Die 22-jährige JJ Smith, besser bekannt als Sailor J, ist zwar erst seit einigen Monaten in der YouTube-Szene aufgetaucht, hat aber jetzt schon über 200.000 Abonnenten und insgesamt mehr als neun Million Zuschauer generiert. Doch sie ist keine typische Tutorial-YouTuberin, die einem das perfekte Smokey Eye erklärt – ihr Content ist politisch versiert, feministisch und geistreich. Ihre Beauty-Vlogger-Parodien reichen thematisch von Kosmetik-Techniken wie Contouring („Wenn Männer herausfinden, dass wir unsere Form verändern können, ist alles vorbei!”) bis hin zur Belustigung über Wörter wie ’Schlafzimmerblick' („Ein Ausdruck, der von ekligen Männern im Club verwendet wird, die nicht verstehen, dass man ihnen kein Zeichen gegeben hat, dass man sich mit ihnen paaren zu möchte.).
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Wir haben sie getroffen, und mit ihr über unrealistische Beauty-Standards, die Herausforderungen eines politischen Online-Auftrittes und ihr Leben beim Militär gesprochen.
Refinery29: Wieso hast du mit YouTube begonnen?
„Ich bin bei der US Air Force in Florida stationiert und lebe weit weg von meiner Familie, die in St. Louis wohnt. Meine Schwester ist in der High School und ist gerade in dem Alter, in dem sie Jungs und Kosmetik anfangen zu interessieren. Das Video „Getting a Man 101” habe ich für sie als Scherz aufgenommen, als sie mir schrieb, dass ein Junge sie nur zum Date einladen würde, wenn sie Mascara trägt. Das Video ist eine Satire und eigentlich nur für meine Schwester bestimmt, um ihr zu zeigen, dass sie sich nicht für Männer schminken soll, doch es ist durch die Decke gegangen.”
Refinery29: Das Video verbreitete sich wirklich schnell. Wie war das für dich?
"Ich hatte zwischendurch echte Panik, weil ich nicht wusste, wie ich das erste toppen sollte. Was, wenn es nicht lustig ist? Aber das zweite Video „Contouring 101” wurde ebenfalls super angenommen. Mich wundert bis heute, wie schnell das alles ging. Es ist immer noch komisch für mich, dass jetzt so viele Menschen mit mir interagieren und mich anschreiben."
Refinery29: Hast du ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber deinen Abonnenten?
„Auf jeden Fall! Nach dem Contouring-Video habe ich täglich mehrere hundert Abonnenten dazugewonnen. Eine von ihnen ist eine Frau mit uramerikanischen Wurzeln und sie schrieb mir, dass sie sich freut, endlich mehr auf YouTube geboten zu bekommen, als Tutorials von hellhäutigen Beauty-Vloggern*innen, die sich für einen Look von 'Indianern' haben inspirieren lassen. Ich hatte zuvor keine Ahnung, wie viele solcher Videos mit kultureller Aneignung auf der Plattform zu finden waren, also drehte ich eine Parodie darauf („Wie man ein Thanksgiving-Make-up schminkt, das nichts mit den 566 staatlich anerkannten Volksstämmen zu tun hat”), das gemischt aufgenommen wurde. Manche Kommentare waren positiv, weil sich Menschen endlich gesehen gefühlt haben, andere haben es verrissen. Danach gab es scheinbar die Erwartungshaltung, dass jedes meiner Videos sehr politisch und provokativ werden würde. Aber manchmal möchte ich auch einfach über Harry Potter sprechen oder betrunken aus den Twilight-Büchern vorlesen.”
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Refinery29: Bekommst du Kritik dafür, feministische Inhalte auf YouTube zu posten?
„Ich denke, viele Menschen haben ein ganz spezifisches Bild davon, wie mein YouTube-Kanal sein soll. Meine Interessen sind jedoch breit gefächert und das möchte ich auch deutlich machen. Wann immer ich von Politik und feministischen Inhalten abgewichen bin, um witzige Videos über das Studium oder Sternzeichen zu drehen, habe ich sehr viel negatives Feedback bekommen. Ich sei eine schlechte Feministin oder eine Verräterin. In meinen Augen bedeutet Feminismus, dass jedem die Freiheit gegeben wird, zu tun und zu sagen was sie (oder er) möchte. Frauen dürfen genauso Hausfrauen sein und zuhause bleiben, wie sie die große Karriere verfolgen dürfen und sich trotzdem Feministinnen nennen. Viele Mädchen und Frauen fühlen sich unwohl das Wort Feministin zu benutzen, weil es mit einem Stereotyp behaftet ist. Meine Antwort darauf war mein „I Have Failed My Fellow Woman”-Video.”
Refinery29: Wieso hast du dich für Satirevideos zum Thema Beauty entschieden?
„Ich liebe Make-up und folgte früher vielen Instagram-Models, die Tutorials hochgeladen haben. Auf der einen Seite bringen sie Interessierten natürlich vieles bei, auf der anderen Seite steht der Fakt, dass alle einem gewissen Schönheitsideal entsprechen. Ich tue das nicht, aber habe genauso die Berechtigung vor der Kamera zu stehen und mich mit Beauty auf meine eigene Art zu beschäftigen und den Menschen das Thema nahezubringen. Sich auf eine humorvollen Weise damit auseinanderzusetzen ist meiner Meinung nach ein guter Weg Kosmetik nicht allzu ernst zu nehmen.”
Refinery29: Wie inklusiv ist die Beauty-Branche deiner Meinung nach?
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„Wir haben ein klares Schönheitsideal: schmale Nasen, perfekte Zähne, hohe Wangenknochen und helle Haut. Das sollte so nicht mehr akzeptiert werden. Ich weiß gar nicht, wie wir da alle so lange mitgemacht haben, ohne dass wir uns dagegen gewehrt haben. Ich würde mir gerade in Bezug auf Hautfarben wünschen, dass dunkle Typen nicht so stark gemieden werden. Viele Kosmetikmarken haben bis heute bloß einen einzigen Ton für schwarze Frauen – als ob sie eine universelle Hautfarbe hätten. Es ist so, als würde man gar nicht existieren. Die Branche gibt bisher vor, was Schönheit bedeutet. Ich hätte mir in meiner Kindheit so sehr gewünscht, Frauen wie mich in den Medien zu sehen. So hätte ich mein lockiges Haar als etwas Schönes gesehen und gewusst, dass es okay ist, so auszusehen wie ich.”
Refinery29: Wie ist es für dich beim Militär zu sein?
„Ich bin dazu gekommen, weil ich aus der Armut herauswollte. Damals war ich 18 Jahre alt und es war ein guter Weg Geld zu verdienen, aber ich war so lange die einzige Frau in meiner Abteilung. Es war kein gutes Klima. Das Militär braucht meiner Meinung nach sein eigenes Times-Up-Movement.”
Refinery29: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
„Ich möchte meine Gemeinde vergrößern und über weitere wichtige Themen wie (sexuelle) Nötigung oder Depressionen sprechen. Auch Comedy interessiert mich als großen SNL-Fan sehr. Früher war ich zu schüchtern, um vor die Kamera zu treten, jetzt fühle ich mich sehr wohl und würde auch andere Formate als YouTube nicht ablehnen.”
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