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Der gefährliche Zusammenhang zwischen Hautproblemen & Essstörungen

Foto: Ana Larruy.
Dr. Anjali Mahto ist Dermatologin und Autorin von The Skincare Bible: Your No-Nonsense Guide To Great Skin.
Ich behandle nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt Patient:innen mit Hautproblemen, und Akne ist eines meiner stärksten Interessengebiete. Im Laufe der letzten Jahre ist mir dabei einiges aufgefallen, was mir Sorgen macht. Dank der wachsenden Beliebtheit von „Wellness“ zerbreche ich mir immer mehr darüber den Kopf, wie sie sich auf unsere Beziehung zum Essen auswirkt – insbesondere im Kontext der Behandlung von Hautproblemen.
Lass uns kurz ein bisschen weiter ausholen: Mir ist klar, dass ich in meinen Privatkliniken nur eine sehr spezifische Auswahl an Patient:innen sehe. Viele haben eine lange Leidensgeschichte mit Akne, die meisten sind weiblich und sind finanziell gut gestellt; das liegt einfach an der Bevölkerung in den Vierteln von London, in denen meine Praxen liegt. Diesen Menschen geht es nicht nur um die Gesundheit ihrer Haut, sondern um ihr generelles Wohlbefinden. Und zu dem Zeitpunkt, an dem sie einen Termin bei mir vereinbaren, haben sie häufig schon diverse Behandlungsmethoden ausgeschöpft. Dazu gehört zum Beispiel eine Umstellung ihrer Hautpflegeroutine, wobei sie auf der Suche nach dem „richtigen“ Produkt vielleicht schon Tausende Euros hingeblättert haben, oder eine Anpassung ihrer Ernährung, oft mit nur wenig Erfolg.
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Und genau diesen Trend kann ich nur schwer ignorieren. Viele Patient:innen erzählen mir, sie hätten Milchprodukte, Gluten und Zucker aus ihrer Ernährung gestrichen, um damit hoffentlich ihr Hautbild zu verbessern. Viele schränken ihre Ernährung aktiv so weit ein, dass ich darin eine ungesunde Besessenheit erkenne. So lassen sie sich beispielsweise Ausreden einfallen, um nicht mit Freund:innen ins Restaurant zu gehen, weigern sich, den liebevoll gebackenen Geburtstagskuchen zu essen oder lassen die gelegentliche Mahlzeit ganz ausfallen, wenn kein Café oder Restaurant in der Nähe ist, in dem es „akzeptables“ oder „erlaubtes“ Essen gibt. Ich setze mich daher nicht mehr nur mit der Akne meiner Patient:innen selbst auseinander, sondern ebenso mit ihrer teils sehr greifbaren Angst vor manchen Lebensmitteln.
Aber sehen wir uns doch mal die Wissenschaft rund um den Zusammenhang von Akne und Ernährung an. Der wird schon seit Jahrzehnten diskutiert – bleibt aber weiterhin umstritten. Gute, hochwertige Ernährungsstudien sind schwierig umzusetzen, da sie sich häufig darauf verlassen, dass sich die Teilnehmer:innen an ihre Ernährung erinnern können. Kannst du dich gut daran erinnern, was du letzte Woche gegessen hast – geschweige denn vor zehn Jahren? Was wir aber sehr wohl wissen, ist, dass es eine Verbindung zwischen der Entstehung von Akne und Lebensmitteln mit hohem glykämischen Index (GI) gibt. Das heißt: Zucker spielt hier womöglich durchaus eine Rolle. Ich würde das allerdings nicht so deuten, dass es dann das Beste sei, Zucker ganz vom Speiseplan zu streichen, sondern ihn bewusst zu konsumieren. Das tut nicht nur deiner Haut gut, sondern auch deinem generellen Wohlbefinden.
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Lebensmittel als das alleinige Hautproblem abzustempeln, ist daher grob vereinfacht und berücksichtigt nicht die zahlreichen Faktoren, die Akne auslösen können.

Der Zusammenhang zwischen Hautproblemen und Milchprodukten ist im Vergleich dazu deutlich schwächer, kann aber in einer kleinen Gruppe Menschen durchaus von Bedeutung sein – das gilt aber nicht für jede:n! Aus Gründen, die noch nicht ganz nachvollzogen sind, scheinen fettarme Produkte dabei schlimmer zu sein als ihre hochprozentigeren Alternativen. Dennoch: Ich habe jede Menge Patient:innen, die sich vegan ernähren und trotzdem Pickel haben, und viele Patient:innen haben ganze Lebensmittelgruppen aus ihrer Ernährung gestrichen, ohne dadurch eine Hautverbesserung erreicht zu haben. Lebensmittel als das alleinige Hautproblem abzustempeln, ist daher grob vereinfacht und berücksichtigt nicht die zahlreichen Faktoren, die Akne auslösen können – wobei auch Hormone und Genetik eine Rolle spielen.
Gehen wir einen Schritt weiter: Die Einschränkung der eigenen Ernährung ist schlimm genug – worüber ich aber überhaupt nicht hinwegsehen kann, ist das Food-Shaming. Damit meine ich, wenn Leute es für gesellschaftlich akzeptabel halten, ungebetene Ratschläge oder Urteile über jemandes Essgewohnheiten zu verteilen und sie anhand dieser Gewohnheiten für ihre Hautprobleme selbst verantwortlich machen. Ich spreche da aus Erfahrung; genau das ist mir selbst schon passiert. Das kann viele Formen annehmen – zum Beispiel die des Fremden, der dir erzählt, du hättest Akne, weil du an einem heißen Sommertag ein Eis isst. Oder die der besorgten Verwandten, die dich auffordert, die Schokolade wegzulegen, weil du davon bestimmt Pickel kriegst. Oder die des Trolls auf Instagram, der dir schreibt, dass deine schlechte Haut ja kein Wunder isst, weil du schließlich letztens ein Foto von einer Pizza gepostet hast.
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Wir leben in einer Welt des Informationsüberflusses. Jede:r hat eine Stimme und eine Plattform – und dank Social Media erreichen wir damit ein viel größeres Publikum als noch vor 20 Jahren. Aber ist das etwas Gutes? Wie soll man die wissenschaftlich glaubhaften Stimmen aus denen der ganzen Scharlatan:innen herausfiltern? Wenn dich deine Hautunreinheiten in die Verzweiflung treiben und dein Selbstwertgefühl im Keller ist, ist es total verständlich, dass du im Internet nach Rat suchst. Das Schwierige daran ist, dass nicht alle Ratschläge gleichwertig sind und viele einander widersprechen – manchmal selbst die von (vermeintlichen) medizinischen Expert:innen. Und nur, weil Lösung A für Person A funktioniert, ist das keine Erfolgsgarantie für dich. Wir sind schließlich alle einzigartig, mit unseren eigenen Genen, eigenen Lebensumständen, eigenen Organen und unserer eigenen Haut.
Akne wird schon seit Langem mit diversen mentalen Beschwerden wie Angststörungen, Depressionen, sozialer Isolation und einem schlechten Selbstbild in Verbindung gebracht. Wenn wir potentiell davon Betroffenen jetzt auch noch sagen, sie sollten ihre Ernährung einschränken, ist das ein Problem – das sich jedoch überall in den sozialen Medien beobachten lässt, wo beispielsweise naturheilkundliche Blogger:innen versprechen, der „Wurzel des Problems“ via Ernährungsanpassungen auf die Spur zu gehen.
Niemand leugnet, dass eine gesunde Ernährung wichtig für deine Haut ist. In Sachen Hautgesundheit und -erkrankungen spielt das Essen und Trinken, das du konsumierst, diverse Rollen. Das anzuerkennen, ist aber nicht dasselbe, wie Akne-Betroffenen wegen ihrer Ernährung ein schlechtes Gewissen einzureden und ihnen ungebetene, wissenschaftlich nicht fundierte Ratschläge zu erteilen. Daraus entsteht eine unfaire Kultur der Schuld, die ohnehin schon leidende Menschen für ihre Probleme verantwortlich macht. Ich höre immer wieder von meinen Patient:innen, dass sich solche Kommentare negativ auf ihre geistige Gesundheit auswirken oder gestörte Essgewohnheiten auslösen. Viele zerbrechen sich dadurch den Kopf darüber, was sie essen oder haben Angst davor, in der Öffentlichkeit etwas Ungesundes zu konsumieren. Freund:innen von mir, die in der Ernährungsbranche oder der Psychologie arbeiten, erzählen mir, dass ich mit diesen Beobachtungen nicht allein bin und sie dasselbe in ihren Kliniken feststellen.
Was ist also die Lösung? Wenn du selbst von Akne betroffen bist und dich in diesem Artikel wiedererkennst, ist es wichtig, dass du dir (fundierten!) medizinischen Rat holst. Fällt dir außerdem auf, dass jemand in deinem Umfeld zugunsten der Haut die eigenen Essgewohnheiten einschränkt, ermutige ihn oder sie, mit jemandem darüber zu sprechen. Unterhalte dich ganz offen mit deinen Hausärzt:innen oder Dermatolog:innen über deine Essgewohnheiten und -sorgen. Noch dazu kann es helfen, dich parallel zur Behandlung deiner Hautprobleme von Ernährungsberater:innen oder Psycholog:innen beraten zu lassen. Die Lebensmittel, die du isst oder trinkst, sind nicht entweder „gut“ oder „schlecht“ – diese Aufteilung ist viel zu binär. Dich gut für deine Haut zu ernähren, erfordert langfristige, gesunde Essgewohnheiten; mach dich also bitte nicht dafür fertig, wenn du heute mal ein paar mehr Süßigkeiten gefuttert hast!
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