Für viele ist 30 zu werden ein Meilenstein. Einige nehmen den runden Geburtstag zum Anlass, sich endlich ihrer Ziele im Leben bewusst zu werden und sich neu zu (er-)finden, andere stürzen erstmal in eine Krise, weil sie das Gefühl haben, mit den Zwanzigern ihre besten Jahre bereits hinter sich gelassen zu haben.
Dieser Widerwille, die wilde Jugend hinter sich zu lassen, zeigt sich auf verschiedene Arten. Eine davon scheint laut einer neuen Studie zufolge unser Musikgeschmack zu sein. Sobald wir die 30 erreichen, hören viele von uns auf, neue Musik zu entdecken. Stattdessen halten wir uns lieber an die Klassiker unserer Vergangenheit.
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Der Streamingdienst Deezer hat eine Studie unter 1.000 deutschen Usern durchgeführt. Danach sind viele von uns mit 31 in einer Art musikalischem Alltagstrott angekommen. 72 Prozent aller Bundesbürger zwischen 18 und 55 hören die immer gleichen Lieder einfach in einer Dauerschleife und fast ein Drittel der Befragten gab sogar an, auch nicht daran interessiert zu sein, außerhalb ihres Lieblingsgenres nach neuen Artists oder Songs zu suchen.
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Die Zeit, die ich früher in Musik investiert habe, nutze ich jetzt für Podcasts.
Casey Bird
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Mit 27 sieht das noch ganz anders aus. In diesem Alter entdecken wir statistisch gesehen die meiste neue Musik. 66 Prozent dieser Altersgruppe gaben an, wöchentlich zehn oder mehr neue Lieder zu hören und 48 Prozent sagten, dass sie im Monat im Schnitt fünf neue Künstler*innen für sich entdecken.
Ziemlich trübe Aussichten also, wenn wir mit steigendem Alter weniger offen für neue Dinge werden. Wenn man aber bedenkt, was sich so alles ändert in dieser Lebensphase, überraschen die Zahlen wenig. Nur ein Fünftel der Befragten gab an, schlichtweg erschlagen zu sein vom Überangebot, das Streamingdienste heutzutage bieten. Andere sagten, dass ihnen durch Job (24%) und kleine Kinder (12%) die Zeit für neue Musik fehlt. Über die Hälfte der Studienteilnehmer*innen in dieser Altersgruppe wünscht sich mehr Zeit, um musikalisch auf dem Laufenden zu bleiben.
Daneben gibt es aber auch noch nostalgische Gründe, die dazu führen, dass Leute sich bestimmten Künstler*innen und Songs einfach sehr verbunden fühlen. Effy Okogba ist vor einem Monat 30 geworden und sagt: „Ich interessiere mich nicht so für neue Bands, weil Musik für mich mit Erinnerungen verknüpft ist. Mit meinen Lieblingssongs schwelge ich in der Vergangenheit und reise im Kopf zurück zu Urlauben, Festivals und Exfreunden.“ Dass sie nicht mehr so offen für Neues ist, beschränkt sich aber nicht nur auf Musik. „In meinen Zwanzigern habe ich viel mit Mode, Musik, Essen und Jobs experimentiert. Jetzt mit 30 habe ich das Gefühl, dass mein Geschmack sich mehr ausgebildet und gefestigt hat und ich viel stärker auswähle, was ich konsumiere. Wenn ich jetzt neue Musik höre, dann nur, weil ich aus Versehen aufs Playlist-Radio bei Spotify gekommen bin.“ So hat sie auch die Künstlerin SZA entdeckt, deren Musik ihr sehr gut gefällt. Ansonsten bleibt sie aber den alten Klassikern treu.
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Im Laufe des Lebens entwickelt man sich so sehr, da sollte sich auch der Musikgeschmack mitentwickeln.
Sass Webber
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Auch Casey Bird, die letzten Oktober 30 geworden ist, ist aufgefallen, dass sie nicht mehr so interessiert ist an neuer Musik. „Die Zeit, die ich früher in Musik investiert habe, nutze ich jetzt für Podcasts. In letzter Zeit habe ich nur noch dann Musik gehört, wenn ich mich konzentrieren wollte. Dann wähle ich einfach irgendeine Jazz- oder Klavier-Playlist von Spotify aus.“ Für sie ist die Masse an neuen Künstler*innen einfach erdrückend. „Von Zeit zu Zeit finde ich schon Artists, die ich toll finde, aber dann vergesse ich sie wieder oder ich finde sie nicht mehr. Es sind aktuell einfach zu viele.“
Dass nicht jede*r zum musikalischen Spießer wird, wenn er oder sie die große 30 erreicht, sieht man am Beispiel der 32 Jahre alten Katy Thompsett. Sie sagt, dass sie heute mehr neue Musik hört als noch mit 25. „In den letzten paar Monaten war ich auf drei Konzerten von Künstlern, die ich erst kürzlich kennengelernt habe und ich habe auch schon die nächsten Gigs geplant.“
Eine ähnliche Erfahrung hat auch Sass Webber, 38, gemacht. Sie kann zwar verstehen, wieso Leute in ihren Dreißigern in einen musikalischen Trott geraten, weil das einfach mit vielen Sachen im Leben der Fall ist. „Aber für mich gibt es nichts Besseres als neue Bands und Sänger oder Sängerinnen kennenzulernen, mit deren Musik ich mich in einer bestimmten Zeit meines Lebens identifizieren kann. Man entwickelt sich so sehr im Laufe seines Lebens, ich finde, da sollte sich der Musikgeschmack mitentwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass ich noch viele Jahre lang neue Musik entdecken und zu Gigs gehen werde.“
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