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Wie mich 150 erste Dates zum „Dating-Burnout“ führten

Nachdem ich mich von dem Mann getrennt hatte, von dem ich geglaubt hatte, er sei „der Richtige“ für mich – er wollte keine Kinder, ich aber schon –, stürzte ich mich mit dem Kopf voraus direkt wieder in den Dating-Pool. Ich verschwendete keine Zeit: Ich verabredete mich sofort für zwei bis drei Dates pro Woche, mit den meisten der Typen, die Lust hatten, mich zu treffen. 
An manchen Tagen swipte ich so viel, dass ich das Gefühl in meinen Fingern verlor. Die Dates waren gar nicht alle schlecht, meistens eher so lala, doch einige brannten sich mir (auf negative Art) ins Gedächtnis: Da war zum Beispiel der Typ, der noch mit seiner Ex-Freundin zusammenwohnte, und der, der nicht an Rassismus „glaubte“. Ein anderer erzählte mir direkt beim ersten Date von seinen Traumata und teilte wahnsinnig persönliche (und verstörende) Details aus seiner Kindheit mit mir.
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Trotzdem schenkte mir das Dating ein Gefühl der Zielstrebigkeit – zu einer Zeit, während der ich mir ansonsten eher planlos vorkam. Weil ich auf keinen Fall allein sein wollte, wurde das Dating zu meinem größten Hobby, meinem einzigen Zeitvertreib; es war wie eine Art zweiter Job. Ich stimmte fast jedem zu einem Date zu und redete mir selbst ein, es sei etwas Gutes, anderen eine Chance zu geben, selbst wenn ich mich überhaupt nicht zu ihnen hingezogen fühlte. Dennoch: Je mehr Dates ich hinter mich brachte, desto niedergeschlagener wurde ich. Mit der Zeit schlitterte ich in eine tiefe Depression.
Mit jedem Date hinterfragte ich immer stärker mein Selbstwertgefühl: Bin ich kaputt? Bin ich nicht gut genug für einen Partner? Was zur Hölle stimmt nicht mit mir? Mit jedem Swipen wurde ich unzufriedener mit mir selbst – und war zusätzlich unglücklich darüber, dass ich so unglücklich mit meinem Single-Dasein war. Ich wurde zynisch und zog mich immer weiter zurück. Manchmal machte ich mich selbst und mein Kindheitstrauma dafür verantwortlich, wie „unliebenswürdig“ ich doch inzwischen war.
Nach 150 ersten Dates – yup, ich war tatsächlich auf 150 ersten Dates! – wurde mir dann klar, dass ich mitten in einem Dating-App-Burnout steckte. Ich hatte es satt, immer und immer wieder dieselben Gespräche zu führen: Wo wohnst du? Was machst du in deiner Freizeit? Wohin verreist du dieses Jahr? Darüber hinaus war ich oft diejenige, die die meisten Fragen stellte, und obwohl ich ganz gerne Interviews führe, fühlte sich das nach einiger Zeit sehr einseitig und anstrengend an.
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Also beschloss ich, mal etwas Neues auszuprobieren. Nach Jahren der Therapie und verschiedener Antidepressiva meldete ich mich zu einer Ketaminbehandlung an. Das kam mir vor wie eine letzte Option. Obwohl der Prozess nur sehr langsam voranschritt – es dauerte ein paar Sitzungen, bis ich überhaupt etwas merkte –, sorgte es mit der Zeit dann doch für eine Erleichterung. Mir fiel auf, dass ich allmählich nachsichtiger mit mir selbst umging. Ich redete mir selbst positiver zu und konnte mich selbst davon abhalten, einen negativen Gedankenpfad einzuschlagen. Single zu sein, kam mir gar nicht mehr so schlimm vor. Es war einfach bloß ein Beziehungsstatus. Ich akzeptierte, dass mein Weg eben mein Weg war, und schenkte mir selbst mehr Mitgefühl.
Im Laufe der Zeit lernte ich, mal einen Gang runterzuschalten und gezielter zu handeln. Ich löschte alle Dating-Apps bis auf eine und nahm mir vor, eine Pause vom Swipen einzulegen, wann immer ich merkte, dass der Frust mal wieder in mir hochkochte. Und ich beschloss, dass ich meine Zeit für andere Dinge nutzen würde, wenn ich gerade mal keine Dates im Kalender zu stehen hatte. Das wiederum hat mir das Gefühl geschenkt, mehr Kontrolle über mein eigenes Leben zu haben. Obwohl ich mir manchmal immer noch wünsche, endlich „den Richtigen“ zu finden, fühle ich mich heute erfüllter. Letztlich habe ich gelernt: Egal, wie einsam du dich vielleicht fühlst – mehr Dates sind nicht zwangsläufig die beste Lösung dafür.
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