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Hört auf, Vätern lauter zu applaudieren als Müttern

@MarkZuckerberg
„Das ist aber toll von ihm“: Donnerstagabend, Holztisch, Kerzenlicht. Zwei bewundernde Augenpaare fixieren mich in einer Bar in Berlin-Kreuzberg. Sie gehören zu zwei Bekannten, beide beinahe Dreißig, beide beruflich erfolgreich, beide weiblich. „Dass er das machen würde!“
Es klingt danach, als hätte ich gerade angekündigt, dass sich mein Freund den Ärzten ohne Grenzen anschließt. Stattdessen habe ich erzählt, dass er ein Jahr Auszeit vom Job nehmen würde, sollten wir innerhalb der nächsten Jahre Nachwuchs planen.
Diese Unterhaltung spielte sich in der Großstadt ab. Ich wage aber, zu behaupten, dass es egal ist, ob sie nun in Berlin oder Buxtehude geführt wird. Sobald man erzählt, dass man plant, die Aufgabenverteilung in Bezug auf den Nachwuchs gleichberechtigt aufzuteilen, erntet man Bewunderung. Dafür, dass man einen so tollen Freund hat. Und nein, Gleichberechtigung heißt in diesem Zusammenhang nicht, dass ich nachts alle zwei Stunden aufstehe, während er sonntags den Müll runterbringt und am Wochenende Instagramfotos in einem viel zu großen Fußballtrikot macht.
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Sobald sich Männer in Sachen Kindererziehung für etwas verantwortlich fühlen, das bei Frauen als selbstverständlich wahrgenommen wird, sieht unsere Gesellschaft Anlass zum Applaus. „Mensch, da hast du aber ein Glück!“, sagen meine Bekannten. Ja, nicke ich. Es klatscht gleich. Aber keinen Beifall.
Ein Beispiel ist Mark Zuckerbergs Facebookpost, in dem er Anfang März ankündigte, dass er und seine Ehefrau Priscilla Chan erneut Eltern werden. Zuckerberg ist nicht nur ein Schönwetterpapa: Er teilt neben den ersten Schritten von Töchterchen Max auch die schweren Seiten, die er und Chan bis zur Schwangerschaft durchlaufen mussten.
Das ist wunderbar – und trotzdem ertappe ich mich selbst dabei, mit leuchtenden Augen Screenshots zu machen, sobald er sich zu seiner Familie äußert. Den 556.000 Likes unter dem Post nach zu urteilen, geht das nicht nur mir so. Doch warum stehe ich sofort bereit, um extralaut zu applaudieren, wenn Männer „we do our best to raise another strong woman“ sagen?
Szenenwechsel. Ein Kinobesuch der Die Schöne und das Biest-Premiere am vergangenen Wochenende. Ein Vater hat seine als Belle verkleidete Tochter ausgeführt und trägt selbst das Outfit des Biests. Ein Imgur-Nutzer knipste einen Schnappschuss, das Internet verfiel kollektiv in Schnappatmung. Süß? Oder einfach Standard und lediglich beklatschenswert, weil es eben vermutlich der Papa ist und nicht die Mama?
Auch abseits von Twitter und Facebook sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. 80% der Väter nehmen hierzulande nur zwei Monate Elternzeit, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Dabei handelt es sich um das Minimum, um die Voraussetzungen für den Erhalt des Elterngelds zu erfüllen. Die Autorin Kerstin Lottritz kritisiert im Artikel, dass viele Männer sie gleichzeitig mit den Elternmonaten der Mutter nehmen, um gemeinsam zu reisen. Natürlich möchte niemand einer jungen Familie vorschreiben, wann ein gemeinsamer Urlaub zu dritt verbracht werden soll. Wohl darf man aber am Konzept zweifeln, wenn im Schnitt ein Hauptteil des Alltags im ersten Babyjahr an der Mutter hängen bleibt.
Wie viel Wahlfreiheit bleibt uns wirklich, wenn wir Vätern bei Dingen applaudieren, die bei Müttern vorausgesetzt werden? Gar nicht mal so viel.
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