte Situationen geben, in denen jemand mit einer Behinderung Anpassungen benötigt“, sagt Dr. Taylor. „Es könnte auch ein finanzieller Aufwand sein, um an einen Ort zu kommen, an dem man sich mit dem Team trifft. Und wenn es sich um ein Spa-Erlebnis handelt, wer erbringt dann die Dienstleistung? Ist es ein Mann oder eine Frau? Wenn es um Schönheitspflege wie eine Gesichtsbehandlung geht, weiß der Fachkraft, wie man mit Schwarzer Haut umgeht?“ Das sind alles Dinge, die Arbeitgeber berücksichtigen müssen – und es kann nur hilfreich sein, den Mitarbeitenden die Wahl zu lassen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Mitarbeitenden einen Raum zu geben, in dem sie sich austauschen können, wenn ihnen eine Entscheidung unangenehm ist, ohne dass sie verurteilt werden.
Anekdotische Beweise deuten aber darauf hin, dass diese Art von Umfeld immer noch selten ist.
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Als ich für diese Geschichte einen Aufruf machte, hörte ich von Dutzenden von Menschen, die das Gefühl hatten, dass sie von ihren Chefs zu Wellness- oder Fitnesserlebnissen „gezwungen“ worden waren. Jemand erzählte mir, dass sie weinte, als ihr Chef sie aufforderte, sich zum „Teambuilding“ von einer 40 Fuß hohen Plattform fallen zu lassen. Sie stand am Rand und weinte, während ihre Kolleg:innen von unten zujubelten. Eine andere Person erinnerte sich, dass ihr Chef eine „Keto-Challenge“ organisierte, bei der ihr BMI auf einer großen, öffentlichen Tafel ausgehängt und sie vor ihren Kolleg:innen gewogen wurde. Andere erinnerten sich daran, dass sie zu SoulCycle-Kursen, Gleitschirmfliegen und langen Wanderungen gezwungen wurden.
Kate Bernyk, eine Kommunikationsstrategin aus New York, erinnert sich daran, dass ihr Arbeitgeber früher im Rahmen eines Wellness-Programms seinen Mitarbeitenden Rabatte für Fitnessstudios und das Diätprogramm Weight Watchers zukommen ließ – so konnten sie weniger für ihre Gesundheitsversorgung zahlen, wenn sie daran teilnahmen. (Diese Art von „Challenges“ sind nicht ungewöhnlich und dienen oft dazu, den Arbeitgebern eine Ersparnis bei den Krankenversicherungskosten zu verschaffen, obwohl eine Studie im JAMA Health Forum ergab, dass vom Arbeitgeber geförderte Wellness-Programme nur wenige Vorteile bringen). Bernyks Team machte oft Gruppentrainings oder sie sprachen über ihre eigenen Diäten. All das führte dazu, dass sie sich beurteilt und entmutigt fühlte.
„Die meiste Zeit bin ich die einzige dicke Person im Raum“, sagt sie. „Es fühlt sich an, als würden alle darüber diskutieren, was sie heute tun, um nicht wie Kate auszusehen. Ich weiß, dass sie das nicht wirklich meinen, aber das ist die Botschaft, die gesendet wird“, sagt sie.
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Bernyk bekam eine neue Stelle und ließ dieses Umfeld hinter sich, aber bevor sie ging, sagte sie ihrem Chef, wie unangenehm ihr die Bürokultur war. Er hörte ihr zu, aber sie weiß, dass es für Menschen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen oder Repressalien fürchten, oft nicht möglich ist, diese Dinge anzusprechen. „Eigentlich sollte es Aufgabe des Arbeitgebers sein, dafür zu sorgen, dass er sichere Räume schafft und darauf achtet, wie er das sogenannte ‚Wohlbefinden‘ umsetzt“, sagt sie. Die Frage, die sich Arbeitgeber zuerst stellen müssen, lautet: „Was ist ‚Gesundheit‘ und wer definiert sie?“ sagt Bernyk. „Meine Definition ist vielleicht nicht die gleiche wie deine, und die Leute sehen mich an und treffen Entscheidungen über meine Gesundheit, ohne etwas über meine Blutwerte, meine Essstörungen oder sonstiges zu wissen. Du kannst diese Urteile nicht fällen, denn ‚Gesundheit‘ ist unglaublich individuell und für jeden einzigartig.“
„Wenn ich arbeite, hat meine Figur, das, was ich in meiner Freizeit tue, und die Art und Weise, wie ich mich um mich selbst kümmere, sehr wenig mit meinem Gehalt und dem, wofür ich bezahlt werde, zu tun“, fügt sie hinzu.
Sowohl Bernyk als auch McKinney sind der Meinung, dass es Aufgabe der Arbeitgeber sein sollte, dafür zu sorgen, dass ihre „Wellness“ Maßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der Situation führen. Das ist eine erweiterte Form davon, den Menschen Wahlmöglichkeiten zu geben, Dr. Taylors Schlüsselelement für ein gesundes Arbeitsumfeld.
Die Realität ist jedoch, dass nicht alle diese Möglichkeiten haben werden. Deshalb empfiehlt Bernyk, bei Vorstellungsgesprächen Arbeitgeber auszusieben, die schädlich sein könnten. „Bei Vorstellungsgesprächen würde ich immer nach der Arbeitskultur fragen und insbesondere: ‚Wie engagieren Sie sich für die Mitarbeitenden und was sind Beispiele dafür, wie Sie die Mitarbeitenden zusammenbringen?‘ Ist es ein virtueller Spieleabend oder eine Klausurtagung?“ Es kann auch hilfreich sein, nach den Sozialleistungen zu fragen und danach, was „Wellness am Arbeitsplatz“ für einen Arbeitgeber bedeutet. Das ist im Grunde genommen eine Umkehrung des Drehbuchs, das manche Arbeitgeber verwenden, um herauszufinden, ob potenzielle Mitarbeitende zur Unternehmenskultur passen - so auch Mackay, der in dem Times-Artikel erwähnte, dass er und Bewerber:innen bei einem Vorstellungsgespräch „eine Stunde lang einen Infusionstropf gelegt und ein Gespräch geführt haben… Wir brauchen jemanden, der zu unserer Kultur passt, und das ist eine gute Möglichkeit, das herauszufinden.“
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Es stimmt, dass Kultur der Schlüsselfaktor ist, und obwohl jede:r die Autonomie haben sollte, seinen Infusionstropf alleine zu genießen – wenn er:sie das möchte – und sein:ihr Unternehmen so zu führen, wie er:sie es für richtig hält – müssen diejenigen in Machtpositionen vorsichtig sein, wie sie mit Wellness umgehen.
„Das Wichtigste ist, dass du deinen Arbeitnehmern die Möglichkeit gibst, ihr Wohlbefinden selbst in die Hand zu nehmen und ihnen die Mittel dafür an die Hand gibst, sei es in Form von Zeit oder Geld oder was immer du als Arbeitgeber aufbringen kannst“, sagt McKinney, die inzwischen ihr eigenes Unternehmen führt. „Erwachsene sollten selbst über ihren Tagesablauf bestimmen können – und auch über ihre Gesundheit.“
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