12 Kinder erzählen, wie es ist, mit LGBTQ-Eltern aufzuwachsen
Zuletzt aktualisiert am 30. November 2017, 11:45
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Damals, als die Mutter der Fotografin Gabriela Herman sich als homosexuell geoutet hatte, wusste Gabriela nicht, wie sie damit umgehen sollte. Sie war in der High School und kannte sonst niemanden mit LGBT-Eltern (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender), obwohl sie in einer liberalen Stadt in Neuengland auf eine liberale Schule ging. „Es war zu der Zeit noch sehr ungewöhnlich“, sagt die heute 36-jährige New Yorkerin am Telefon. „Ich habe damals mit niemandem darüber geredet, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass man es verstehen würde. Nicht einmal mit meinen Geschwistern habe ich darüber gesprochen, und wir waren sonst super eng miteinander und redeten für gewöhnlich über alles.“
Nach einigen Therapiesitzungen, die sie als schmerzhaft und nicht sonderlich hilfreich empfand, und einer Phase, in der sie sogar den Kontakt zu ihrer Mutter abbrach, konnte Gabriela letztlich die Beziehung ihrer Mutter zu einer anderen Frau akzeptieren. Der Prozess wurde durch den Beginn ihres Fotoprojekts „The Kids“ unterstützt, für das sie durch Amerika reist und Porträts von Müttern und Vätern macht, die schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell sind.
Als sie vor sieben Jahren mit dem Projekt begann, war ihre einzige Spur die amerikanische Non-Profit-Organisation namens COLAGE, mit der ihre Schwester sie in Kontakt gebracht hatte. COLAGE half den Leuten dabei, mit dem zurechtzukommen, wenn sie mit LGBT-Eltern ein Problem hatten. Sie ging zu einem Treffen und fand zum ersten Mal einen Raum voller Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. „Für mich waren diese Treffen therapeutisch, denn zuvor hatte ich meine Geschichte weder mit jemandem geteilt noch angesprochen. Als ich hörte, wie andere Leute das machten, fühlte ich mich allmählich viel wohler und lernte diese ganze Gemeinschaft kennen, von deren Existenz ich bis zu dem Zeitpunkt rein gar nichts wusste.“
Gabriela hat mittlerweile über 100 Kinder von LGBT-Eltern aus der ganzen USA fotografiert, wobei laut Schätzungen des Williams Institutes sogar rund sechs Millionen Menschen mit LGBT-Eltern in Amerika leben. Sie hat dabei herausgefunden, dass unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Erfahrungen machen: „Für manche Kids war es nie schwierig, sie sagten schlichtweg: ‚Das sind meine Eltern’ – vor allem, wenn sie in eine Familie mit LGBT-Eltern hineingeboren wurden“, sagt sie. Für andere gab es viel Verlegenheit, Scham und Heimlichtuerei. „Manchmal waren es sogar die Eltern, die ihre Kinder drängten, die Dinge geheim zu halten, um zu verhindern, dass andere Kinder sie in der Schule deswegen ärgerten.”
Eine der ungewöhnlichsten Geschichten für Gabriela, war die eines kalifornischen Mädchens namens Chelsea, die biologisch mit ihren beiden Vätern verwandt war, weil die Spermien des einen mit der Eizelle der Schwester des anderen kombiniert wurden. „Ich fand das phänomenal“, sagt Gabriela. „Ich dachte, ich hätte bereits alles gehört, und dann war sie die erste Person, auf die ich traf, die die DNA von ihren beiden Vätern hatte, es war unglaublich.”
Eine andere Geschichte, war die einer Frau namens Danielle, die von sechs Eltern großgezogen wurde. „Das war ein wirklich einzigartiges Szenario“, lacht Gabriela. „Es gab ein lesbisches und ein schwules Pärchen, die sich dazu entschieden hatten, gemeinsam Kinder zu bekommen, also hatte eine der Mütter und einer der Väter sie und ihren Bruder gezeugt. Dann haben sich die Väter scheiden lassen und beide neue Partner gefunden, also hatte sie vier schwule Väter und zwei lesbische Mütter, die sie als eine große Familie aufgezogen haben.”
Und dann gab es da eine viele Kinder, die sie „die zweite Generation“ nennt. Kinder, die sich auch selbst als LGBT bezeichnen.
Was Gabriela im Laufe der Recherchen feststellte, war, dass es je nachdem, wo die jeweiligen Leute leben, einfacher oder schwerer ist, damit umzugehen. Für Kids im Castro-Bezirk von San Francisco war es ziemlich normal, einen schwulen Vater zu haben: „Jeder hatte einen schwulen Vater!“, scherzt sie. Aber für Kids, die im ländlichen Nebraska oder anderen abgelegenen Gebieten aufwachsen, wo die Vielfalt überschaubarer ist, waren die Dinge scheinbar sehr viel härter.
Ob die Kinder sich letztlich auch zur LGBT-Gemeinde zählten, scheint allerdings keinen Einfluss auf die Akzeptanz zu haben. „Für die einen stellt es einen großen Moment der Verbundenheit dar, für die anderen macht es den Coming-out-Prozess noch weitaus kniffliger“, sagt Gabriela. „Mark, der im Buch porträtiert wird, ist ein gutes Beispiel. Er hat sich zuerst geoutet, und konnte seinem Vater dann dabei helfen, sich mit seinem eigenen Coming-out besser zu arrangieren.“
In einer Zeit, in der Donald Trump Maßnahmen ergreift, um die legalen Erfolge der amerikanischen LGBT-Gemeinde nahezu monatlich rückgängig zu machen, und in der globale Kampagnen gegen gleichgeschlechtliche Ehen zur Abschreckung auf das Argument „aber denkt an die Kinder!” zurückgreifen (wie es zum Beispiel erst kürzlich in Australien passierte), scheint ein Fotoprojekt, das darauf abzielt, ein Bewusstsein für die Komplexität und Freuden zu schaffen, die es mit sich bringt, wenn man ein Kind von LGBT-Eltern ist, umso wichtiger.
„Ich hoffe, dass dieses Buch anderen, die sich verloren und allein fühlen, helfen wird, und sie wissen lässt, dass es Menschen wie sie gibt, die Ähnliches durchlebt haben“, sagt Gabriela.
Für die Fotografin persönlich, haben sich die Dinge inzwischen zum Guten gewendet, bei Familienfeiern sind jetzt immer alle zusammen: ihre Geschwister, ihre Mutter, deren Freundin und ihr Vater mit seiner Freundin. Sie denkt auch, dass sich die Dinge für andere, die im selben Boot sitzen, ebenfalls sehr positiv entwickeln. Als sie 2010 mit dem Projekt anfing, gestaltete es sich noch als ziemlich schwierig, Leute zu finden, die sich für das Projekt fotografieren lassen wollten; zum Ende hin, haben sie die Leute sogar von sich aus kontaktiert.
Darüber hinaus hat sie bemerkt, dass die jüngeren Teilnehmer ihres Projekts berichten, dass es nie wirklich ein Thema für sie war, LGBT-Eltern zu haben. „Ich shoote jetzt schon seit einer ganzen Weile nicht mehr“, sagt Gabriela, „aber das war definitiv die ermutigendste Tatsache, die ich aus dem Projekt für mich mitgenommen habe. Hoffentlich wird es in den kommenden Jahren überhaupt kein Thema mehr sein. Die Leute werden sich dann fragen, warum ich überhaupt ein Buch darüber veröffentlicht habe.“
Im Folgenden, teilen die Porträtierten aus Gabrielas Buch Teile ihrer Geschichten mit uns.
Alle Bilder unterliegen dem Copyright von Gabriela Herman aus dem Buch The Kids: The Children of LGBTQ Parents in the USA, das von The New Press veröffentlicht wurde.
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