„Du datest die falschen Männer!“ Das sagte meine beste und verheiratete Freundin immer, wenn ich ihr in der Vergangenheit das Profil meines neuen Dates zeigte (Creative, in seinen frühen 30ern, vorzugsweise mit Bart). „Du bist eine erfolgreiche, 30-jährige Frau mit klaren Wertvorstellungen und Bedürfnissen. Kein Teenie, die sich sinnlos in einen Popstar verknallt, weil er so ein süßes Lächeln hat“, pflegte sie immer zu sagen. Und genau wie damals, wenn meine Mama mich als Pubertierende vor meinem damaligen Loser-Freund warnte, der mich nie gut behandelt hat, erwischte ich mich wieder dabei, die Einwürfe mit gleichen Achselzucken abzutun und zu denken "Ach, was weiß sie schon?“. Aber heute weiß ich, dass Mama einfach schon immer recht hatte – genau wie meine beste Freundin. Offensichtlich gibt es einen guten Grund, wieso es mit den Männern vorher nie geklappt hatte. Es ist nämlich nicht so, als hätte ich es nicht versucht, glaubt mir! Ich musste definitiv aus meinem Dating-Trott herauskommen und manchmal sehen die Menschen, die einem am nächsten stehen, die Dinge klarer als man selbst.
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Mein erster Step nach diesem Peptalk war es, eine neue App auszuprobieren. Einige Dating-Plattformen sind leider sehr oberflächlich und bieten kein besonders detailliertes Profil. Ich brauchte mehr, als eine kurze Biografie à la "Reisen, Lachen und Bier" und zwei schlechte Selfies. Bei der Anmeldung stellt OkCupid dir etliche Fragen und zeigt dir dann die Kompatibilität der Singles zu deinen Antworten. Und die Fragen haben es in sich; manche sind deep, manche vor allem lustig. Das ist ein absoluter Game Changer. So habe ich bemerkt, dass ich im Alltag selten innehalte und über bestimmte Themen nachdenke und darüber, wie wichtig sie für mich sind. Unsere Ansichten, Werte und No-Gos ändern sich mit der Zeit und das ist auch gut so. Die Erstellung meines Profils hat mich daran erinnert, mich häufiger selbst zu hinterfragen, mir zu überlegen, woraus ich gemacht bin und schlussendlich auch, welche Person ich mir an meiner Seite vorstelle. Mich macht so viel mehr aus, als meine Karriere oder mein Aussehen und das Gleiche gilt für meine Dates: Sie bestehen nicht bloß aus üppiger Gesichtsbehaarung und überzeugen ganz sicher nicht nur durch die Tatsache, dass sie nur wenige Kilometer entfernt wohnen. Am Ende bin ich mir dessen natürlich bewusst, wenn auch manchmal eben nur unterbewusst. Ganz ehrlich, Kompatibilität ist definitiv etwas, das in meinen früheren Erfahrungen fehlte. Aber das sollte sich nun endlich ändern. Mein Plan war es, auf drei Dates outside the box zu gehen. Mal einen anderen Typ Mann daten, sich auf etwas Neues einlassen – drei Dates mit unverhofften Mister Rights sozusagen.
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"Da ich in der Vergangenheit schon mit älteren Männern ausgegangen bin, war diese Verabredung auch ein bisschen Rückkehr in meine frühere Comfort Zone."
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Meine erste Verabredung habe ich aufgrund unserer Kompatibilität gewählt. Weil Adam* und ich uns in grundlegenden Dingen wie Religion und Politik einig waren, aber genug Unterschiede wie unseren Musikgeschmack und Haustiere hatten, hoffte ich, dass unsere Kombination für interessante Gespräche sorgen würde. Außerdem war er 42 Jahre alt. Da ich in der Vergangenheit schon mit älteren Männern ausgegangen bin, war diese Verabredung auch ein bisschen Rückkehr in meine frühere Comfort Zone. Aber hey, ich bin bereit für eine Familie, warum also nicht mit einem gestandenen Mann ausgehen, der seine Junggesellenzeit hinter sich hat? Ein weiterer großer Pluspunkt war sein Hintergrund und die Tatsache, dass seine bevorzugte Sprache Englisch ist. Adam* stammt aus der Bretagne und lebte lange Zeit in Großbritannien. Ich bin in Polen geboren, als Kleinkind nach Deutschland gezogen und habe ein Jahr in den USA gelebt. Das war unsere erste Gemeinsamkeit und ich freute mich darauf, mit ihm auf Englisch zu quasseln. Außerdem interessierte mich, ob er sich auch nirgends so recht zuhause fühlt, so wie ich.
Ich war aufgeregt Adam* zu treffen, völlig ungerechtfertigter Weise, wie ich schnell merkte. Er kümmerte sich um die Verabredung und suchte sich eine neue Craft-Bier-Pizzeria aus – these are just two of my favorite things. Er sah süß und reif zugleich aus. "Ich habe extra mein Hemd gebügelt", gestand er stolz, bevor er mir eine feste und warme Umarmung gab. Wir konnten uns kaum hinsetzen, schon begann der Deep Talk. Wir hatten gleich eine Verbindung. So sehr sogar, dass wir völlig vergaßen, Essen zu bestellen. Seine Offenheit hat mich wirklich überrascht. Kein Funken toxische Männlichkeit – kein Thema war tabu. Kindheit, die Beziehungen zu den Eltern, Arbeitsplatzwechsel, wir diskutierten alles. Nicht auf eine schwere Art und Weise, sondern auf eine heilsame und lustige. Da bildete so etwas wie ein Schutzraum um uns herum und dieses Gefühl ist mir für eine echte Beziehung äußerst wichtig. Der Abend endete mit einer weiteren großartigen Umarmung und Plänen für ein zweites Date, das zum Thema des ersten passen sollte: er wolle mir einen seiner Lieblingsfilme zeigen, der meine Ängste vor Horrorstreifen konfrontieren und zunichtemachen sollte. Ich bin sicher, dass ich mich bei ihm auf der Couch genauso sicher fühlen werde, wie bei leckeren Bier und einer geteilten Pizza um 22 Uhr.
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Die Wahl meines zweiten Dates überließ ich meiner besten Freundin. Sie sollte allein anhand der Intros, Bios und Antworten auswählen. Das Chatten blieb natürlich mir überlassen, damit es authentisch bleibt. Sie war super aufgeregt und konnte sich tagelang für niemanden entscheiden. Vielleicht versteht sie meine Seite des ganzen Online-Dating-Dschungels jetzt ein bisschen besser. War natürlich auch ganz schön viel Pressure für sie. Aber am Ende hat sie es geschafft: Ein 35-jähriger Lehrer (übrigens mit Bart) namens Andre* lächelte mich vom Handybildschirm aus an. Nicht wirklich outside my box, dachte ich. "Er ist im Grunde genommen du in männlich", informierte mich meine Freundin. Und wow, wie hatte absolut recht! Als ich in der App über seine Wertvorstellungen, Weltanschauung, Leidenschaften, Ängste und No-Gos las, hätte ich genauso gut meine eigenen Worte lesen können.
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"Er hatte gerade eine lange Beziehung hinter sich und gab zu, sich auf klassischen Dates noch immer seltsam und schüchtern zu fühlen"
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Ihr letzter Tipp war es dann noch, ein Picknick zu organisieren. „Das Wetter ist so herrlich“, sagte sie, und bevor sie zum zweiten Mal den Refrain von „Love is in the Air“ anstimmen konnte, musste ich zum Glück auch schon los. Aber ihren Enthusiasmus muss man ihr echt lassen. Das Wetter war tatsächlich traumhaft. Mein Gespräch mit Andre* fühlte sich so leicht an, wie die sanfte Brise in der Luft. Wir waren entspannt und genossen die Gesellschaft des jeweils anderen. Aber da war eine Mauer, das merkte ich sofort. Er hatte gerade eine lange Beziehung hinter sich und gab zu, sich auf klassischen Dates noch immer seltsam und schüchtern zu fühlen, was ich vollkommen verstehen konnte. Aber er sei bereit, sich zu öffnen und schlug mir vor, ihn und ein paar seiner Freunde am Ende der Woche zum Grillen zu treffen. Auf diese Weise, so seine Idee, würde es sich nicht so verklemmt und Date-mäßig anfühlen. Ich mochte die Idee total.
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Das dritte Intro auf OkCupid, das zum Date wurde, begann fast wie ein kleiner Sturm. Seine erste Nachricht an mich war lang. Und ich meine laaaahaaang. Und ein bisschen weird und sarkastisch – genau nach meinem Geschmack. Zum Beispiel fragte Rami* mich auf eine sehr empathische Art, wie oft die Schreibweise meines Namens mir schon Probleme gemacht hatte. Er stellte konkrete Fragen und ich fühlte mich direkt als Person gesehen. Kein Wunder, dass da sofort was war. Wir haben die ganze Nacht geschrieben, über Gott und die Welt gesprochen, einander von unseren Leidenschaften erzählt und uns gegenseitig Dinge wie Stricken erklärt. Ich konnte das Telefon nicht aus der Hand legen. Selten schreibe ich so viel, bevor ich auf ein Date gehe. Zeitverschwendung, dachte ich immer und hatte das Gefühl, dass ich einen Menschen erst einmal ganzheitlich erleben muss, um ihn wirklich kennenlernen zu können. Tja, Rami* bewies mir, dass ich mich geirrt hatte. Ich hörte meine beste Freundin schon sagen: "Ich habe es dir doch gesagt!“ Der digitale Weg war für uns die ideale Möglichkeit, eine echte Verbindung herzustellen, denn für Rami* ging es am nächsten Tag auf Reisen.
Unsere erste Verabredung fand deswegen so was von outside my box statt – nämlich per Video. Die Angst, dass es sich wie ein arbeitsbedingter Call anfühlen könnte, verflog schnell, als ich sein nervöses Lächeln auf dem Bildschirm sah. Wir kochten etwas zusammen und sein Essen sah tausend Mal besser aus, als meins, was ich bis in die Ewigkeit darauf schieben werde, wie nahtlos unser Gespräch von OkCupid zu „Ok, cute!“ überging. Wir knüpften genau da an, wo wir die Nacht zuvor aufgehört hatten. Ja, der never ending Augenkontakt ist schuld an meinem angebrannten Hähnchen, ok? Nicht, dass wir Conversation-Starter gebraucht hätten, aber es gab so viele Themen, die von unseren OkCupid-Profilen inspiriert waren. Aussagen wie "Es ist nichts Falsches daran, unordentlich zu sein" oder "Ich liebe Tiere, aber esse sie auch" schufen eine Basis, die echt wirkte. Wir schmiedeten den Plan, bald auch im echten Leben gemeinsam zu kochen. Ich werde dann für den Salat zuständig sein...
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"Der digitale Weg war für uns die ideale Möglichkeit, eine echte Verbindung herzustellen."
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Drei ganz unterschiedliche, aber aufregende Dates und eine ganze Menge Eindrücke später muss ich zugeben, dass diese Verabredungen ohne Frage zu den besten gehören, die ich je hatte. Vielleicht liegt das daran, dass ich so was von bereit für etwas Neues war – eher überreif. Vielleicht liegt es daran, dass schon allein OkCupid besser zu mir passt, als andere Dating-Plattformen, was wiederum dazu führt, dass ich mich endlich mehr wie ich selbst, verstanden und geschätzt fühle. Die App dient als Stütze, bewusster zu daten und sich zu fragen, was man wirklich möchte. Man wird aktiv dazu angehalten, in sich hineinzuhorchen und das Bewusstsein dafür zu verfeinern, welche Qualitäten man sich in einem Partner tatsächlich wünscht. Diese Erfahrung hat mich definitiv gelehrt, keine Angst mehr davor zu haben, um Liebe zu bitten. Darin ermutigt zu werden, meine Wünsche offen zu formulieren – etwas, wovor ich mich in der Vergangenheit und besonders bei anderen Apps geschämt hatte – war der Game Changer schlechthin. Und wer weiß, vielleicht bin ich ja bereits ein bisschen verliebt ...
*Namen von der Redaktion geändert
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