Wie würden wir einen Mann nennen, der seinen Vornamen nicht verrät, immer Unerreichbarkeit suggeriert, nicht möchte, dass du Sachen bei ihm deponierst und am Tag deiner Hochzeit einfach nicht auftaucht? Sex And The City gab ihm den Namen Mr. Big und machte ihn zum Traummann 30-jähriger Großstädterinnen mit Serienaffinität.
Das ist ungefähr so realistisch wie als Kolumnistin mit Prokrastinationsproblemen in Manhattan zu leben und sich auch noch regelmäßig Designerschuhe kaufen zu können. Das Bild des wohlhabenden Geschäftsmannes, der sich alle Optionen offen halten will und von einer Zahnbürste in der Uptown-Luxuswohnung eingeschüchtert fühlt, ist kein Ideal, sondern Bullshit. Trotzdem scheint sich ein Großteil der Romantic Comedys genau auf diesen Typ Mann geeinigt zu haben.
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Das Problem ist, dass die Mr. Bigs dieser Welt erstmal ganz nett erscheinen: „Ich behandle dich wie eine Prinzessin, deswegen kann es gar kein Sexismus sein“. Sie ähneln sich auf den ersten Blick auch nicht unbedingt. Doch sobald die Fassade bröckelt, wird deutlich, dass es egal ist, ob sich der Protagonist nun Don Draper in Mad Men (kreativer Gentleman, aber bescheuert), Mark Darcy in Bridget Jones (bodenständig, aber bescheuert) oder Ludo Decker in Keinohrhasen (bescheuerter Typ, der sich nicht mal tarnt) nennt. Sie alle vereint ein respektabler Kontostand oder zumindest eine genauso dicke Attitüde, die dafür verantwortlich ist, dass man sich im Minutentakt an den Kopf fassen möchte.
Darum fühlt es sich auch so großartig an, den neuen Trailer zur zweiten Staffel der Netflix-Serie Love zu gucken. Wenn ich Mickey und Gus bei ihrem Versuch beobachte, den täglichen Struggle mit einer funktionalen Vielleicht-Beziehung in Einklang zu bringen, kommt es mir so vor, als würde ich in den Spiegel schauen. Ich bin zwar weder Love- und Sex-Addict (Mickey) noch Privatlehrkraft mit Fokus auf Filmsets und einer Vorliebe für alternative Soundtracks (Gus), würde jedoch behaupten, eine vielschichtige Person zu sein. Auch Mickey ist nie nur das endcoole Mädchen und Gus immer mehr als nur der Nerd, der sich glücklich schätzen kann, dass er sich in sie verguckt.
Beide haben so hohe Erwartungen, dass sie sich selbst Steine in den Weg legen. Ein Gefühl, das der Arbeitstitel meine Biografie sein könnte – und ganz nebenbei dafür sorgt, dass mir die beiden Protagonisten viel näher sind als es ein in der Limousine vorbeirollender Mr. Big je werden kann.
Die erste Staffel von Love war für die New York Times Anlass genug, das Genre der Unromantic Comedy zu unterstreichen, bei der man hoffen darf, dass die beiden Protagonisten „wirklich mutig sind und sich nie ernsthaft verlieben werden.“ Warum? „Weil es mehr gibt als die bezaubernde Carrie Bradshaw oder Pechvogel Robin Scherbatsky“, schreibt HelloGiggles-Autorin Kate Villa. Ich würde noch einen Schritt weitergehen. Das Gute an Love ist nicht nur, dass Frauen weder das eine noch das andere Klischee sein müssen, sondern auch mehr anziehend finden als ein weiteres Abziehbild von Mr. Big oder einem schüchternen Buchhändler aus Notting Hill.
Seltsame Vielleicht-Boyfriends, mit denen man den Status definieren sollte und es möglicherweise trotzdem nie tun wird, sind dank Love nicht mehr eine Nische, sondern auf dem Weg in den Mainstream. Deshalb plädiere ich dafür, den Don Drapers, Mr. Darcys und Bigs dieser Welt ein Boi Bye in Großbuchstaben vor den maßgeschneiderten Latz zu knallen und ab dem 10. März bei Love mitzuverfolgen, dass Romantik nicht heißen muss, bei einem Glas Wein in einem überteuerten Restaurant über die Lage der Zahnbürste zu diskutieren.