Das Jahr 2020 ist wie eine riesige Fallstudie zum menschlichen Verhalten während einer Pandemie: Die Einführung grundlegender Sicherheitsmaßnahmen und die völlige Weigerung einiger Menschen, sich an diese Regeln zu halten, ist auf bizarre Art irgendwie faszinierend. Überall macht sich allmählich eine kollektive Pandemiemüdigkeit breit, und Selbstfürsorge war für viele vermutlich noch nie so wichtig. Demnach ist es wohl gut nachvollziehbar, dass die Corona-Krise auch zu einem neuartigen Bedarf nach freiwilligen kosmetischen Eingriffen geführt hat.
Allerdings ist es 2020 etwas schwieriger, herauszufinden, welche Behandlungen am beliebtesten sind. Viele Patient:innen entscheiden sich nämlich bewusst dazu, ihre Eingriffe nicht an die große Glocke zu hängen. Das hat damit zu tun, dass nicht-lebensnotwendige Eingriffe während einer Pandemie ein heikles Thema sind. Um dennoch ermitteln zu können, welche kosmetischen Trends sich in Zeiten der Corona-Ära durchgesetzt haben und sehr stark im Kommen sind, haben wir einige namhafte plastische Chirurg:innen aus den USA gebeten, die gefragtesten Eingriffe dieses Jahres mit uns zu teilen. Finde heraus, was 2020 hinter ihren verschlossenen Büro- und OP-Türen passiert ist.
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Augenbehandlungen
Jede:r plastische Chirurg:in wird bestätigen, dass das Tragen eines Mundschutzes unsere Aufmerksamkeit übermäßig auf die Augenpartie und die Straffheit der Haut in diesem Bereich lenkt. Das hat zu einem Anstieg der Anfragen nach Augenbrauen-Liftings, Botox-Behandlungen und Wimpernverlängerungen geführt. Durch diese kosmetischen Eingriffe wird das Aussehen jener Stellen verbessert, die beim richtigen Tragen einer Corona-Maske unbedeckt und somit sichtbar bleiben.
Der Chirurgin Melissa Doft zufolge sind diese Behandlungen typischerweise klein, minimalinvasiv und werden in einigen Fällen sogar präventiv vorgenommen. „Vor der Corona-Krise wurde eine Botox-Behandlung im Augenbereich meist von Patient:innen angefordert, die bereits erste Fältchen aufwiesen“, erklärt Dr. Doft. „Neuerdings wollen sich aber auch Personen, die noch keine ausgeprägten Falten haben, die Augenlider mithilfe dieses Nervengifts liften lassen.“
Sarah Quinn, medizinische Leiterin des Arcadia Wellness-Zentrums, hat eine ähnliche Tendenz wie Dr. Doft bemerkt. „Die Anfragen nach Injektionen im mittleren und oberen Gesichtsbereich sind bei uns dieses Jahr um fast 30 Prozent angestiegen“, berichtet Quinn. „In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Brauenliftings, bei denen Botox direkt unter die Augenbrauen gespritzt, um so die Bögen anzuheben, und im Stirnbereich eingesetzt wird, um Zornesfalten zu glätten oder etwaigen sonstigen Falten entgegenzuwirken. Und den neuen Look abzurunden, fragen viele unserer Patient:innen jetzt auch nach speziellen Seren, durch die die Wimpern lang, dicht und so voll wie möglich erscheinen.“
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Lippeninjektionen
Das Positive an dem Ganzen ist aber, dass das Tragen einer Schutzmaske es ermöglicht und vereinfacht, Blutergüsse und Schwellungen zu verbergen. Diese sind typischerweise eine Begleiterscheinung von Lippeninjektionen. „Überraschenderweise sind Lippeninjektionen immer noch sehr gefragt“, sagt Dr. Doft. „Ursprünglich war ich davon überzeugt, dass das Interesse an diesem kosmetischen Eingriff stark schwinden würde, weil unsere Lippenpartie aufgrund der Maskenpflicht ja jetzt die meiste Zeit bedeckt ist. Wie es aussieht, nutzen viele Personen diese Zeit aber, um Neues auszuprobieren. Durch das Tragen eines Mundschutzes lassen sich Blutergüsse oder Schwellungen wesentlich einfacher verheimlichen. Das erklärt, warum die Zahl der Patient:innen ansteigt, die sich zum ersten Mal so einer Behandlung unterziehen.“
Präventive Hautstraffung
Sich das Fett unterhalb der Kieferpartie absaugen zu lassen, sei Dr. Doft zufolge ebenfalls ein sehr beliebter Eingriff dieses Jahr. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich in Zeiten, in denen Zoom und TikTok unser Leben beherrschen, niemand mit einem schlaff herunterhängenden Doppelkinn präsentieren will. Bei diesem Eingriff handelt es sich um eine invasivere Methode der Liposuktion, mit der einer Hauterschlaffung entgegengewirkt wird. „Die Nachfrage nach einer solchen Behandlung ist momentan immens groß und vor allem bei jüngeren Patient:innen zu spüren“, teilt Dr. Doft mit. „Diese Entwicklung kann auf Eitelkeit zurückgeführt werden: Laptop- oder Handy-Bildschirme zeigen uns oft in einem eher unschmeichelhaften Licht. Oft ist der Winkel unvorteilhaft und lässt uns so aussehen, als hätten wir ein übertrieben großes Doppelkinn.“
Sich Fett absaugen zu lassen ist sowohl kostspielig als auch mit mindestens einer einwöchigen Ausfallzeit verbunden. Damit ist diese Behandlung invasiver als eine Hautstraffung im Hals- oder Kinn-Bereich, wie das „Mono-Threading“ zum Beispiel. Schauspielerin Eva Mendes berichtete vor Kurzem von ihrer Erfahrung mit dieser Prozedur, bei der Akupunkur-Nädelchen oder Fäden um die Kinnpartie herum injiziert werden. Ihre Kosmetikerin Mariana Vergara erklärte, dieser hautstraffende Eingriff sei in Evas Fall präventiv durchgeführt worden. „Monofäden aktivieren die Kollagensynthese, was eine allmähliche Verdickung und Straffung der Haut zur Folge hat und einen Verjüngungseffekt bewirkt“, erklärte Vergara.
„Natürliche“ Alternativen zu Botox
Gwyneth Paltrows Arzt des Vertrauens, Dr. Julius Few, sagt voraus, dass im neuen Jahr abgespeckte Botox-Alternativen an Beliebtheit gewinnen werden. „Botox und viele andere beliebte muskelentspannende Injektionsmittel auf dem Markt enthalten Proteine zur Stabilisierung“, erklärt er. Durche neue Technologien könne man jetzt das aktive Molekül von den Proteinen ringsum trennen, die „Wissenschaftler:innen zufolge möglicherweise unnötig sind. Als Folge können Hersteller:innen diese neuen Erkenntnisse dazu nützen, um eine Botox-ähnliche Wirkung ohne diese zusätzlichen Proteine zu ermöglichen. Diese können nämlich für Hautirritationen an der Injektionsstelle oder Entzündungen verantwortlich sein.“ Während sich also die Medizin weiterentwickelt wird und so innovative Technologien entstehen, können wir dieses Jahr auf einzigartige Weise miterleben, wie sich damit auch kulturelle Normen verändern.