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Die Haarbranche lässt Musliminnen außen vor – es wird Zeit, dass sich das ändert

Foto: Beth Sacca
„Hast du da drunter Haare?“
Als Muslimin, die einen Hijab trägt, wurde mir diese Frage überraschenderweise bereits oft gestellt. Die Antwort darauf lautet: Ja, ich habe Haare drunter – so wie die meisten anderen muslimischen Frauen, die ebenfalls ein Kopftuch tragen. Klar gibt es Ausnahmen. Das hat dann aber meistens mit den jeweiligen Lebensumständen der entsprechenden Person zu tun oder ist einfach eine persönliche Entscheidung.
Man könnte meinen, die Annahme, Musliminnen hätten keine Haare, sei aber eigentlich nicht weit verbreitet und deshalb auch nicht weiter ernst zu nehmen. In der Mainstream-Haarbranche scheint aber genau diese Denkweise üblich zu sein. Mein ganzes Leben lang war ich stets von Frauen mit Hijabs umgeben. Komischerweise sah ich aber nie muslimische Models mit Kopftüchern in Werbungen für Haarpflegeprodukte – egal, ob es sich dabei um Shampoos, Haarfärbe- oder sonstige Behandlungsmittel handelte. 
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Ich verstehe natürlich, dass es auf den ersten Blick unnötig erscheinen mag, ein Model, das ihr Haar bedeckt, für eine Haarpflegewerbung einzusetzen. Schließlich geht es ja darum, potenzielle Käufer:innen an Land zu ziehen, die sich dann für beworbene Haarpflegeprodukte begeistern können, wenn sie schöne, gepflegte Haare zu sehen bekommen. Die Regeln, die in der Werbebranche herrschen, sind ziemlich einfach und unmissverständlich: Zeig Kund:innen etwas, das sie sich wünschen oder wonach sie streben, präsentier das Produkt als Mittel zum Zweck und – ta-dah! – verkauft.

Von den zahlreichen muslimischen Frauen, die mich umgeben, bedecken manche ihr Haar und andere nicht. Ob Kopftuch oder keins, eines haben aber alle gemein: Haarpflege ist für sie alles andere als ein unwichtiges Thema. 

Als hijabtragende muslimische Frau habe ich deshalb Werbung für Haarpflegeartikel nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass mir meine Haare unwichtig wären oder ich sie nicht pflegen würde. Mein Desinteresse hat damit zu tun, dass ich mich nicht mit den Models, die ich sehe, identifizieren kann. Ich bin nicht die Einzige, die sich nicht angesprochen fühlt: So geht es muslimischen Frauen weltweit. Öffentlich werden wir außen vor gelassen, insbesondere, wenn es um Haarpflege geht. Die Beauty-Branche sollte aber die Kaufkraft von Musliminnen nicht unterschätzen. Außerdem steigt seit einiger Zeit die Nachfrage nach Halal-Kosmetik rasant. Von den zahlreichen muslimischen Frauen, die mich umgeben, bedecken manche ihr Haar und andere nicht. Ob Kopftuch oder keins, eines haben aber alle gemein: Haarpflege ist für sie alles andere als ein unwichtiges Thema. 
Wir Musliminnen sprechen über alle möglichen Haarpflegethemen: Wir tauschen Meinungen zu unterschiedlichen Conditionern für trockenes Haar aus oder besprechen, welche Pflegerituale Haarbruch am effektivsten verhindern. Und ja, Styling und die neuesten Produkte, mit denen man einen bestimmten Look erzielen kann, sorgen bei uns auch für reichlich Gesprächsstoff. Als Schriftstellerin, die oft über Beauty schreibt, habe ich eine Fülle von Insider-Tipps & -Tricks entdeckt: Das Tragen eines Kopftuchs über einen längeren Zeitraum kann zu extrem empfindlichem Haar, das leicht brechen kann, führen. Ein seidener Kissenbezug kann hier der Retter in der Not sein. Seitdem ich auf Seide umgestiegen bin, ist mein Haar viel kräftiger. Für viele muslimische Frauen ist das Thema Haarpflege aus vielen unterschiedlichen Gesichtspunkten interessant und relevant. Deshalb finde ich es so verwunderlich, dass muslimische Frauen in der Öffentlichkeit in Sachen Haarpflege nicht wirklich eingebunden werden.
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Es mangelt an Repräsentation. Deshalb tun sich viele jüngere Musliminnen, die Hijabs tragen, mit der Haarpflege schwer. Sie wissen nicht, was zu tun ist.

Nadia Ossoble
Haarpflege ist ein sehr wichtiger und persönlicher Teil unseres Lebens. Haarprodukte und Styling-Geräte sind für Frauen mit Hijabs genauso wichtig wie für alle anderen. Dadurch, dass die Haarbranche Musliminnen ausschließt, wird einer gesamten Bevölkerungsgruppe die Stimme entzogen. „Ich sehe mir Werbungen für Haarpflege gar nicht mehr an“, erzählte mir das Model Khadija Mahamud. „Wozu auch? Sie richten sich sowieso immer nur an weiße Frauen“, fuhr sie fort.
Musliminnen im Bereich der Haarpflege außen vor zu lassen, ist eine Form von Ausgrenzung. Wie meine Freundin Nadia Ossoble erklärt, ist dieses Verhalten aber nicht nur in der Werbung, sondern auch in Zeitschriften und den sozialen Medien verbreitet. „Es mangelt an Repräsentation. Deshalb tun sich viele jüngere Musliminnen, die Hijabs tragen, mit der Haarpflege schwer. Sie wissen nicht, was zu tun ist“, erzählt sie mir. „Es gibt keine Information darüber, welche Auswirkung das Tragen eines Kopftuchs auf dein Haar hat, zum Beispiel. Durch YouTuber mit Hijabs habe ich erst vor Kurzem erfahren, dass bestimmte Stoffe deine Haare brüchiger machen können.“
Es ist schwierig, eine Marke oder Haarexpert:innen zu finden, die Content erstellen, der auf Frauen mit Hijab abgestimmt ist. Das hat muslimische Frauen dazu veranlasst, für sie relevante Inhalte selbst zu erstellen. Wie es bei vielen Musliminnen der Fall ist, ist das Internet meine Anlaufstelle, um Informationen zum Thema Haarpflege für Frauen mit Hijab zu finden. Zum Glück bin ich dabei auf Communities gestoßen und habe Blogposts und Kanäle entdeckt, in denen Frauen weltweit über ihre Haare, die dem täglichen Tragen eines Kopftuchs ausgesetzt sind, und Haarpflege an sich sprechen. Vlogger wie Salima B, Shahd Batal und Ismahan Co sind mit ihren hijabfreundlichen Haarpflegeroutinen auf YouTube bekannt geworden. Sie bieten Frauen, die ihr Haar verdecken, Ratschläge, Produktempfehlungen und DIY-Tipps an, um die Längen mit ausreichend Feuchtigkeit zu versorgen und weich zu halten und durch Reibung verursachte Schäden zu vermeiden. Während Hijab-Haarpflege im Internet boomt, sieht die Lage in der Mainstream-Beauty-Welt aber ganz anders aus.
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Wann wird die Branche endlich damit beginnen, Musliminnen als Kundinnen anzuerkennen und sie nicht bloß als Herausforderung in Sachen Inklusion zu sehen?

2018 war L'Oréal die erste große Marke, die ein muslimisches Model mit Hijab in einer Werbung für Haarpflegemittel zeigte. Diese Kampagne war zwar von kurzer Dauer, für mich aber dennoch eine große Sache. Die Entscheidung, eine Muslimin mit Kopftuch als Werbeträgerin einzusetzen, war auch für viele andere muslimische Frauen, die ich kenne, von großer Bedeutung. Für Fatima Mohamed, der Gründerin von The Que Scarves, wäre dieser Schritt ein bittersüßer Moment gewesen. „Ich habe mich sehr darüber gefreut. Diese Aktion fühlte sich aber auch so an, als hätte die Aktion bloß eine Art Vorzeigefunktion für die Marke gehabt“, sagt sie. Natürlich ist der Grat zwischen echter Vielfalt und Inklusion und das Abhaken von Kriterien auf einer Liste sehr schmal. Wenn das Ganze nicht authentisch rüberkommt, fühlt es sich sinnlos an. Die Einstellung, dass man für jegliche Form von gleichberechtigter Teilhabe und Repräsentation dankbar sein muss, ist leider immer noch sehr üblich. Es wird vorausgesetzt, dass man sich glücklich schätzen muss, in dieser ach so exklusiven Welt wahrgenommen zu werden. Vielen muslimischen Frauen genügt das aber nicht. Wann wird die Branche endlich damit beginnen, sie als Kundinnen anzuerkennen und sie nicht bloß als Herausforderung in Sachen Inklusion zu sehen?
Die Antwort ist eindeutig: Muslimische Frauen müssen ebenfalls am Verhandlungstisch sitzen, um so die Beauty-Welt mitgestalten zu können. Insbesondere im Bereich der Haarpflege muss ihnen Gehör verschafft werden. Die Haarbranche muss aber auch die unterschiedlichen Bedürfnisse muslimischer Frauen berücksichtigen. Nicht alle Frauen, die einen Hijab tragen, haben den gleichen Haartyp. Das Haar einer muslimischen Frau kann sich ungemein von dem einer anderen unterscheiden – von Beschaffenheit über Länge bis hin zu Bedürfnissen und Vorlieben; die Palette ist groß. Damit die Haarbranche eine vielseitige und authentische Repräsentationskultur entwickeln und sich dafür starkmachen kann, müssen muslimischen Frauen auf allen Ebenen einbezogen werden. Auf diese Weise können sie die Welt der Haarpflege mit Ideen und Vorschlägen, die für sie relevant sind, bereichern. Außerdem können sie somit die Haarbranche so verändern, dass sie die Unterschiedlichkeit, die in der Welt existiert, widerspiegelt.
Ich erwarte mir keine Anerkennung. Ich denke aber, dass es an der Zeit ist, veraltete, weiß-zentrische Ideale, die in der Welt der Haarpflege immer noch vorherrschen, über Bord zu werfen. Vielleicht liegt es in unseren Händen, uns einen Platz am Verhandlungstisch zu erkämpfen. Vielleicht müssen wir Maßnahmen ergreifen, um für mehr Repräsentation zu sorgen, sei es in den sozialen Medien, oder indem wir die bisherige Taktik unserer Lieblingsmarken im Bereich der Haarpflege öffentlich infrage stellen. Damit sich etwas ändert, muss die Branche selbst aber auch eine wichtige Rolle übernehmen. Redakteur:innen, Friseur:innen & Co. müssen der Welt zeigen, dass sie etwas verändern wollen, indem sie zum Beispiel Artikel, Posts in den sozialen Medien oder neue Produkte auf muslimische Frauen ausrichten und deren Einbeziehung konsequent einfordern. Viele Menschen merken wahrscheinlich gar nicht, dass muslimische Frauen aus dem Bereich der Haarpflege ausgeschlossen werden. Das bedeutet aber nicht, dass das in Ordnung ist. Musliminnen dürfen nicht länger unsichtbar bleiben.

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