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Wieso Gesichtsdiagnosen zur Aknebekämpfung Quatsch sind

Foto: Caroline Tompkins
Dr. Anjali Mahto ist Dermatologin und Autorin des Buches The Skincare Bible: Your No-Nonsense Guide To Great Skin. Wir haben sie gefragt, was ihre Meinung zu Gesichtsdiagnose ist.
Gesichtsdiagnose ist, gerade wenn es um Aknebehandlung geht, ein Konzept, das einfach nicht totzukriegen ist. Das hört sich jetzt vielleicht hart an, aber ich habe zahllose Scharlatane gesehen, die so tun, als handele es sich hierbei um eine wissenschaftlich bewiesene und seriöse Methode, die Menschen hilft, ihre Hautprobleme in den Griff zu bekommen. Um das vorweg schon mal klarzustellen: Das ist sie nicht.
Die traditionelle Gesichtsdiagnose hat ihre Wurzeln in der chinesischen und ayurvedischen Medizin. Es wird oft behauptet, dass damit die Ursache von Unreinheiten analysiert werden kann. Das hört sich natürlich für viele Menschen verlockend an, denn in einer Welt, in der wir tagtäglich mit massenhaft Information, vermeintlich unendlichen Möglichkeiten und tausend neuen Produkten zugemüllt werden, sehnen wir uns nach einfachen Antworten. Unsere eigene Haut „kontrollieren“ zu können, verspricht eine Art Anker inmitten des Chaos.
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Aus medizinischer Sicht ist die Gesichtsdiagnose sowohl anatomisch als auch physiologisch sinnlos.

Menschen, die versuchen, dir die Gesichtsdiagnose schmackhaft zu machen, vertreten die Idee, dass je nachdem, wo in deinem Gesicht Hautunreinheiten auftreten, Rückschlüsse auf ein Problem mit einem anderen Organ in deinem Körper gezogen werden können. Beispielsweise sind diese Leute der Meinung, dass Pickel auf der Stirn auf Verdauungsprobleme hinweisen und Mitesser auf den Wangen für Schwierigkeiten mit der Lunge stehen. Der gleichen Idee bedienen sich die gerade in den letzten Jahren sehr beliebt gewordenen Theorien des Wein- oder Gluten-Gesichts. Angeblich führt Alkoholkonsum zu herabhängenden Augenlidern und vergrößerten Poren, das gefürchtete Gluten zu einem aufgequollenen Gesicht. Aus medizinischer Sicht ist die Gesichtsdiagnose sowohl anatomisch als auch physiologisch sinnlos. Auch gibt es keinerlei wissenschaftliche Studie, die die „Befunde“ der Gesichtsdiagnose als Ursachen von Akne oder Hautalterung erklären wollen, unterstützen.
Und dann ist mir da noch was aufgefallen: Diese „Diagnosen“ kommen häufig von Menschen, die im Gen-Lotto in Sachen Haut einfach Glück gehabt haben und in der Regel ein Nahrungsergänzungsmittel, einen Diätplan oder eine Hautpflegeserie zu verkaufen haben. Ganz schön praktisch, wenn man Leuten sagt, dass ihre Hautprobleme durch ihre Ernährungsweise oder die falsche Pflegeroutine kommen und ihnen dann direkt die Lösung verkaufen kann, oder? Ich habe aufgehört, mitzuzählen, wie viele Frauen verzweifelt in meine Praxis gekommen sind und mir erzählt haben, dass sie unglaublich viel Geld für teure „Therapien“ ausgegeben haben, ihre Hautprobleme aber noch da sind.

Wieso du Pickel im Gesicht, auf dem Rücken und der Brust bekommst? Weil dort die höchste Dichte von talgproduzierenden Drüsen vertreten ist.

Das alte Konzept der Gesichtsdiagnose wird besonders ausgeschlachtet, um Leuten blödsinnige Ratschläge zu geben, was sie essen oder nicht essen sollten. Das führt allerdings nicht zu schöner Haut, sondern kann im schlimmsten Fall Mangelernährung und sogar Essstörungen zur Folge haben. Einige Naturheilkundler (die keineswegs Ärzte sind) haben sich im Laufe der Zeit mit ihren Aussagen ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und behauptet, ein Blick in das Gesicht eines Menschen würde ihnen sagen, was diese Person isst und wie ihre Haut altert. Darauf muss ich leider erwidern: Sowohl Akne als auch Hautalterung hängen von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, darunter Umwelt- und hormonelle Einflüsse. Sich einzig und allein auf die Ernährungsweise einer Person zu konzentrieren, lässt die Komplexität menschlicher Haut vollkommen unberücksichtigt.
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Aber wieso bekommst du Pickel im Gesicht, auf dem Rücken und der Brust? Weil dort die höchste Dichte von talgproduzierenden Drüsen vertreten ist. Es wurden wissenschaftliche Studien durchgeführt, die das ganz eindeutig belegen. Ich möchte auch nicht leugnen, dass manche Pickel auf externe Faktoren zurückzuführen sind. Beispielsweise können Pickel auf der Stirn daher rühren, dass dein Haarstylingprodukt ölhaltig ist. Gleiches gilt für reichhaltige Gesichtspflege oder Foundations, die die Poren der Gesichtshaut blockieren und so zu Mitessern führen können. Wenn du auf den Wangen viele Pickel hast, könnte eventuell dein Handy schuld sein: Die Bakterien auf dem Touchscreen übertragen sich beim Telefonieren schnell auf deine Haut, wenn noch Wärme und Druck hinzukommen. Ich habe in meiner Praxis häufig gesehen, dass sich die Akne bei erwachsenen Frauen vielfach auf die untere Gesichtshälfte und den Hals konzentriert – die sogenannte „U-Zone“. Aber keine dieser Umstände ist damit verknüpft, dass man an unserer Gesichtshaut unsere Ernährungsweise oder gar den Zustand unserer gesundheitlichen Verfassung ablesen kann.
Anders als andere Organe ist die Haut eines, um das sich nicht nur Ärzt*innen kümmern. Da ist einerseits sehr viel Geld mit den Unsicherheiten der Konsument*innen zu verdienen, andererseits ist die Haut ganz einfach ein Organ, bei dem man weniger Schaden anrichten kann als zum Beispiel beim Herzen. Und so tummeln sich hier auch allerlei Diagnose- und Therapieansätze, denen schlichtweg die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Dazu gesellen sich der Plazebo-Effekt und unser Wunsch, ein Allheilmittel zu finden. So kommen Leute ungestraft damit davon, allerlei unsinnige Ratschläge zu geben, die einfach so lange wiederholt werden, bis sie zur Wahrheit werden.
Was ich deshalb empfehle, ist vielleicht unspektakulärer als eine Gesichtsdiagnose: Lerne, nicht jedem Scharlatan zu glauben, der dir erzählt, er habe die Wunderlösung zu all deinen Problemen. Wenn du eine Hautkrankheit hast, gehe zu einer oder einem ausgebildeten Dermatolog*in.

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