Erfolgreiche Frauen müssen weniger nett sein, weniger Gefühle, dafür aber auch mal Kante zeigen. Kurzum: Wer als Frau Erfolg haben will, muss sich verhalten wie ein Mann. Aber warum eigentlich? Warum müssen Frauen – aber auch Männer – ihre vermeintlich weichen, weiblichen Eigenschaften verleugnen und ablegen, um Erfolg zu haben?
Weniger lächeln, eiskalt sein und auch mal die Ellbogen einsetzen: Karriereratgeber für Frauen listen solche und ähnliche Tipps als gute Methoden, um im Job weiterzukommen. Was die Tipps eint, ist, dass sie Frauen empfehlen, sich männlicher zu verhalten. Während typisch weibliche Verhaltensweisen eher „weich“ sind („die Frauen“ sind emotional, sensibel und empfänglich für die Gefühle anderer), sind männliche Verhaltensweisen härter und damit offenbar wirtschaftlicher: Man schreibt Männern zu, rational, kühl und durchsetzungsstark zu sein. Die Logik der Karrieretipps für Frauen ist zunächst also nachvollziehbar: Je weiter eine Frau in der Unternehmenshierarchie nach oben klettert, umso wahrscheinlicher sind ihre gleichrangigen Kollegen Männer. Ihre Verhaltensweisen zu kopieren erscheint da nur logisch, schließlich heißt es nicht umsonst: „Wenn du in Rom bist, verhalte dich wie die Römer.“.
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Blöd nur, dass das nicht so einfach ist. Im besten Fall wird man als „eine von den Jungs“ akzeptiert. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass Verhaltensweisen, die bei einem männlichen Kollegen als Führungsqualitäten ausgelegt werden, eine Frau zur Zicke machen. Das Beyonce schon vor Jahren sagte: „I’m not bossy. I’m the boss“, ist in Deutschen Führungsetagen noch nicht angekommen. Hier lässt man Frauen immer noch auf dem schmalen Grat des Boss(y)-Begriffs balancieren und verurteilt sie harsch, wenn sie nicht dem Bild entspricht, das man von „professionell“ hat.
Egal ob dasAnpassen an maskuline Verhaltensweisen funktioniert oder nicht: Frauen kostet das Kraft. Neben den Aufgaben, für die man eingestellt worden ist, hat man als Frau noch die „Fleißaufgabe“, dass man doch bitte möglichst professionell sein soll. Professionell sind dabei Verhaltensweisen, die aber wiederum als typisch männlich konnotiert sind: Man soll knallhart sein mit den Mitbewerbern oder Kollegen (wobei die Grenzen zwischen den Gruppen oft sehr fließend zu sein scheinen). Man soll sich selbst und seine Fähigkeiten verkaufen nach dem Motto „Fake it till you make it“. Man soll vor allem aber seine Gefühle aus dem Spiel lassen. Das bedeutet genauso, Entscheidungen vermeintlich gefühllos zu treffen, wie sein Privatleben aus der Arbeit rauszuhalten. Du berücksichtigst bei Personalentscheidungen die Motivation deiner zukünftigen Mitarbeiter mehr als ihre Noten? Unprofessionell. Du bittest darum, ein Meeting nicht um 18:00 Uhr stattfinden zu lassen, weil du deine Kinder abholen musst? Unprofessionell. Übrigens gilt auch: Du lächelst viel? Unprofessionell.
„Typisch männliche“ Verhaltensweisen prägen unser Bild davon, was professionell ist und was man tun muss, um erfolgreich zu sein. Die Folgen dieses Fokus auf „maskuline“ Verhaltensweisen in der Wirtschaft sind nicht nur auf Frauen beschränkt. Die Finanzkrise 2008 wurde ausgelöst durch hochspekulative Börsengeschäfte. Die Finanzbranche, die dahintersteht, brüstet sich nicht nur in Filmen wie „Wall Street“ oder „Wolf of Wall Street“ damit, knallhart und auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. Studienund Artikel [g1] zum Thema zeigen, dasssich immer wieder Broker zu waghalsigsten und rücksichtslosesten Manövern hinreißen lassen, wenn denn der persönliche Erfolg dahinter groß genug ist. Der Großteil der leitenden Angestellten auf der Wall Street? Männer.
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Zu sagen,dass es unfair ist, Männer pauschal dafür verantwortlich zu machen, dass die Weltwirtschaft fast vor die Hunde gegangen wäre, ist richtig. Aber das ist auch gar nicht der Punkt. Nicht das Geschlecht der Führungsriege per se macht es Frauen in der Karriere schwer. Es sind die Rollenbilder, die mitschwingen und als Erfolgsfaktor definiert werden.
Die Lösung: Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen offener sein, wenn es um ihre Definition von Professionalität geht. Nicht aus purer Nächstenliebe. Sondern - und das pfeifen mittlerweile selbst Wirtschaftsmagazine wie die HarvardBusiness Review[g2] von den Dächern - weiles finanzielle Einbußen zur Folge hat, wenn ein Unternehmen es nicht tut. Es ist durch Studien belegt, dass diversere Teams erfolgreicher sind, als homogene Arbeitsgruppen. Denn verschiedene Backgrounds fördern neue Sichtweisen und Innovationen. Dinge, auf die kein Unternehmen verzichten kann, das langfristig bestehen will.
Es reichtjedoch nicht zu sagen „Wir wünschen und so sehr Frauen in unseren Unternehmen!“ und dann zu greinen und öffentlich zu beklagen, dass es doch sooo schwer sei, jemand passenden zu finden (Shoutout an alle Tech-Startups, die sich das in 2017 noch zu sagen trauen). Diversity im Unternehmen zu fördern ist nämlich mehr als ein „Girls Day“, eingefrorene Eizellen und ein paar hübsche Models auf den Mitarbeiterbroschüren. Es bedeutet, dass man Frauen mehr als nur einen Platz am Tisch gibt. Man sollte ihnen auch eine Stimme dazugeben und sie bei Unternehmensentscheidungen mitdenken.
Zunächst kannsich jeder fragen: Was bedeutet für mein Unternehmen, vor allem aber für mich selbst erfolgreich und professionell zu sein? Ist man eine gute Führungskraft, weil man seine Belange durchsetzt, egal, was langfristig die bessere Entscheidung wäre? Muss ein guter Mitarbeiter sich auf Teufel komm raus selbst verkaufen oder reicht es, dass er seinen Job im stillen Kämmerlein großartig macht? Bedeutet ein „guter Boss“ zu sein, gefürchtet zu werden, oder möchte man eine Umgebung fördern, in denen jeder seine Fähigkeiten einbringen kann?
Diese Fragenklingen erstmal mehr nach Waldorfschule als nach wirtschaftlichem Erfolg. Über diesen Schatten muss man aber springen: An den alten Begriffen von „professionellen“ Mitarbeitern und „erfolgreichen“ Chefs festzuhalten blockiert wertvolle, derzeit noch ungenutzte Potenziale. Neben Frauen sind es nämlich auch andere Minderheiten, denen ihre nur scheinbar mangelnde Professionalität Karrierewege verstellt. Und auch bei Männern regt sich Widerstand gegen das Diktat, dass nur knallharte Typen richtig gute Mitarbeiter sind. Seitdem etwa klar ist, dass zum Vatersein mehr gehört, als Samstags zum Spielplatz mitzukommen, fällt auch vielen Vätern auf, wie schmal der Karriereweg sein kann.
In einer fairen Realität würden wir alle so lange protestieren, bis es eine gerechte Arbeitswelt gäbe. In der jeder so sein kann, wie er sich wohl fühlt und seine Stärken die Welt ein Stück besser machen. In der Wirklichkeit verbringen wir manchmal den Großteil des Tages damit, Befindlichkeitskriege zu führen, um bloß keine Schwäche zu zeigen. Das schadet der Wirtschaft. Das schadet Unternehmen. Es schadet uns. Wenn es unprofessionell ist, zu viel lächeln kann es nämlich ganz leicht passieren, dass wir bald alle nichts mehr zu lachen haben.
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