Wer daran denkt mit dem Laufen anzufangen, bisher aber nicht den Ehrgeiz aufgebracht hat, sich endlich aufzuraffen: Der Herbst ist die optimale Jahreszeit, um anzufangen. Wirklich. Es ist schön kühl, die Parks werden nicht mehr belagert von zahllosen Familien und grillenden Menschengruppen und die Luft ist frisch und klar. Morgens und abends findet sich außerdem noch genug Zeit für eine Runde vor, beziehungsweise nach der Uni und Arbeit, bevor es zu dunkel wird. Für mich als Laufbegeisterte könnte der Herbst gerne ein halbes Jahr andauern.
Wie bei allem ist es aber auch beim Laufengehen ratsam, vorbereitet zu sein. Wie findest du die richtigen Laufschuhe? Wie kannst du Verletzungen vorbeugen? Welche Geschwindigkeit und Entfernungen sind für dich geeignet und warum solltest du überhaupt laufen gehen? Alles Gedanken, die auch mich beschäftigt haben und teilweise noch immer beschäftigen – man lernt ja nie aus.
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Um dir für all diese Fragen die besten Antworten zu liefern, habe ich mit jemandem gesprochen, der es wirklich wissen muss. Sportwissentschaftler und Gesundheitsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse leitet das Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung an der Deutschen Sporthochschule Köln, hat bereits mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht und tritt regelmäßig als Experte in deutschsprachigen Medien auf.
Wer weiß, vielleicht ist nach diesem Interview ja dein Ehrgeiz geweckt.
Refinery29: Warum ist Laufengehen so gesund?
Prof. Dr. Ingo Froböse: Laufengehen fördert unsere Ausdauer und die ist die Grundlage für Fitness und Gesundheit und verbessert nicht nur die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems, sondern beugt gleichzeitig auch vielen gesundheitlichen Problemen vor. Die wesentlichen Vorteile sind eine Verbesserung der Durchblutung im Gewebe, die Optimierung und Stärkung der Herzarbeit durch eine Reduktion der Herzfrequenz, die Stärkung des Herzmuskels und die Senkung des Blutdrucks sowie die Förderung der Sauerstoffversorgung in den Zellen. Außerdem hilft regelmäßiges Laufen gegen Müdigkeit und Abgeschlagenheit, verbessert den Gemütszustand und hebt die Stimmung an, weil verschiedene Glückshormone während des Trainings ausgeschüttet werden. Zusätzlich stärkt das Laufen an der frischen Luft das Immunsystem, so dass unsere Abwehrzellen effektiv stimuliert werden. Die regelmäßige Bewegung kann auch helfen Stress abzubauen und die Stressresistenz zu verbessern.
Wie finde ich als Anfänger*in den richtigen Laufschuh und worauf muss ich achten?
Die richtigen Laufschuhe bilden die wesentliche Grundlage und verdienen daher ganz besondere Beachtung. Ein Laufschuh soll bequem sitzen, möglichst leicht und zugleich so fest wie nötig sein, um dem Fuß Halt zu bieten. Der Fußschweiß muss rasch entweichen können und der Schuh sollte gut gedämpft sein und genug Platz bieten, da der Fuß beim Joggen mehr Spiel nach vorne braucht. Eine Druckstelle, die du im Laden kaum gespürt hast, kann beim Laufen schnell zu einer Blase führen und die schöne Joggingtour wird zur Tortur. Deshalb unbedingt auf die perfekte Passform achten! Mein Tipp: Laufschuhe eher in den Abendstunden kaufen. Denn sowohl beim Laufen, als auch nach einem langen Tag auf den Beinen dehnen sich die Füße aus, das kann bis zu einer halben Nummer ausmachen.
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Laufe ich besser alleine oder in einer Gruppe?
Diese Frage muss jede*r für sich selbst beantworten, denn beides hat seine Vor- und Nachteile. Gerade beim Einstieg ins Training kann eine Gruppe motivieren und du kannst von der Erfahrung deiner Mitlaufenden profitieren. Auf der anderen Seite ist es schwer in der Gruppe ein eigenes Tempo zu finden und dieses auch zu halten. Wer allein läuft, hat zudem den Vorteil weniger abgelenkt zu sein und achtet somit genauer auf Atmung und Wohlbefinden. Ob du lieber in Ruhe läufst und die Natur genießt oder die Geselligkeit einer Gruppe bevorzugst, musst du also für dich selbst entscheiden.
Wie finde ich das perfekte Lauftempo?
Das perfekte Lauftempo variiert je nach Trainingsziel und individuellen Grundvoraussetzungen. Wer einen lockeren Regenerationslauf macht, wird gemütlich traben, den Puls niedrig halten und die Muskulatur schonen. Wer wiederum im Grundlagenbereich trainiert, ist etwas schneller unterwegs. Die allgemeine Faustformel „Laufen ohne zu schnaufen“ ist dabei eigentlich immer hilfreich, da man sich so nicht überfordert – dies gilt für Einsteiger*innen ebenso wie für Fortgeschrittene. Eine andere Methode ist die Herzfrequenzmessung. Sie hilft dir dabei persönliche Pulsempfehlungen für die verschiedenen Trainingsziele auszurechnen. Der beste Indikator ist jedoch der eigene Körper. Damit du dein eigenes Körpergefühl besser schulen kannst, solltest du dich also nicht zu sehr auf Fitnesstracker oder andere Gadgets verlassen, sondern auf deinen Körper hören.
Worauf muss ich gerade im Winter achten, um Verletzungen zu vermeiden?
Wer in der kalten Jahreszeit laufen möchte, sollte sich langsam an die Trainingsbelastung gewöhnen. Ein ausgedehntes Warm-up ist Pflicht. Aus Sicherheitsgründen solltest du dein Training in die hellen Tageszeiten legen. Falls du aber lieber im Dunkeln läufst, sind Stirnlampe, Reflektoren und helle Kleidung empfehlenswert. Wenn du gesundheitlich bereits angeschlagen bist, verzichte auf dein Training. Atme bei sehr kalter Luft durch die Nase, auf diese Weise ist die Luft leicht angewärmt, bevor sie in die Bronchien gelangt. Verlege dein Training bei Temperaturen unter minus zehn Grad nach innen, denn die kalte Luft kann die Lungenbläschen schädigen. Was die Kleidung angeht, so empfiehlt sich das Zwiebelprinzip mit atmungsaktiver Kleidung und eine Kopfbedeckung. Nach dem Training solltest du die feuchte Sportkleidung schnell ausziehen.
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Welches sind die häufigsten Fehler beim Joggen und wie kann ich sie vermeiden?
Hochmotiviert einfach loslaufen solltest du tunlichst lassen, um Überlastungsschäden zu vermeiden. Für Lauf-Neulinge sind 15 bis 20 Minuten Dauerlauf pro Einheit im ersten Monat völlig in Ordnung, damit sich Bänder und Sehnen an die neue Belastung anpassen können. Danach sollten die Trainingsumfänge eher maßvoll gesteigert werden. Immerhin belastet jeder Jogging-Schritt die Gelenke und Knochen etwa mit dem Zweieinhalb- bis Dreifachen des eigenen Körpergewichts. Der Leistungszuwachs kommt durch Kontinuität. Höre auf deinen Körper. Sobald dir plötzlich schwindelig wird, du starke Schmerzen oder Atemnot hast, solltest du eine Pause machen. Auch ein Besuch beim Arzt ist empfehlenswert, bevor du anfängst regelmäßig Laufen zu gehen.
Wie wärme ich mich richtig auf?
Aufwärmen fördert die Strukturen der Durchblutung, verbessert die Übertragung der Nervenimpulse auf die Muskeln und macht Bänder und Sehnen elastischer, der Stoffwechsel wird angeregt. Muskeln, Sehnen und Bänder werden durch das Aufwärmen auf die folgende Belastung eingestellt. So beugst du Verletzungen vor. Starte bei Ausdauereinheiten mit gedrosseltem Tempo. Als Faustregel gilt: Je intensiver die nachfolgende Belastung ist, umso gründlicher und länger sollte auch die Erwärmung sein.
Richtig Aufwärmen ist nicht schwer: Starte mit einer allgemeinen Erwärmung des ganzen Körpers. Erst schnelles Gehen, dann lockeres Traben, dann leichtes Jogging. So kommen Stoffwechsel und Kreislauf auf Touren. Nach etwa zehn Minuten können Übungen wie Knieheben, Anfersen oder Skipping folgen. Auch Steigerungsläufe sind geeignet. Klassischer Fehler: Du wärmst deinen Oberkörper nicht auf. Er sollte er immer Teil der Erwärmung fürs Laufen sein.
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Schmerzen in Waden, Knien, am Unterrücken ... welche Zipperlein können worauf hindeuten?
Nach einem anstrengenden Training schmerzen die Muskeln? Das ist eine ganz normale Reaktion des Körpers auf die Belastung. Leider sind diese Grenzen zwischen Muskelkater und Verletzung für den Laien manchmal schwer zu unterscheiden. Als Orientierung gilt: Klingt der Schmerz nach drei Tagen nicht ab, kann das ein Hinweis auf eine Verletzung der Muskeln sein. Auch bei Muskelkater solltest du dich nicht direkt wieder belasten. Bei einer Muskelverhärtung oder Zerrung ist der Schmerz lokal begrenzt und die Bewegung ist eingeschränkt. Anders sieht es bei Muskelfaserrissen aus. Je nach Schwere sollte hier eine Pause von mindestens drei Wochen eingehalten werden. Bist du bereits gesundheitlich angeschlagen, verzichte auf das Training. Aus einer Erkältung kann dann schnell eine Infektion oder gar eine Herzmuskelentzündung werden.
Wie werde ich Seitenstechen schnell wieder los und woher kommt es überhaupt?
Es gibt keine wissenschaftlich gesicherte Theorie, woher Seitenstechen tatsächlich herrührt. Doch es gibt viele Vermutungen. Die populärste Theorie ist eine Sauerstoffunterversorgung des Zwerchfells, das als Muskel mit für die Atmung verantwortlich ist. Unter Belastung wird die Atmung schneller, die Ein- und Ausatmungsphasen kürzer. Das Zwerchfell wird nur wenig durchblutet, wodurch lokale Krämpfe ausgelöst werden können. Für diese Vermutung spricht, dass Seitenstechen durch eine verbesserte Atemtechnik positiv beeinflusst werden kann. Wenn du Seitenstechen bekommst, nimm das Tempo zurück, atme tief ein oder nimm die Arme hoch, während du einatmest und lasse sie beim Ausatmen fallen. Insgesamt hilft ein verbesserter Trainingszustand und vor allem gleichmäßiges Atmen.
Und die wichtigste Frage: Wie lange vor und nach dem Laufen sollte man auf Essen verzichten? Ist das überhaupt nötig?
Die letzten zwei bis drei Stunden vor dem Training sollten „essfreie Zone“ bleiben. Nur bei extremen Dauerläufen kannst du eine halbe bis eine Stunde vor dem Laufen eine leichte, kohlenhydratreiche Nahrung zu dir nehmen. Wer mit vollem Bauch trainiert, wird kein optimales Training vollziehen können. In den Stunden vor dem Training solltest du keine allzu schweren, fettreichen Mahlzeiten zu dir nehmen, sondern auf leichte, aber kohlenhydratreiche Kost setzen. Snacks während kürzerer Trainingsläufe sind überflüssig. Doch bei Langstrecken wird vor allem die Banane häufig als „Zaubernahrung“ bezeichnet. Auch industriell gefertigte Energieriegel bieten eine gute Alternative bei langen Trainingseinheiten.
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